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Kapitel 8

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Mit schnell schlagendem Herzen klopfte Julia an die Tür von Dr. Claybornes Büro und trat wieder einen Schritt zurück. Das Atmen fiel ihr schwer. Eine schleichende Angst, die sie allnächtlich wach hielt, hatte sie hierhergeführt. Sie musste etwas tun. Ihren Verdacht ein für alle Mal bestätigen oder aus dem Weg räumen.

„Herein.“ Julia holte tief Luft und trat ein.

Dr. Clayborne saß am Schreibtisch und war umgeben von mehreren Stapeln Bücher und Papiere. „Miss Holloway, was kann ich für Sie tun?“

Julias Mund war wie ausgetrocknet und die Worte wollten ihr nicht über die Lippen kommen. Es war eine dumme Idee! Dr. Clayborne war immer gut zu ihr gewesen – sie konnte nicht noch einen Gefallen erbitten! „Ach, vergessen Sie es. Ich … Es ist nicht so wichtig.“

„Gibt es ein Problem mit Ihrer Arbeit?“, fragte er und schob die Brillengläser auf dem Nasenrücken hoch. „Wenn man Sie nicht gut behandelt, kann ich mit dem Verantwortlichen sprechen.“

„Nein, das ist es nicht“, erwiderte sie und verschränkte die Hände. „Wie schon gesagt, es ist nichts Wichtiges.“ Sie wandte sich wieder in Richtung Tür.

„Es war wichtig genug, um Sie nach Ende Ihrer Schicht zu mir zu führen“, sagte er und sah sie mit freundlichen Augen an. „Warum erzählen Sie mir nicht einfach, was Ihnen auf dem Herzen liegt?“

Aber wie sollte sie ihre Scham bloß überwinden und darüber reden? Und was, wenn er sie sofort kündigen ließe, nachdem er von ihrem Geheimnis wusste? „Das kann warten.“

Doch als sie nach dem Türknauf greifen wollte, begann sich plötzlich der ganze Raum zu drehen. Eilig hielt sie sich am Türrahmen fest, ihr schwirrte der Kopf!

„Miss Holloway?“ Die Stimme des Doktors klang, als käme sie aus einem Tunnel.

Mit einer Hand an der Stirn umklammerte sie mit der anderen den Türrahmen, um aufrecht stehen zu bleiben. Sie würde jetzt nicht in Ohnmacht fallen. Nicht jetzt.

„Sie sind ja ganz blass geworden“, sagte Dr. Clayborne, nahm sie beim Arm und führte sie zu einem Stuhl. „Lehnen Sie den Kopf an und atmen Sie tief durch. Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.“

Julia tat wie ihr geheißen. Als Dr. Clayborne zurückkam, konnte Sie schon wieder klar sehen, obgleich nun ihr Magen zu rebellieren drohte.

Dr. Clayborne hielt ihr das Glas an die Lippen. „Trinken Sie, am besten mehrere kleine Schlucke. Das bringt Ihren Kreislauf wieder in Schwung.“

Die kühle Flüssigkeit besänftigte Julias ausgetrocknete Kehle. Sie holte tief Luft und sah dem Arzt schließlich in die Augen.

„Geht es Ihnen nicht gut, Miss Holloway?“

Ihre Hand zitterte, sodass das Wasser aus dem Glas überschwappte. „Ich weiß es nicht. Deshalb bin ich eigentlich gekommen“, erwiderte sie und plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. „Ich muss wissen …“ Sie würgte ab. Hatte sie den Mut, diesen Satz zu Ende zu führen?

„Nur keine Sorge. Ich bin Arzt, mich bringt nichts so leicht aus der Ruhe. Sagen Sie es mir einfach.“

Die Sanftmut in seiner Stimme brachte Julias Augen zum Überlaufen und die Tränen rannen ihre Wangen herunter.

„Ich muss wissen, ob ich … vielleicht schwanger bin.“


Quinn brachte den energiegeladenen braunen Wallach in der prallen Sonne zum Stehen und nahm die Mütze vom Kopf. Mit einem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Ihm war nicht klar gewesen, dass die Sommer in Kanada derart heiß waren. Am Ende einer langen Landstraße sah er einen einzelnen zerbeulten Briefkasten, auf dem in verblassten schwarzen Lettern der Name Sherman zu lesen war.

Dann spähte Quinn den Trampelpfad entlang und konnte in der Ferne gerade so das Dach einer Scheune ausmachen. Sollte er es wagen, auf dem Pferd vorzureiten? Nein, zu Fuß wäre es sicherer. Auf diese Weise hätte er bessere Chancen, Schrotmunitionen auszuweichen, sollte man tatsächlich auf ihn schießen. Und auch das Pferd wäre außer Gefahr.

Also band er die Zügel an dem Briefkastenpfeiler fest und nahm sich einen Moment, um den Kopf zu senken und Gott um einen guten Ausgang zu bitten. Dann folgte er dem Pfad. Alle seine Sinne waren geschärft, während er nach Arbeitern Ausschau hielt. Insbesondere spähte er nach jemandem, der Ähnlichkeit mit seinem Bruder hatte. Und doch erblickte er nichts als viele Morgen hügelige grüne Felder.

Sobald die Scheune in Sichtweite kam, beschleunigte sich Quinns Puls und er spürte, wie Hoffnung in seiner Brust keimte. War es tatsächlich möglich, dass er gleich seinen Bruder wiedersah? Und falls ja, würde er Cecil nach all den Jahren überhaupt erkennen?

Während er den Drang unterdrückte, geradewegs zur Scheune zu marschieren, erinnerte sich Quinn an die Warnung des Bahnhofsvorstehers und ging zuerst auf das Farmhaus zu. Es war ein einfaches Haus mit weißen Schindeln, einer Fliegengittertür und einem leicht durchhängenden Verandadach. Quinn stieg die wenigen Treppen hoch zur Veranda und klopfte an die Tür. Sofort wurde geiferndes Bellen aus dem Inneren hörbar. Vorsichtshalber trat Quinn einen Schritt zurück – für den Fall, dass das Tier sich selbst herausließ.

„Still, Herkules!“, unterband eine scharfe weibliche Stimme das Gebell.

Wenige Sekunden später stand eine große, streng aussehende Frau vor Quinn, an ihrer Seite ein räudig wirkender Köter. Sie blickte Quinn durch die Fliegengittertür an und runzelte die Stirn. „Kann ich Ihnen helfen, Mister?“

Unsicher, was er tun oder sagen sollte, musste Quinn schlucken. „Ich hoffe, Madam. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder, der, soweit ich weiß, für Sie und Ihren Mann arbeitet. Sein Name ist Cecil Aspinall“, erklärte er.

Kurz verriet ihr Blick, dass der Name ihr etwas sagte, doch dann verhärteten sich die Gesichtszüge der Frau wieder. „Da sind Sie wohl auf der falschen Farm.“

Quinn trat einen Schritt näher, bereits darauf vorbereitet, jedes Hindernis zu überwinden. „Könnten Sie mir dann vielleicht wenigstens sagen, ob Sie Cecil kennen? Er arbeitet auf einer Farm in dieser Gegend. Für einen Mr Sherman, da bin ich mir eigentlich sicher.“

„Sie glauben doch nicht, dass ich all die Namen der Jungen kenne, die hier in der Gegend arbeiten“, erwiderte sie und die Fältchen um ihren Mund vertieften sich, je mehr sie die Lippen zusammenpresste. „Und jetzt wäre ich dankbar, wenn Sie unser Land wieder verlassen, bevor mein Mann Sie entdeckt. Glauben Sie mir, er wird nicht so zuvorkommend sein wie ich“, erklärte sie und warf ihm noch einen letzten bösen Blick zu, bevor sie die Tür so heftig zuschlug, dass das Gitter klapperte.

Quinn atmete hörbar aus. Sicher wusste die Frau mehr über Cecil, als sie preisgegeben hatte. Und doch würde es Quinn nicht helfen, sie zu bedrängen. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als zu gehen.

Da sie ihn sicher durch irgendein Fenster beobachtete, nahm Quinn den kleinen Pfad zurück. Doch als er erneut an der Scheune vorbeikam, verlangsamte er den Schritt. Es kostete ihn viel Überwindung, nicht einfach hineinzurennen und sich umzusehen, ob Cecil darin war. Jetzt aber bemerkte Quinn, dass der Scheuneneingang nicht direkt vom Farmhaus aus zu überblicken war, und so bog er um die Ecke und hinter einen Hain von Bäumen, bis er außer Sichtweite war.

Dann pirschte er gebückt und überaus vorsichtig durch das Gezweig zurück in Richtung der langen Scheunenwand und hoffte, dass es dort noch einen zweiten Eingang gab.

Tatsächlich stand eine Hintertür offen, von wo aus er einen Blick ins halbdunkle Innere erhaschte. Kurz darauf klopfte er Blätter und Zweige von sich und ging mit pochendem Herzen hinein. Während er einige Sekunden lang einfach nur dastand, um sich zu orientieren, schlug ihm der beißende Geruch von Dung entgegen. An der langen Wand sah er einige Reihen von Rindern. Der matschige Mittelgang war mit Heu bedeckt.

Eine Bewegung am anderen Ende der Scheune ließ Quinn auf zwei Männer aufmerksam werden, die nun in sein Blickfeld traten. Schnell duckte er sich, eilte in einen leeren Stallbereich und hielt die Luft an.

„Füll die Wagen hier mit Heu aus dem Schuppen und fütter die Rinder“, sagte einer der Männer. „Und wenn du schon dabei bist, bring ein bisschen Heu für die Scheune mit.“

„Ja, Sir.“

Sofort begann Quinns Puls zu rasen, als er den britischen Akzent des jüngeren Mannes vernahm. War das vielleicht Cecil? Oder bloß irgendein Arbeiter aus England?

Mit schweren Schritten stapfte jemand davon. Den übrigen Geräuschen zufolge mutmaßte Quinn, dass der andere an einem Pferdegeschirr arbeitete. Mutig wagte Quinn es, über die Stalltür zu schielen. Ein sehr dünner Junge lehnte über einer Vorrichtung aus Leder und Ketten. Er trug einen großen Schlapphut, der sein Gesicht verbarg und es Quinn unmöglich machte, zu erkennen, ob es sein Bruder war. Doch dann richtete sich der Junge wieder auf und öffnete eine der Stalltüren. Nur Sekunden später sah Quinn, wie er ein Pferd mit Senkrücken aus der Box führte. Die Hufe wirbelten einiges an Staub auf.

„Na komm, Rigby. Es ist Zeit, den Wagen rauszufahren.“

Bevor Quinn seine Meinung ändern konnte, machte er einen Schritt nach vorne. „Entschuldige bitte?“

Sogleich drehte der Junge sich um und umklammerte die Zügel des Pferdes. Seine Augen weiteten sich und die Sommersprossen auf der blassen Haut stachen hervor. Ein Träger seines blauen Overalls hing nach unten, wodurch das weiße, schmutzige T-Shirt darunter sichtbar wurde. Die Knie des Overalls waren so abgewetzt, dass Quinn die Haut des Jungen durchschimmern sehen konnte. Aber was ihn am meisten traf, war, wie dünn seine Arme und Beine waren, wie knochig seine Ellbogen und Schultern aussahen. Tatsächlich sah der Junge seinem Bruder in gewisser Weise ähnlich, aber sicher war er sich nicht.

Er schluckte. „Cecil? Bist du’s?“

„Quinn?“

Für einen Augenblick verschlug es Quinn die Sprache und er konnte bloß nicken. Doch dann warf sich der Junge in seine Arme und Tränen stiegen Quinn in die Augen. Er hielt Cecil fest und zog ihn in eine kräftige Umarmung.

Auch Cecil drückte Quinn herzlich, machte dann einen Schritt zurück und zeigte ein breites Lächeln.

„Was machst du hier? Wie hast du mich gefunden?“

„Das ist eine lange Geschichte. Aber jetzt bin ich hier. Und das ist alles, was zählt“, sagte Quinn und packte Cecil bei der Schulter. „Ich bin gekommen, um dich, Harry und Becky wieder nach Hause zu holen.“

Ein alarmierter Ausdruck machte sich auf Cecils Gesicht breit. „Hat Mutter dich geschickt? Wie geht es ihr?“

Quinn unterdrückte ein Seufzen. „Nicht gut. Sie liegt im Krankenzimmer eines Armenhauses und ist sehr schwach. Deshalb müssen wir alle unbedingt bald zu ihr zurück. Wenn unsere Familie wieder beisammen ist, wird sie sich sicher erholen.“

„Ich …“, begann Cecil zögerlich, legte die Stirn in Falten und sah sich in der Scheune um. „Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen, aber es geht nicht.“

„Was meinst du damit? Du bist doch kein Gefangener hier, oder?“

„Aber nahe dran“, erwiderte Cecil missmutig und machte einen Schritt zurück. Erneut griff er nach den Zügeln des Pferdes.

Quinn folgte ihm. „Umso mehr solltest du mit mir kommen. Wir können gleich den nächsten Zug in die Stadt nehmen.“

„Ich habe doch gesagt, ich kann nicht. Ich bin vertraglich gebunden“, erklärte er und blickte sich nervös um. „Und du solltest jetzt besser wieder gehen, bevor der alte Sherman dich sieht. Er wird alles andere als glücklich sein, dich hier zu finden.“

Verzweifelt warf Quinn die Arme in die Luft und konnte sich nur mühsam zurückhalten, seinen Bruder nicht zu schütteln. „Cecil, Junge. Ich habe den ganzen Ozean überquert, um dich zu finden! Du kannst mich doch jetzt nicht nach weniger als fünf Minuten wieder wegschicken.“

Mit gequältem Blick starrte Cecil Quinn an. „Du verstehst das nicht. Wenn Sherman sieht, wie ich mich mit dir unterhalte, wird er mich dafür bezahlen lassen. Hör mal – ich habe sehr hart arbeiten müssen, um sein Vertrauen zu gewinnen. Das werde ich jetzt nicht einfach aufs Spiel setzen!“

Quinn ballte die Hände an seinen Seiten zu Fäusten. Wie sollte er so ohne Weiteres gehen, wo er seinen Bruder doch gerade erst wiedergefunden hatte? „Das kann ich einfach nicht glauben“, sagte er. „Nicht ein einziges Mal ist es mir in den Sinn gekommen, dass du vielleicht nicht mit mir kommen würdest.“

„Bitte, Quinn. Ich habe Aufgaben, die ich erledigen muss“, flehte Cecil. Eine Fliege schwirrte um seinen Nacken und er schlug sie weg. Kleine Schweißtropfen hatten sich unter seinem Hut gebildet. So oft, wie er um sich blickte, war es offensichtlich, dass er nervös war. Schließlich seufzte er. „Sieh mal, Quinn. Ich will ja nicht unfreundlich sein, aber … vielleicht können wir uns an meinem nächsten freien Nachmittag treffen und uns ein bisschen unterhalten? Es würde mich freuen, von dir und von zu Hause zu hören.“

Quinn hielt die scharfe Antwort zurück, die ihm auf der Zunge lag. Niemals hätte er sich vorstellen können, bei ihrem Wiedersehen nur wenige Worte zu wechseln. Oder dass Cecil nicht mit ihm nach England zurückkommen wollte. Vielleicht musste er ihm nur ein wenig Zeit geben, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. „Also gut, ich gehe wieder. Vorerst. Aber noch gebe ich nicht auf! Darauf kannst du dich verlassen, Cecil.“

Eilig nickte Cecil, bevor er mit dem Pferd im Schlepptau aus der Scheune marschierte.

Quinn musste gegen das überwältigende Gefühl von Enttäuschung ankämpfen. Er konnte nur hoffen, dass er bei Harry mehr Glück hatte. „Warte“, rief Quinn dann und eilte Cecil hinterher. „Weißt du irgendetwas von Harry?“

Für einen kurzen Augenblick zögerte Cecil, dann streckte er die Wirbelsäule durch und blieb stehen. „Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit ich Toronto verlassen habe.“

Enttäuscht runzelte Quinn die Stirn. „Also gut. Ich werde jetzt ihn suchen gehen. Und wenn ich ihn gefunden habe, kommen wir beide wieder“, sagte er und hob einen Finger. „Aber eins sage ich dir. Ich kehre nicht ohne dich nach England zurück.“

Cecil wurde still. Dann kam er näher, bis Quinn und er Fuß an Fuß standen. „Es sind nur noch achtzehn Monate, bis mein Vertrag ausläuft, Quinn. Dann bin ich ein freier Mann und kann tun und lassen, was ich will. Ruinier mir das nicht“, sagte er und schlug eine lederne Gerte gegen seine Handinnenfläche. Seine Augen zeigten einen Sturm von Emotionen.

Quinn seufzte. „Ich wünschte, das könnte ich, aber so einfach ist es nicht. Ich wollte es dir eigentlich nicht auf diese Weise sagen, aber …“ Er hielt inne und suchte nach Worten. „Mutter wird den Sommer vermutlich nicht überleben.“

Einen Moment lang stand Cecil nur da und atmete schwer, seine dünne Brust hob und senkte sich unruhig. Gewiss würde er nun verstehen, wie ernst die Lage war, und seiner Mutter zuliebe zurück nach Hause kommen. Doch der Junge schüttelte nur den Kopf. „Harry und Becky müssen genügen. Und nun, wenn es dir nichts ausmacht – ich habe noch eine ganze Herde Rinder zu füttern.“

Ein neuer Anfang für die Liebe

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