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b) Checkliste Rechtmäßigkeit einer Gefahrenabwehrmaßnahme

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Zu allen Gefahrenabwehrmaßnahmen lassen sich Checklisten entwickeln, wie sie gerade auch in Klausuren oder Hausarbeiten helfen können. Von großer praktischer Relevanz sind dabei konkret-individuelle Maßnahmen, und zwar hier Verwaltungsakte und schlichtes Verwaltungshandeln. Insofern wird für diesen Ausschnitt ein gemeinsames Schema entfaltet.195 Zugleich wird anhand des Schemas auch das Verwaltungsverfahren beschrieben.

Teil 1: Maßnahme XY

Als Obersatz lässt sich beispielsweise formulieren: „Die Maßnahme war rechtmäßig, wenn eine Ermächtigungsgrundlage vorlag (A.) und die Maßnahme formell (B.) ebenso wie materiell (C.) rechtmäßig war.“ (Anmerkung: auch im Präsens formulierbar).

A. Ermächtigungsgrundlage

Schon wegen des Vorbehaltes des Gesetzes ist bei allen Eingriffsmaßnahmen eine gesetzliche Grundlage nötig. Insofern ist entsprechend dem Subsidiaritätsgrundsatz zunächst zu prüfen, ob eine spezialgesetzliche Grundlage greift (z. B. nach dem HafenSG oder Versammlungsgesetz). Sollte dies nicht der Fall sein, ist auf das SOG (für die Polizei im Bereich Datenschutz auf das PolDVG) zurückzugreifen. Im SOG selbst ist zu untersuchen, ob eine Standardmaßnahme der §§ 11 ff. SOG sachlich einschlägig ist und – falls dies nicht der Fall ist – auf die Generalklausel (§ 3 Abs. 1 SOG) zurückzugreifen.

B. Formelle Rechtmäßigkeit

Entsprechend den allgemeinen Vorgaben zum Verwaltungsverfahren (wozu Maßnahmen nach SOG, PolDVG, HafenSG gehören), sind formelle Standards einzuhalten, die insbesondere im HmbVwVfG geregelt sind. Zum Teil sind die Vorschriften (ab §§ 9 ff. HmbVwVfG) auf Verwaltungsakte, nicht aber ausdrücklich auf schlichtes Verwaltungshandeln anwendbar. Allerdings sollten jedenfalls bei denjenigen Handlungen des schlichten Verwaltungshandelns, die in Grundrechte eingreifen (z. B. Gefährderansprache, Gefährderanschreiben), prophylaktisch und sicherheitshalber auch die auf den Verwaltungsakt anwendbaren Vorschriften analog angewendet werden, weil die Vorgaben letztlich ohnehin aus den Grundrechten abgeleitet werden können und insoweit dadurch schon verfassungsrechtliche Rechtsrisiken vermieden werden.196

I. Zuständigkeit

1. Sachlich

Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus der Ermächtigungsgrundlage. Im SOG ist durchweg von den „Verwaltungsbehörden“ die Rede. Gleichwohl ist auch die Polizei – genauer die Vollzugspolizei – gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 lit. a SOG in allen Fällen der Gefahrenabwehr zuständig, falls die Maßnahme unaufschiebbar ist. Solche Eilfälle liegen oftmals vor. § 3 Abs. 3 SOG, nach dem der Schutz privater Rechte nur im Ausnahmefall in die Kompetenz der Behörden fällt, spielt keine Rolle, wenn mit zivilrechtlichen Beeinträchtigungen auch Straftatbestände vorliegen (man denke nur an die Nötigung, § 240 StGB), sodass schon deshalb ein Eingriff des Staates notwendig wird.

2. Örtlich

Die Polizei hat die Allzuständigkeit auf dem Gebiet Hamburgs, bei den Verwaltungsbehörden ist dies im Einzelfall zu prüfen.

II. Verfahren

Eine Anhörung ist bei eingreifenden Polizeimaßnahmen entbehrlich, wenn Gefahr im Verzug besteht, § 28 Abs. 2 Nr. 1 HmbVwVfG. Im Zweifel kann die Anhörung ohnehin nachgeholt werden, § 45 Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG. Gleiches gilt für Verwaltungsbehörden.

III. Form

Formprobleme bestehen in der Regel – angesichts der grundsätzlichen Formfreiheit für Verwaltungsakte, § 37 Abs. 2 Satz 1 HmbVwVfG – nicht.

C. Materielle Rechtmäßigkeit

I. Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage (Tatbestandsvoraussetzungen)

Hier sind nur die einzelnen Voraussetzungen der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage zu prüfen. Insofern wird auf die Checklisten bei den jeweiligen Befugnissen verwiesen (B., C. und D.), dort konkret auf „Tatbestandsvoraussetzungen“.

II. Verantwortlichkeit

Im Rahmen des Prüfungspunktes Verantwortlichkeit ist zu prüfen, wer Adressat der Maßnahme sein kann, also ob die Voraussetzungen als Verhaltensverantwortlicher (§ 8 SOG), Zustandsverantwortlicher (§ 9 SOG) oder subsidiär Nichtverantwortlicher (§ 10 SOG) vorliegen. Die Einzelheiten dazu sind unter B. I.3. entfaltet. Sind mehrere Personen auswählbar, ist die konkrete Auswahl im Rahmen des Auswahlermessens zu thematisieren (s. unter B. I.4.b.cc.).

III. Allgemeine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen

Hier können anlassbezogene andere Rechtsprobleme thematisiert werden. Insoweit ist an die Vorgabe des § 37 Abs. 1 HmbVwVfG zu erinnern, nach dem Verwaltungsakte inhaltlich hinreichend bestimmt sein müssen. Eine Begründung ist bei mündlichen Verwaltungsakten nach dem SOG, PolDVG und HafenSG grundsätzlich nicht erforderlich, vgl. § 39 Abs. 1 HmbVwVfG.

IV. Rechtsfolge: Ermessen

Soweit das Gesetz jeweils anordnet, die Behörde „kann“, „darf“ oder „ist befugt dazu“ Maßnahmen (zu) ergreifen, liegt eine Ermessensentscheidung vor (vgl. dazu die einzelnen Checklisten bei den jeweiligen Befugnissen). Nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen Normen im Polizei- und Ordnungsrecht den Behörden kein Ermessen einräumen, sondern eine bestimmte Maßnahme konkret und zwingend anordnen („müssen“), liegt eine gebundene Entscheidung vor.

Dies ist etwa im besonderen Gefahrenabwehrrecht der Fall, so etwa bei der Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung: „Die Ausübung eines Gewerbes ist … zu untersagen, wenn …“). Wegen der Einzelheiten zum Ermessen und den jeweiligen Stufen einschließlich Verhältnismäßigkeitsprinzip wird auf B. I.4.b.bb. verwiesen. Zu prüfen ist jedenfalls:

1. Entschließungsermessen

2. Gestaltungsermessen: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

a) Legitimer Zweck der Maßnahme

(§ 4 Abs. 1 Satz 1 SOG, Gefahrenabwehr, weiter zu konkretisieren)

b) Prüfung

aa) Geeignetheit (§ 4 Abs. 1 SOG)

bb) Erforderlichkeit (§ 4 Abs. 2 und 4 SOG)

cc) Angemessenheit (§ 4 Abs. 3 und ggf. § 5 SOG)

3. Auswahlermessen

V. Sonstiges

Hier sollten noch „Nebennormen“ (in den Checklisten „Maßnahmenspezifische Verfahrens- und Formerfordernisse“) zu Modalitäten geprüft werden, angefangen von Richtervorbehalten über Belehrungspflichten bis hin zu Benachrichtigungsrechten (z. B. § 13 a–c SOG, § 16 Abs. 3 bis 5 mit § 16 a SOG). Diese Elemente können – auch gut vertretbar – unter der „Formellen Rechtmäßigkeit“ ergänzend geprüft werden. Nicht jede Verletzung führt indes zur Rechtswidrigkeit der gesamten Maßnahme. Insoweit ist hinsichtlich der Konsequenzen eine Einzelbetrachtung nötig.

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