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David

Galata, 6. August 1096

Das ist das gelobte Land!«, jubelte Heinrich, als sich das Boot, in dem er sich gemeinsam mit Kunz und David befand, am gegenüberliegenden Ufer des Bosporus auf den kiesigen Strand lief. Sie waren nicht lange in dem Lager vor Galata geblieben, wo sich auch ein Zug Kreuzfahrer aus Italien mit ihnen zusammengeschlossen hatte. Auch Heinrich hatten sie hier wiedergefunden. Der Kaiser hatte wohl schnell erkannt, dass es nicht ratsam war, die wilde Horde vor seiner Hauptstadt lagern zu lassen. Die ersten Übergriffe hatten nicht lange auf sich warten lassen. Noch in der Nacht der Ankunft wurde ein Markt in der Vorstadt geplündert und mehrere Frauen belästigt. So hatte Alexios sich entschlossen, die unliebsamen Gäste so schnell wie möglich über den Bosporus bringen zu lassen. David blickte verdrossen den leeren Strand entlang. In einiger Entfernung lag ein kleineres Dorf. Der kleinen Kirche nach zu urteilen, handelte es sich um ein griechisches Dorf. Aber er zweifelte inzwischen nicht mehr daran, dass sie keinen Schutz für die armen Bewohner darstellte. Tatsächlich brannte die Kirche lichterloh, als der Haufen sich wenige Stunden später entlang der Küste des türkisblauen Meeres nach Osten in Bewegung setzte.

»Wohin ziehen wir?«, fragte David und blickte über die schmale Bucht des Marmarameeres auf das grüne Südufer. »Haben wir vom Kaiser Führer erhalten?«

Kunz zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber Peter ist vorne, der weiß hoffentlich Bescheid«, antwortete Heinrich verdrossen.

»Pah«, machte ein stämmiger Mann, der mit ihnen lief. »Der hat doch keine Ahnung und keinen Mumm! Immer nur abwarten und palavern. So kommen wir nie nach Jerusalem!«

»Und vorher verhungern wir noch«, pflichtete ihm ein weiterer bei.

»Wir ziehen nach Nikomedia«, erklärte sich umwendend ein Mann, den seine Rüstung als einen einfachen Ritter vom Lande auswies.

»Gibt es dort was zu essen?«, fragte Kunz hoffnungsvoll.

»Das nehmen wir uns!«, rief der stämmige Mann, der angefangen hatte, über Peter zu schimpfen.

Vor Einbruch der Dämmerung erreichten sie schließlich die Mauern von Nikomedia. »Verrat!«, rief der Stämmige aufgebracht. »Die Stadt ist ja verlassen.« Tatsächlich zeigten sich hinter den zerbröckelnden Mauern nur rauchgeschwärzte Ruinen.

»Der Welsche hat uns in die Irre geführt!«, schrie der stämmige Aufrührer, ein entlaufener Knecht aus dem Rheinland, wie David inzwischen wusste. »Die Stadt wurde bereits geplündert. Hier gibt es nichts für uns zu holen!«

Die Stimmung heizte sich zunehmend auf. David beobachtete, dass sich die Menge in zwei Lager spaltete. Auf der einen Seite die neu hinzugekommenen Italiener, zu denen auch die Deutschen neigten, mit denen er selbst marschiert war. Auf der anderen Seite die Westfranken, die die weitaus größere Gruppe stellten.

»Wollt ihr euch von diesem Peter ins Unglück führen lassen? Habt ihr nicht schon genug von Beograd? Wer hat uns denn dort ins Verderben geführt?«

»Lass es uns wie die Italiener machen. Wir wählen unseren eigenen Fürer!«, ertönte es aus der Menge.

»Rainald ist unser Mann!«

»Hoch der Italiener!« Über diese Streitereien verging der Abend. David und seine Gruppe suchten sich eine der verkohlten Ruinen aus, deren Mauern aber einen gewissen Schutz gegen die Witterung versprachen. Noch hatten sie etwas Proviant, den die barmherzigen Händler von Galata verteilt hatten. Am nächsten Morgen zogen die Deutschen und Italiener unter ihrem neuen Führer Rainald dennoch zusammen mit den Westfranken weiter. Sie gingen um die Spitze des Golfes von Nikomedia und folgten der Küstenlinie nun wieder nach Westen. Nach wenigen Stunden erreichten sie eine kleine Stadt. Am Strand neben der Einmündung eines kleinen Flusses erhob sich ein wuchtiger Steinturm. Die oberen Stockwerke kragten, auf Balken gestützt, weit über.

»Was ist das für eine Burg?«, fragte Kunz. Doch bevor ihm jemand antworten konnte, öffneten sich die Tore des Lagers zu Füßen des Turms. Allerdings waren es keine regulären Peltasten, also die leicht bewaffneten Fußsoldaten der Griechen, oder Turkopolen, die den Kreuzfahrern entgegentraten.

»Sind das vielleicht die Türken?«, raunte Kunz David erschrocken ins Ohr. Doch der schüttelte den Kopf. »So habe ich mir die nie vorgestellt!« Ein großer blonder Hüne in einem schweren Kettenhemd trat ihnen an der Spitze einer Gruppe ähnlich gerüsteter Männer entgegen. Sofort erhob sich ein Raunen, die Vorsichtigeren unter den Kreuzfahrern drängten nach hinten, während die mutigeren standhalten wollten. Doch da hob der Hüne die Hände, um seine friedlichen Absichten zu zeigen. Seine Stimme übertönte die Unruhe mühelos.

»Mein Name ist Edgar Ætheling!«, rief er. »Ich bin der Anführer der Angelsachsen in der Warägergarde des Imperators. Wir haben Anweisung, euch das Lager Cibotus zu überlassen.« Sofort wurde es wieder laut. Doch Edgar hob nochmals die Hände. »Wir kehren nach Konstantinopel zurück. Und ihr tätet gut daran, hier hübsch die Füße stillzuhalten, bis eure Ritter ankommen. Die Türken sind zähe Krieger, mit denen solltet ihr euch nicht alleine anlegen!« Wütende Rufe übertönten alle weiteren Worte. Doch der Hüne zuckte nur die Achseln, wendete sich um und marschierte an der Spitze seiner Männer zu ihren Booten, die am Strand warteten.

Das Spital zu Jerusalem

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