Читать книгу Ferdinand de Lesseps und der Suezkanal - Sylvia El Idrissi - Страница 8

Herkunft, Möglichkeiten, Fähigkeiten

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Ferdinand de Lesseps wurde am 19. November 1805 in Versailles geboren. Seine Eltern waren Mathieu de Lesseps (1717-1832) und Catherine de Grevigné (1730-1853), die mütterlicherseits aus Málaga in Spanien stammte.

Ferdinand verbrachte seine ersten Lebensjahre zusammen mit drei Geschwistern Théodore, Adèle und Jules in Pisa in der Toskana. Dorthin war Mathieu de Lesseps als Napoleons Botschafter beordert worden nachdem der Kaiser in Norditalien ein eigenständiges Königreich Etrurien proklamiert hatte. Der dem Kaiser treu ergebene Bewunderer Mathieu fühlte sich geehrt und ausgefüllt mit seinen beruflichen Herausforderungen und er war glücklich im Familienleben. Er führte ein großes Haus und ein gesellschaftlich glanzvolles Leben.

Diese Idylle zerbricht, als Mathieu de Lesseps 1810 als kaiserlicher Generalkommissar nach Korfu, das sich von 1807 bis 1814 unter französischer Verwaltung befand, beordert wird. Englische Kriegsschiffe kreuzen vor der Insel, die Familie muss in Pisa bleiben, denn kriegerische Auseinandersetzungen mit England oder Russland sind nicht auszuschließen.

1805 war für Napoleon die Schlacht bei Austerlitz triumphal gewonnen worden, und der Kaiser war im Zenit seines Ruhms und seiner Macht gewesen. Jetzt, fünf Jahre später, bedrängen die Großmächte Frankreich, und Europa sammelt vereint Kräfte, um Napoleon zu bezwingen.

Der kleine Ferdinand erlebt diese Jahre ohne Vater noch unreflektiert. Die Herausforderungen, die an seine junge Mutter gestellt werden, bleiben für ihn unsichtbar und er genießt weiterhin die Gemeinschaft mit den Geschwistern und übt sich im Reiten, Fechten und Fischen. Ferdinand genießt das Treiben in der reichen Handelsstadt, beobachtet das Kommen und Gehen der Karawanen. Später erinnert er sich in seinen Aufzeichnungen gern an die Zeit in Pisa und er beschreibt die ihn besonders faszinierenden Kamele:

„….diese prächtigen Geschöpfe, denen ich später in Afrika so oft begegnen sollte. Die Holzhändler pflegten nämlich ihre Ware auf Kamelen zu transportieren, und es bereitete uns großes Vergnügen, sie mit ihrem strengen, gemessenen Schritt und den Holzstapeln auf dem Rücken kommen zu sehen. Der Kameltreiber dirigierte sie mit großem Geschrei unter die Gewölbe.“

Seine Fähigkeit, Wünsche und Ziele zu benennen, wird schon jetzt im Kindesalter sichtbar und die liebevolle, für diese Zeit recht freie Erziehung und die Förderung seiner Talente unterstützte die Entwicklung zu einem selbstbewußten jungen Mann. Einblicke in fremde Welten nimmt er mit Interesse wahr: Ferdinands Zielstrebigkeit wird ihn als Erwachsenen zum Erfolg führen.

1815 wird Napoleon vernichtend und endgültig in Waterloo geschlagen und auf die Insel Sankt Helena im Südatlantik verbannt. Der Bruder des während der französischen Revolution hingerichteten Königs beansprucht nun die Krone und erklärt sich als Ludwig XVIII zum neuen Souverän.

Die Familie de Lesseps verläßt Pisa und trifft in Paris wieder mit dem Vater zusammen, Mathieu muss seine Entlassung entgegennehmen und steht vor dem Ruin.

Es begann eine Zeitspanne großer finanzieller Not. Sein Privatvermögen hatte Matthieu de Lesseps für den Unterhalt der Garnison auf Korfu während der Belagerung durch England 1814 zur Verfügung gestellt. Kaiser Napoleon hatte ihm dafür noch kurz vor seiner Entmachtung 1815 den Grafentitel verliehen, aber jetzt, unter der Herrschaft des neuen Königs Ludwig XVIII, sah sich Ferdinands Vater jeder Möglichkeit, wieder in den Staatsdienst zu treten, beraubt. Lediglich ein Stipendium für Ferdinand und den drei Jahre älteren Bruder Théodore wurde weiterhin gewährt, so dass sie 1818 ins CollègeHenry IV eintreten konnten. Das CollègeHenry IV war eine Schule für Söhne des Adels, die auf den höheren Staatsdienst vorbereitete. Ferdinand fühlte sich in der Internatsschule recht wohl, wobei er sich allerdings verstärkt durch sein selbstbewusstes Auftreten hervortat; Ungerechtigkeiten oder Standesdünkel waren ihm zuwider und vom Reichtum seiner Klassenkameraden oder von Anmaßungen vermeintlich Höherstehender ließ er sich nicht beeindrucken. Ihm galt das eigene Können viel und so leistete er sich so manches Husarenstück:

„Ich band die Schuhe mit den Hosenträgern auf den Nacken, stopfte das Hemd in den Hut, drückte ihn fest auf den Kopf und befestigte Jacket und Hose an einem Stecken. Dann ließ ich mich in den Fluss fallen, schwamm mit einer Hand und hielt mit der anderen die Kleider in die Höhe. Ich hatte mir etwas viel zugemutet. Nur mit großer Mühe, und nachdem ich und mein Begleiter viel Wasser geschluckt hatten, kam ich ans andere Ufer. Die Kleider musste ich zum Trocknen an die Bäume hängen und, bis sie getrocknet waren, im Naturzustand herumlaufen.“.

Wie vom Himmel geschickt erschien der unglücklichen Familie daher die Ernennung Mathieus zum Konsul. König Ludwig XVIII hatte die noble und patriotische Haltung des Vaters auf Korfu gewürdigt. Am 16. September 1818 schreibt Ferdinands Vater an seinen Bruder Barthélemy:

„Vor 2 Stunden kam der Neffe des Ministers Monsieur de la Roquette zu mir und teilte mir mit, der König habe heute Vormittag meine Ernennung mit den Worten unterschrieben: , So, ein Lesseps. Mein Bruder hat diese Familie sehr hoch geschätzt.‘ Mein Gehalt von 20.000 Francs beginnt ab heute zu laufen. Meiner Frau geht es schlecht, die Kinder weinen, wir fielen dem guten Roquette vor Freude alle um den Hals, es war höchste Zeit. Meine Uhr und der ganze Schmuck meiner Frau sind verpfändet, und wir haben kein Geld im Haus.“

Unglücklicherweise wurde Mathieu ins weit entfernte Amerika nach Philadelphia gesendet, was zur damaligen Zeit, es ist 1818, eine jahrelange Trennung bedeutete. Bei den momentanen finanziellen Nöten wurde dieser Umstand nicht als Problem thematisiert. Ferdinands Mutter gelang es, auch ohne ihren Ehemann wieder ein behagliches Heim in Paris zu schaffen. An den Wochenenden wurden Ferdinand und Théodore freudig von Mutter, der Schwester Adèle und dem kleinen Jules zu Hause erwartet. Die regelmäßig aus Philadelphia eintreffenden Briefe ließen ein Gefühl der Nähe zum Vater zu und vermittelten interessante, sogar fesselnde Nachrichten.

Für Mathieu war es beruhigend, die Familie in Paris versorgt zu wissen und so genoss er wohl auch nach Jahren der Untätigkeit den wiedergewonnenen Einfluss und die Anerkennung seiner Leistung. Der erste Handelsvertrag zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten wurde 1822 unter seinem Vorsitz ratifiziert. Aber wie schwer Mathieu letztendlich die Trennung von der Familie doch fiel, geht eindeutig aus seinen Briefen hervor.

Er war 1821 aus Philadelphia nach Aleppo in Syrien abberufen worden, wohin er jetzt nach einem kurzen Aufenthalt in Paris unterwegs ist. Er schreibt an seine Frau:

„..mein Herz ist schwer, muss ich doch nach einem kurzen Intervall des Glücks schon wieder Abschied nehmen. Lebe wohl, meine Trina, lebt wohl, meine lieben, guten Kinder. Ich trage euch tief im Herzen, in das ich die Erinnerung an euch einschließe.“

Zu einem väterlichen Freund Ferdinands wurde in dieser Zeit sein Onkel Barthélemy (1766-1834). Dieser hatte bereits nach Beendigung der Schulzeit im Alter von 17 Jahren Erfahrungen im französischen Konsulat in Sankt Petersburg gesammelt. 1784 begleitete er im Auftrag König Ludwig XVI eine zwei Jahre dauernde Weltumseglung, die ihn von Frankreich aus über den Atlantik nach Brasilien, um Amerika herum, Chile, Kalifornien, China und bis nach Kamtschatka in den hohen Norden Russlands führte. Dort bekam er dann den Auftrag, die auf der Exkursion erworbenen wissenschaftlichen Ergebnisse auf dem Landweg durch das ewige Eis Sibiriens bis nach Paris zu bringen. Für den jungen Barthélemy war dies eine ehrenvolle, wenn auch riskante Mission, der er sich kaum gewachsen fühlte. Doch er erledigte seine Aufgabe mit Bravour und erreichte nach einem Jahr lebensgefährlicher Strapazen das ihn begeistert erwartende Paris. Dort wurde er von König Ludwig XVI wie ein Held empfangen und kurz nach seiner Heimkehr im Alter von 22 Jahren zum Generalkonsul von Sankt Petersburg ernannt.Während der Herrschaft Napoleons erlangte Barthélemy 1812 die Stelle des Zivilgouverneurs in Moskau, die aber nur wenige Wochen später wieder aufgegeben werden musste. Die Einwohner Moskaus hatten ihre eigene Stadt in Brand gesetzt um eine Überwinterung der napoleonischen Truppen unmöglich zu machen. Der Rückzug der französischen Armee aus dem brennenden Moskau 1812 wurde auch zu seiner Tragödie. Die Erfahrungen, die er in der Arktis drei Jahrzehnte zuvor gesammelt hatte, ließen ihn die Flucht durch Sibirien überleben und Paris erreichen:

„ 22 Pferde, drei Wagen, mein ganzes Hab und Gut und persönliches Gepäck im Wert von 35.000 Francs habe ich verloren, und, was noch viel schlimmer ist, alle meine wichtigen Papiere, das Resultat einer 30-jährigen Arbeit. Umstände, wie sie sich noch nie in der Geschichte ergaben, haben mich meines Kanzlers, meines jugendlichen Sekretärs, meines Dieners und dreier Kutscher, die für mein Eigentum verantwortlich waren, beraubt,“ schrieb Bartélemy.

Wen verwundert es, dass Ferdinand hingerissen den in seinen Augen abenteuerlichen Geschichten seines Onkels Barthélemy lauscht und es kaum erwarten kann, die Schule und das Studium abzuschließen, um seinen Einsatz für Frankreich zu beginnen.

Ferdinand de Lesseps und der Suezkanal

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