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Ansaldo

Genua, Februar 1096

Das erbeutete Schiff, die »Prise« wie es unter Seeleuten hieß, war tatsächlich eine Pisaner Caraca. Ansaldo hatte sie schließlich mit zehn Männern voraus nach Genua geschickt. »Ihr bekommt das viereckige Segel und das Ersatzruder. Haltet euch von der Küste und den Inseln frei. Die Pisaner werden keinen Spaß verstehen«, hatte er seinen Vetter Pietro, den er zum Anführer der kleinen Besatzung bestimmte, noch gewarnt. Mehr konnte er ihm nicht mitgeben. Weder Männer noch Material. Schon so blieb ihm auf der San Matteo nur das Dreiecksegel, welches bei Kursen am Wind gute Dienste leistete, aber vor dem Wind das Steuern erschwerte. Doch inzwischen lagen sowohl die Pisanische Prise als auch die San Matteo längst sicher auf dem schmalen Strand vor der selbst auf dem engen Landstreifen zwischen Meer und ligurischen Alpen eingezwängten Stadt. Doch der Winter brachte dem Stammsitz der Familie Doria an der Piazza San Matteo nicht die übliche Ruhe. Noch im Dezember war Nachricht von der großen Synode in Clermont gekommen: Papst Urban, der zweite dieses Namens, hatte die christliche Ritterschaft zu einem Kreuzzug aufgerufen. Und die Bischöfe von Grenoble und Orange hatten die Nachricht umgehend in die Stadt getragen.

»Die Heiden haben die heiligen Stätten entweiht und unsere Pilger misshandelt!« erklärte Antonio. Der Aufruf zum Kampf gegen die Ungläubigen war in Genua auf fruchtbaren Boden gefallen. Zu sehr litt die Stadt und ihre umgebenden Ortschaften unter den ständigen Überfällen maurischer Piraten, und auch die Plünderung Genuas durch nordafrikanische Sarazenen im Jahr 935 war noch nicht vergessen. Genaldo, Ansaldos älterer Burder und das Oberhaupt der Familie Doria, nickte ernst. »Adalberto Malaspina hat mich und die anderen großen Familien aufgefordert, Männer in seine Compagnia zu schicken. Eine eingeschworene Gemeinschaft, die für diese Sache alle Zwistigkeiten hinter sich lassen und sogar ihr Brot gemeinsam brechen soll. Daher der Name: Com pane …« Er schwieg einen Augenblick und Ansaldo musste an Giulietta denken. Adalbertos hübsche Schwester. Wenn ihre Familie nicht zu den Führern der Guelfenpartei in der Stadt zählte, hätte er Genaldo längst gebeten, ihrem Bruder vorzuschlagen, sie mit ihm zu verloben. Aber der alte Streit mit den Guelfen und die unschöne Geschichte vor zwei Monaten machten das natürlich unmöglich. Damals war es mitten in der Stadt zu einer Konfrontation der beiden Familien gekommen, die darin gipfelte, dass eine Gruppe von Dorias und anderen Ghibellinen den Palazzo der Malaspinas belagerte, die sie ihrerseits von den schießschartenartigen Fenstern mit Armbrustbolzen beschossen. Es hatte auf beiden Seiten mehrere Tote und etliche Verwundete gegeben. Zum Glück keine Namensträger der Kernfamilien.

»Aber wieso ruft der Papst dazu auf? Er ist doch das geistliche, nicht das weltliche Haupt?«, riss ihn Pietro aus seinen Gedanken. Genaldo hatte den Familienrat der Dorias einberufen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

»Kaiser Heinrich befindet sich unter Kirchenbann«, wandte Arturo, ein Vetter zweiten Grades, ein.

»Wie auch König Philipp von Westfranken! Das zeigt doch nur, dass der Papst seine Macht, das Bannschwert zu schwingen, missbraucht«, rief Pietro hitzig.

»Aber der Kreuzzug wird gar nicht von Urban, sondern von einem gewissen Adhemar de Monteil, Bischof von le Puy, geführt«, gab Antonio beschwichtigend zu bedenken. »Und auch wenn wir stolz auf die ghibellinische Tradition unserer Familie sind, können wir uns so einem frommen Werk nicht widersetzen. Deus lo vult!«

Der letzte Satz löste lautes Raunen und Zwischenrufe aus, sodass Genaldo sich schließlich genötigt sah, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, um die Ruhe wiederherzustellen. »Die Normannen in Sizilien rüsten schon ein Heer, heißt es.« Alle Augen richteten sich gespannt auf das Familienoberhaupt. Er hatte die letzte Entscheidung in dieser und allen anderen Fragen. Auch Ansaldo hatte keine Ahnung, worauf sein älterer Bruder hinauswollte. »Und die Pisaner haben versprochen, Bohemunds Heer zu versorgen.« Erschüttert schwiegen die Versammelten. Die Guelfen waren Eiter im Gebein Genuas, aber die Pisaner?

»Sollen wir etwa auch mit denen gemeinsame Sache machen?«, polterte Pietro, wieder als Erster, los. Das Zittern in seiner Stimme verriet, mit welcher Mühe er seinen Ärger unterdrückte.

Doch Genaldo hob beschwichtigend die Hände. »Niemals wieder werden wir Dorias wieder mit den Pisanern gemeinsame Sache machen. Nein, die Frage ist, warum bieten sich die Pisaner an zu helfen?« Er blickte auffordernd in die Runde.

»Deus lo vult?«, schlug Antonio schließlich vorsichtig vor. Doch ein verächtlicher Blick Genaldos ließ ihn verstummen. »Weil sie an den Orten, die Guiscard erobert, Privilegien erhalten. Häuser, Lagerhallen, Brunnen, vielleicht sogar eigene Kirchen und natürlich das Recht, dort Handel zu treiben! Deshalb, ihr Dummköpfe!«

In Anseldos Kopf ratterte es, während er versuchte, sich in die neue Lage hineinzudenken. Gottes Lohn war der Preis, den es zu erringen gab. Und Handelsvorteile. Offensichtlich auch Genaldos Wohlwollen, und vielleicht, vielleicht sogar ein gutes Verhältnis zu Adalberto und seiner hübschen Schwester? Da gab es nichts zu verlieren. »Ich trete freiwillig dieser Compagnia bei, das heißt natürlich nur, wenn du das möchtest, Genaldo!«, rief er.

»Deus lo vult«, bekräftigte diesmal Genaldo selbst. Ein ein dünnes Lächeln spielte um seine Lippen.

Das Spital zu Jerusalem

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