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a) Handlungsformen

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Der Staat kann in verschiedenen Formen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abwehren. Dazu stehen ihm verschiedene Handlungsformen zur Verfügung, die von allgemeinen bis hin zu konkreten Maßnahmen reichen.

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Sehr allgemeine Maßnahmen kann der Staat in Form von Normen treffen, zu denen naturgemäß die Parlamentsgesetze des Gesetzgebers (wie z. B. das SOG, PolDVG und das HafenSG) zählen. Aber auch die Exekutive kann Normen erlassen, so Rechtsverordnungen (wie z. B. in Hamburg die Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen oder die Verordnung über das Verbot der Kontaktaufnahme zu Personen zur Vereinbarung entgeltlicher sexueller Dienstleistungen im Sperrgebiet). Voraussetzung für den Erlass von Rechtsverordnungen ist, dass die Exekutive dazu konkret von dem Gesetzgeber in einem Parlamentsgesetz ermächtigt worden ist.

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So heißt es etwa in § 1 Abs. 1 SOG, dass der Senat ermächtigt wird, durch Rechtsverordnung die zum Schutze der Allgemeinheit oder des Einzelnen erforderlichen Bestimmungen zu erlassen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. § 1 Abs. 2 SOG ergänzt, dass in der Verordnung auch Ordnungswidrigkeiten geregelt werden können. Für die vom Gesetzgeber erlassenen Ermächtigungsgrundlagen, nach denen die Exekutive Rechtsverordnungen erlassen kann, gilt im Übrigen Art. 80 Abs. 1 GG („Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.“). In Hamburg heißt es in Art. 53 der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg: „(1) Der Senat kann durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. (2) Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, dass eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung einer Rechtsverordnung.“

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Die Exekutive kann darüber hinaus auch Verwaltungsvorschriften erlassen, ohne notwendigerweise dazu gesetzlich ermächtigt worden zu sein. Es handelt sich mehr um Durchführungshinweise und Konkretisierungen für die Verwaltungspersonen als Adressaten, nicht für den Bürger. Im polizeilichen Kontext ist hier z. B. die „PDV 350“ zu nennen, die als Polizeidienstvorschrift nähere Einzelheiten etwa zu gefährlichen Orten oder gefährdeten Objekten enthält.

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Ebenso handelt es sich bei Satzungen der Verwaltung um Normen. Hier werden Körperschaften des öffentlichen Rechts oder körperschaftsähnliche Gebilde, die jeweils Mitglieder haben, durch Gesetz ermächtigt, durch Satzungsvorschriften ihre Angelegenheiten zu regeln, auch gegenüber dem Bürger. Im Bereich der Polizei Hamburg ist es der Fachhochschulbereich, der nach § 11 Satz 1 und 2 des Hamburgischen Polizeiakademiegesetzes die akademischen Angelegenheiten im Rahmen der Forschung und Lehre in Selbstverwaltung wahrnimmt und dazu Satzungen erlassen kann, soweit der Senat nicht durch Rechtsverordnung Ausbildung und Prüfung regelt.

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Bei Parlamentsgesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sowie Satzungen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Rechtsakte abstrakt-genereller Natur (abstrakte Sachverhalte, generell beschriebener Adressatenkreis), wobei Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen (auch) nach außen an den Bürger gerichtet sind, Verwaltungsvorschriften grundsätzlich nur im Innenverhältnis an die Verwaltung.188 Verwaltungsvorschriften können ausnahmsweise Außenwirkung entfalten, wenn sie im Verhältnis zum Bürger regelmäßig angewendet werden (Argument über den Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG).189

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Um einen öffentlich-rechtlichen Rechtsakt im Außenverhältnis, nun aber konkreter-individueller Natur (konkreter Sachverhalt, individueller Personenkreis), handelt es sich bei dem Verwaltungsakt. Letztlich ist es diese Form, mit der einzelne Polizeivollzugsbeamte und Verwaltungsbehörden verbindliche Anordnungen gegenüber einem Bürger treffen können. Die Palette reicht von Platzverweisen über Sicherstellungen und Durchsuchungen bis hin zu Ingewahrsamnahmen. § 35 HmbVwVfG definiert den Verwaltungsakt dabei wie folgt:

„Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.“

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Hoheitliche Maßnahme ist jede einseitige Erklärung der Verwaltung. Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 HmbVwVfG), so etwa die Polizei. Regelung ist eine Maßnahme, die unmittelbar die Herbeiführung einer Rechtsfolge bezweckt (z. B. ein Platzverweis gem. § 12 a SOG). Einzelfall bedeutet, dass es sich um eine Maßnahme in einer bestimmten Situation gegenüber einer oder mehreren Person/en (ein oder mehrere Störer oder Nichtstörer, §§ 8 ff. SOG) handeln muss, dies alles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (SOG, PolDVG, HafenG) und mit unmittelbarer Wirkung nach außen, d. h. gegenüber Personen außerhalb der Verwaltung.190

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Einzugehen ist im Zusammenhang mit Verwaltungsakten auf Verkehrszeichen. Verkehrsregelnde Ge- und Verbote enthaltende Verkehrszeichen werden als Allgemeinverfügungen, d. h. als eine besondere Ausprägung des Verwaltungsaktes, eingestuft. Konkret handelt es sich um den Gemeingebrauch regelnde Benutzungsregelungen i. S. d. § 35 Satz 2 Alt. 3 HmbVwVfG.191

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Weniger praktische Relevanz im Sicherheitsrecht haben die (konkret-individuelle) Zusage (§ 38 HmbVwVfG), nach der sich die Behörde zum Erlass oder zum Unterlassen eines Verwaltungsaktes verpflichtet, und der öffentlich-rechtliche Vertrag (§§ 54 ff. HmbVwVfG), bei dem die Behörde zusammen mit dem Bürger Vereinbarungen trifft (konsensual, nicht einseitig), anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen.

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Neben Verwaltungsakten, den hier weniger relevanten Zusagen und öffentlich-rechtlichen Verträgen, existiert noch die Handlungsform des (konkret-individuellen) schlichten Verwaltungshandelns, also von Handlungen, die weder als Verwaltungsakt noch als Zusage und ebenso wenig als öffentlich-rechtlicher Vertrag qualifiziert werden können. Letztlich handelt es sich hier um ein „Auffangbecken“ für alle sonstigen öffentlich-rechtlichen Handlungsformen. Teilweise ist auch von Realakten oder schlicht-hoheitlichem Handeln die Rede.192 Die Palette des Handelns reicht von bloßen Hinweisen bzw. Ratschlägen oder Auskünften bis hin zu Gefährderansprachen/Gefährderanschreiben.

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Bei Gefährderansprachen/Gefährderanschreiben handelt es sich um konkret-individuelle Maßnahmen, bei der ein potenzieller Gefahrenverursacher ermahnt wird, Störungen zu unterlassen.193 Letztlich geht es darum, Abschreckung zu erzielen, um die Person von der Begehung einer prognostizierten Straftat abzubringen.194 Auch wenn es sich bei der Gefährderansprache (mündlich) und dem Gefährderanschreiben (schriftlich) nicht um Regelungen, also nicht um die Herbeiführung einer Rechtsfolge handelt wie bei Verwaltungsakten, so ist dieses Handeln qualitativ nicht wie eine reine Information (ähnlich der Auskunft) einzustufen, sondern es liegt ein Handeln mit appelativem bzw. mahnendem Charakter vor. Insofern wird man hier regelmäßig zugleich einen Grundrechtseingriff zu bejahen haben, mit der Folge, dass eine Rechtsgrundlage erforderlich ist. Hier ist dann aber § 3 Abs. 1 SOG – die Generalklausel – als Rechtsgrundlage anwendbar, die nicht nur für Verwaltungsakte, sondern auch für schlichtes Verwaltungshandeln gilt (vgl. „Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“). Dies bedeutet, dass bei Gefährderansprachen/Gefährderanschreiben die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 SOG vorliegen müssen, etwa eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

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