Читать книгу Das Schwarzkümmel-Heilbuch - Sylvia Luetjohann - Страница 15
ОглавлениеWas passiert, wenn Samen auf die Reise gehen?
Die mutmaßlichen Folgen einer Verpflanzung
Bei dem Bekanntheitsgrad, den Schwarzkümmel in früheren Zeiten auch in unseren Breitengraden als würzige und heilkräftige Pflanze genoß, stellt sich natürlich die Frage, ob die geheimnisvollen Samen denn aus dem Morgenland importiert wurden. Dagegen spricht vieles: der Gebrauch beim einfachen Volk als Brotgewürz und als offenbar stets verfügbares Hausmittel; die Selbstaussaat der Pflanzensamen, die zu immer größerer Vermehrung, aber auch Verwilderung führte; und schließlich auch die notorische Verwechslung der Varietäten miteinander. Wenn man genauer nachforscht, stößt man in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen darauf, daß Nigella damascena nicht nur eine Gartenzierpflanze war und verwildert auf Komposthaufen oder Schutthalden vorkam, sondern ebenso wie Nigella sativa bereits zu Anfang des 16. Jahrhunderts auch in Mitteleuropa kultiviert und auf Feldern angebaut wurde. Die Verwendung des Schwarzkümmels als Gewürz mag hierfür vorrangig gewesen sein, doch die frühere offizinelle Nutzung als Heilmittel aufgrund von Wirkstoffen des ätherischen Öls ist ebenfalls in Studien über Arzneipflanzenkultur und Kräuterhandel belegt. Hinzu kommt die bereits erwähnte Verwendung von deutsch-damaszenischem Erdbeer-Schwarzkümmel zur Aromatisierung von Süßspeisen, leckeren Obsttörtchen, Likören und sogar Schnupftabak.
In Deutschland ist der feldmäßige Anbau beider Sorten vor allem in der Gegend um Erfurt belegt. In einem Fachbuch aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts werden die Anbaumethoden näher beschrieben. Wie es heißt, bevorzugt die Pflanze leichte lehmige Böden ohne frische Düngung. Sie wurde im Frühjahr ab März oder als Nachfrucht im Herbst eingesät. Etwa Ende August waren die Samen reif, was an einer dunklen Färbung der Samenkapseln erkennbar war. Nach der Ernte wurden die Pflanzen noch einige Tage gebündelt liegen gelassen, damit die Samen nachreifen und trocknen konnten. Wenn das Kraut dürr war, wurden sie wie Getreide ausgedroschen und kühl und trocken gelagert.
Im wesentlichen entspricht dies auch den heutigen Anbau- und Verarbeitungsmethoden des Schwarzkümmels in Nordafrika, Westasien und Indien. Wenn man allerdings bedenkt, daß dieses sonnenverwöhnte Gewächs am besten in sehr warmen und niederschlagsarmen Gegenden gedeiht und lockere Sandböden bevorzugt, stellt sich doch die Frage, ob die klimatischen Bedingungen und die Bodenverhältnisse in Mitteldeutschland für eine optimale Entwicklung der kraftvollen Inhaltsstoffe auf Dauer überhaupt geeignet sind bzw. waren. Eigentlich können nur trockene, luftige Umweltwirkungen solche fiederigen, „zerlufteten“ Blätter hervorbringen, wie der Kräuterpfarrer Weidinger es so treffend ausdrückt. Noch mehr von den äußeren Bedingungen betroffen sind allerdings die Samen. Schon in den alten Quellen reicht die Charakterisierung der Pflanze von „warm und trocken im zweiten Grad“ bis zu „hitzig und trocken im dritten Grad“. Wenn in Zedlers Universallexikon (18. Jh.) mehr als ein halbes Dutzend derjenigen Schwarzkümmelarten aufgezählt wird, die medizinisch am meisten verwendet werden, fehlt auch nicht der aufschlußreiche Hinweis:
Den Samen braucht man zur Artzney, und wird selbiger aus Italien verschrieben, weil er viel besser ist als der, so in Deutschland zu wachsen pfleget.
In nördlichen Ländern ist der Samenertrag deutlich geringer, und auch auf salzigen oder sauren Böden gedeiht die Pflanze wesentlich schlechter. Daher ist es nicht verwunderlich, daß sich aus syrischen Schwarzkümmelsamen, die vor einigen Jahren zur Probe in Deutschland ausgesät wurden, weniger kräftige Pflanzen entwickelten; die Samen waren kleiner und runzliger. Bei entsprechenden Versuchen mit ägyptischem Saatgut wurde eine ganz besonders schlechte Keimfähigkeit festgestellt. Damit könnten wir gleichzeitig auch den Schluß ziehen, daß eine deutsche Nigella damascena, die vom Mittelmeer oder aus dem Zweistromland an die Flußauen von Unstrut und Saale oder in rheinische Bauerngärten verpflanzt worden ist, sich von der „echten“ syrischen Urpflanze auch in ihrer Wirksamkeit erheblich unterscheiden muß. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß sich durch andere Böden, klimatische Verhältnisse und möglicherweise weitere Ursachen insbesondere die Ölqualität erheblich verändern kann. So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, daß sich durch eine Kultivierung von Schwarzkümmel unter kühleren Bedingungen das Fettsäurespektrum zugunsten der gesättigten Fettsäuren verschiebt.
Schwarzkümmel blüht und gedeiht nicht nur in Ägypten
An dieser Stelle scheint es angebracht, ein paar Anmerkungen zum Thema „ägyptischer Schwarzkümmel“ einzufügen. Wie aus den bisherigen Darstellungen bereits ersichtlich sein dürfte, hat der Schwarzkümmel nicht nur ein einziges arabisches Ursprungsland, sondern stammt aus einer zwar überschaubaren, aber dennoch ausgedehnten Herkunftsregion. Ebensowenig haltbar scheint die häufig propagierte These, daß ägyptischer Schwarzkümmel die beste Qualität und demnach auch die besten Heilwirkungen habe. In einer Broschüre der Firma Melasan, die sogar selbst ägyptischen Schwarzkümmel anbietet, findet sich ein sehr treffender Kommentar dazu:
„Die Heimat des Schwarzkümmels sind die sonnenreichen warmen Länder rund um das Mittelmeer. Die so oft strapazierte Werbeaussage, daß nur der ägyptische Schwarzkümmel bester Qualität entspricht, ist eine jener Geschichten aus 1001 Nacht!“
In der Tat fällt es auch schwer, die ebenfalls propagierten unterschiedlichen „landesspezifischen Wirkungsschwerpunkte“ festzustellen. Sollte demnach etwa ägyptischer Schwarzkümmel vorzugsweise krampflindernd auf die Bronchien wirken, syrischer Schwarzkümmel die Milchsekretion fördern und türkischer Schwarzkümmel „nur“ gegen Magendrücken helfen? Natürlich spielen unterschiedliche klimatische Bedingungen und die Bodenverhältnisse beim Anbau eine wichtige Rolle. Fast noch wichtiger ist jedoch die sorgfältige Selektion des Saatgutes, das aber nicht länderabhängig ist. Abweichungen bei den Analyse-Ergebnissen, zum Beispiel im Hinblick auf das Fettsäurespektrum oder den Anteil an Vitaminen und Mineralstoffen, lassen sich zum einen durch unterschiedliche Samenarten und möglicherweise sogar durch eine Fehlbestimmung von Varietäten als vermeintlich echtem Schwarzkümmel erklären; zum anderen sind sie aber auch auf die unterschiedliche Sorgfalt bei den Produktionsmethoden zurückzuführen, wie im folgenden Kapitel noch näher ausgeführt werden wird.
Auch das vom Berliner Arbeitskreis Immunologie (AI) vertretene Argument, wonach nur für den ägyptischen Schwarzkümmel bestätigte Heilwirkungen bekannt seien, kann leicht widerlegt werden. Abgesehen davon, daß solche Wirkungen schon lange aus der Erfahrungsheilkunde bekannt sind, wurde bereits in den Jahren 1991–1995 von den beiden syrischen Ärzten Dr. Refai und Dr. Yahia eine überwachte Studie mit Schwarzkümmel aus syrischem Anbau veranlaßt. Die dafür notwendigen klinischen Studien wurden sowohl in Deutschland als auch parallel dazu in Syrien, die Laboruntersuchungen nur in Deutschland durchgeführt. Hierfür wurde ein besonders schonend hergestelltes und auch entsprechend mildes, fast angenehm schmeckendes Schwarzkümmelöl verwendet. Darin fehlten weder besonders gehalt- oder wertvolle Inhaltsstoffe noch konnten bei den Wirkschwerpunkten irgendwelche gravierenden Abweichungen gegenüber ägyptischem Schwarzkümmelöl festgestellt werden.
Auch in der Türkei sind zahlreiche moderne wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt worden, worüber das Literaturverzeichnis im Anhang des Buches Aufschluß gibt.
Im Vorderen Orient gibt es die Gleichsetzung von Nigella sativa mit ägyptischem Schwarzkümmel nachweislich nicht. Dagegen ist bekannt, daß von Ägypten bei Lieferengpässen Schwarzkümmel aus Syrien und der Türkei bezogen wird. Ebenso wird beispielsweise syrischer Schwarzkümmel in dem fruchtbaren Schwemmland am oberen Nil kultiviert. Nach Ägypten gibt es inzwischen auch in Syrien und Pakistan Schwarzkümmel (Öl) aus kontrolliert biologischem Anbau. Bei der großen Akzeptanz, die dieser wertvolle Helfer aus der Natur inzwischen auch im Westen genießt, wäre es wünschenswert, das Augenmerk zum Wohl der Allgemeinheit mehr auf höhere Qualitätsanforderungen als auf fragwürdige Werbestrategien gegen mißliebige Konkurrenten zu richten.