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2. Staatsstrukturprinzipien

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Neben den beschriebenen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen sind es auch die allgemeinen Staatsstrukturprinzipien, die den Staat formen und insoweit auf die Polizei und andere Ordnungsbehörden einwirken. Es wäre im Übrigen auch gut vertretbar, die gesondert geschriebenen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen als Konkretisierung der Staatsstrukturprinzipien aufzufassen. Jedenfalls lassen sich diese Prinzipien Art. 20 GG entnehmen. Die Prinzipien – ebenso wie die sog. Staatsziele des Art. 20 a GG – werden nachfolgend anhand der Relevanz für das Polizei- und Ordnungsrecht entfaltet.

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Vor allem das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, wirkt sich erheblich auf das Gefahrenabwehrrecht aus. Die nachfolgenden Bestandteile werden teilweise auch als eigenständige Prinzipien angesehen (so das Gewaltenteilungsprinzip), gleichwohl werden dann aber wiederum erhebliche Schnittmengen mit dem Rechtsstaatsprinzip attestiert.153 Diese Zuordnungsfrage ist ohne praktische Auswirkungen, sodass die Frage an dieser Stelle dahingestellt bleiben kann. Insofern werden nachfolgende Komponenten vereinfachend als dem Rechtsstaatsprinzip zugehörig unterstellt.

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Zum Rechtsstaatsprinzip gehört demnach die Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), d. h. die Aufteilung der Gewalt in die Gesetzgebung, in die die Gesetze anwendende Verwaltung, wie z. B. die Polizei, und in die Rechtsprechung, die insbesondere die Einhaltung der Gesetze durch die Verwaltung kontrolliert.154 Weiterhin kann man zum Rechtsstaatsprinzip den sog. Verfassungsvorrang zählen, nach dem ein Verstoß gesetzlicher Vorgaben gegen das GG grundsätzlich zur Nichtigkeit der gesetzlichen Vorschriften führt (s. zur Zuständigkeit des BVerfG Art. 100 Abs. 1 GG).155 Zum Rechtsstaatsprinzip zählt ferner das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das in seiner Ausprägung als Vorrang des Gesetzes die Verwaltung verpflichtet, sich an bestehende Gesetze zu halten und nicht gegen sie zu verstoßen. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bedeutet in seiner Ausprägung als Vorbehalt des Gesetzes außerdem, dass die Verwaltung im Bereich der Eingriffs- und der grundrechtsrelevanten Leistungsverwaltung nur tätig werden darf, wenn sie dazu durch Gesetz ermächtigt ist (s. auch Art. 103 Abs. 2 GG),156 so gerade bei Gefahrenabwehrmaßnahmen der Polizei gegenüber dem Bürger. Letztlich ist bei der Entscheidung der Reichweite dieses Gesetzesvorbehaltes auch die Wesentlichkeitstheorie heranzuziehen, nach der der Gesetzgeber „in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat“157.

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Zum Rechtsstaatsprinzip zählen ferner die Gewährleistung von Grundrechten (s. u. A.III.3.) und das Verhältnismäßigkeitsprinzip (s. u. B. I.4.b.bb.).158 Gerade aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ergeben sich immer wieder aktuelle Impulse für das Polizeirecht, insbesondere auch für das Datenschutzrecht der Polizei (s. C.II.1.). Das Bestimmtheitsgebot verlangt von dem Gesetzgeber, Normen so klar zu fassen, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist (Rechtsklarheit).159 Bestimmtheit meint auch, dass eine Norm inhaltlich präzise genug sein muss.160 Darüber hinaus sind auch die Akte von Verwaltung und Gerichten „bestimmt“ abzufassen. Für die Polizei gilt demzufolge auch gem. § 37 Abs. 1 HmbVwVfG, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss (man denke z. B. an die örtliche und zeitliche Beschreibung eines Aufenthaltsverbotes). Auch der Vertrauensschutz spielt in einem Rechtsstaat eine Rolle, so bei belastenden Maßnahmen in Form des Rückwirkungsverbotes, das an Gesetze anzulegen ist. Im (präventiven) Gefahrenabwehrrecht ist die Bedeutung indes eher untergeordnet (anders im Strafrecht, s. nur Art. 103 Abs. 2 GG).161

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Über die soeben genannten Komponenten hinaus werden im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip auch der zu gewährende Rechtsschutz als Säule genannt (im Privatrecht über den allgemeinen Justizgewährungsanspruch und für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten s. Art. 19 Abs. 4 GG) sowie rechtsstaatliche Strafverfahren mit strafrechtlichen Garantien wie der Unschuldsvermutung i. S. d. Art. 6 Abs. 2 EMRK.162

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Zu nennen ist nach dem Rechtsstaatsprinzip das in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG zum Ausdruck kommende Demokratieprinzip, nach welchem alle Staatsgewalt vom Volk auszugehen hat.163 Insofern wird bereits hierdurch deutlich, dass das Handeln der Polizei und der auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgerichteten Verwaltungsbehörden gegenüber einem Bürger im Ergebnis vom Volk legitimiert sein muss. Dies wird zum einen dadurch sichergestellt, dass der Gesetzgeber bzw. die vom Volk gewählten Vertreter das Handeln der Verwaltung durch gesetzliche Vorgaben determinieren, so z. B. durch die konkrete Festlegung der Eingriffsbefugnisse im SOG. Das Handeln der einzelnen Bediensteten, z. B. der Polizeivollzugsbeamten, wird ferner durch deren organisatorische Einbindung im Wege einer Fach- und Rechtsaufsichtskette (einschließlich Disziplinaraufsicht) sichergestellt. Die Kette reicht in Hamburg vom Volk über die gewählte Bürgerschaft, den Ersten Bürgermeister, den Senator für Inneres und Sport, den Polizeipräsidenten, weitere Vorgesetzte bis hin zum einzelnen Polizeivollzugsbeamten.

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Die weiteren Staatsstrukturprinzipien sind das Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), das letztlich auf die Gliederung in Bund und Bundesländer zielt (vgl. auch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie in Art. 28 Abs. 2 GG), das Prinzip der Republik (Art. 20 Abs. 1 GG), also die „Verneinung“ der Monarchie, sowie das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), das zusammen mit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) einen Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums sichert.164 Die Staatsziele Umwelt- und Tierschutz (Art. 20 a GG) werden gemeinhin als von den Staatsstrukturprinzipien getrennt gesehen, wobei diese Abgrenzung sich nur schwerlich erschließt.165 Die Staatsziele sind jedenfalls fester Bestandteil der Verfassung und wichtige Abwägungsposten in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.

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Für die Freie und Hansestadt Hamburg als Stadtstaat gelten die Grundsätze Rechtsstaat, Demokratie, Republik und Sozialstaat schon über die Homogenitätsklausel gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG. Darüber hinaus nennt Art. 1 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg das Bundestaatsprinzip. Art. 3 Abs. 1 dieser Verfassung bestätigt das Demokratie-, Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip.

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