Читать книгу Willkommen in der neuen Welt - Sylvia Oldenburg-Marbacher - Страница 12

Die junge Liebe

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Jennifer führte zu dieser Zeit, also eigentlich schon immer, einen eher frivolen Lebensstil. Für sie war Sex nicht direkt mit Liebe verbunden, Sympathie reichte aus dazu. Das färbte nach der Trennung auch auf Denniz ab. Die nächsten Monate fühlte er sich so gut wie nie. Er war frei, auf jeder Party konnte er trinken so viel er wollte, rauchen bis er nur noch im Bett lag, Sex haben mit fast jedem Mädchen, das er wollte, aber eigentlich war nichts schöner, als mit Jennifer zusammen zu sein. Und seine Situation liess es zu, beides zu haben und das genoss er in vollen Zügen.

Doch je länger er das auslebte, desto öfter erwischte er sich selbst bei dem Gedanken an Jennifer in einem romantischen Kontext zu denken. Wenn er sie auf Partys mit anderen Typen, meist viel älter als er, flirten sah, manchmal auch nach Hause verschwinden, erwischte er sich dabei, eifersüchtig zu sein. Umso mehr freute er sich, wenn es auch ab und an dazu kam, dass sie über Nacht bei ihm blieb und ihm erzählte, was für ein Idiot der „Konkurrent“ war.

Er redete sich lange ein, das sei nur Einbildung, aber er konnte sich nicht helfen und verliebte sich hoffnungslos in Jennifer. In dieser Zeit entstanden einige wunderschöne, herzergreifende Lovesongs, da er seinen Gefühlen wie immer auf diese Weise Ausdruck verlieh. Die wurden aber zu dem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht, er zeigte sie auch der Band nicht, dann wären Fragen gekommen, um wen es gehe. Er behielt es lange für sich, sprach mit niemandem darüber, versuchte sich mit anderen Mädchen abzulenken und hoffte, diese Gefühle für Jennifer würden wieder weggehen. Doch sie blieben über Monate und es wurde nur noch schlimmer.

Dass sein bester Freund Beni ihm das irgendwann anmerken würde, war ebenfalls klar. Es war an einem Samstagabend, als sie gemeinsam in einem Club waren. Jennifer hatte schon im Vorfeld erklärt, dass sie jemanden kennengelernt hatte, den sie mitbringen würde. Er ging gegen die 30 und war Bankangestellter. Er war breit gebaut, offensichtlich Bodybuilder, hatte sich eine Glatze rasiert und wirkte allgemein ziemlich protzig. Nachdem Jennifer von ihm eins nach dem anderen ausgegeben bekam und langsam gut bei Laune war, sass Denniz, auch schon gut angetrunken, deprimiert an der Bar.

Beni setzte sich zu ihm: „Alles klar?“ fragte er.

„Ja, natürlich!“

„Du wirkst aber nicht so!“

Denniz zuckte mit den Schultern: „ Ich bin nur schon etwas angetrunken, nichts weiter“.

In dem Moment trat Jennifer hinter die beiden, im Schlepptau ihre neue Errungenschaft und teilte mit, dass sie nun nach Hause gehen. Beni und Denniz drehten sich auf ihren Barhockern um und sahen die beiden an. Der Club war inzwischen leerer geworden, die Leute, die noch da waren schienen, wie man es nennt, am „Reste suchen“ zu sein. Mit den obligaten drei Küsschen verabschiedeten sie sich. Jennifers Begleiter meinte nur, er wünsche eine gute Nacht, er werde sie bestimmt haben und zwinkerte selbstverliebt. Dann drehten die beiden ihnen den Rücken zu und gingen. Denniz sah ihnen nach, drehte sich dann um und rief den Barkeeper, um sich noch einen Whiskey zu bestellen. Beni kontere nach und bestellte ebenfalls noch einen. Als die Gläser vor ihnen standen, fragte Beni vorsichtig, im vollem Bewusstsein, dass sein bester Freund genervt war: „Was denkst du denn über diesen Bodybuilder?“

Denniz äffte ihn nach: „Bestimmt werde ich eine schöne Nacht haben!“

„Du bist verliebt ihn sie!“ Beni lachte und pustete diese Worte mit einer eingehender Bestimmtheit heraus.

Denniz sah ihn an, schüttelte den Kopf: „Nein, bin ich nicht!“

Beni bohrte weiter: „Du kannst mir doch so etwas nicht verheimlichen. Ich kenne dich nun seit dem Kindergarten und ich weiss, dass du nicht so reagieren würdest, wenn ich nicht recht hätte.“

Denniz nippte an seinem Whiskey und senkte bedrückt den Kopf. „Ich verstehe einfach nicht, wieso sie sich mit solchen Typen einlässt.“

„Weil du verliebt in sie bist!“ Beni sah ihn wieder eindringlich an.

Denniz hob seinen Kopf, drehte ihn zu Beni, schloss kurz gedankenverloren die Augen und gab es schliesslich zu: „Ja, vielleicht bin ich das.“

„Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass das so kommt!“

Beni hatte ihm das erste Mal als er ihm von Jennifer und sich erzählte bereits gesagt, dass das nicht gut gehen würde. Er war nicht der Meinung, dass Sex ohne Liebe funktioniert. Er meinte, dass in der Konstellation von Jennifer und Denniz sich früher oder später jemand in den anderen verlieben und die Freundschaft dadurch kaputt gehen würde.

„Ja, Doktor Freud, nun ist es wie es ist, was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun?“

„ Es ihr sagen!“

Denniz lachte kurz laut und schüttelte den Kopf: „Sie sieht in mir einen Jungen, vielleicht einen guten Freund, aber nicht mehr. Du siehst es ja, die Typen, mit denen sie ausgeht, sind viel älter als ich, ernsthaft für eine Beziehung interessiert sie sich, abgesehen davon, dass sie gar keine will, sicher nicht für mich. Wenn ich ihr sage, dass ich verliebt in sie bin, ist unsere Freundschaft Vergangenheit. Es würde nie mehr so sein wie früher.“

„Das weisst du doch gar nicht! Und selbst wenn, so kann es nicht weiter gehen! Es ist nicht das erste Mal, dass ich das denke. Wie gesagt, ich hab von Anfang an gedacht, dass das passiert. Und wenn du es ihr sagst und sie sagt, es tue ihr leid, aber sie empfinde nicht so, dann weisst du es wenigstens und kannst nach vorne schauen. So verliebt wie du bist, tut es dir keinesfalls gut, weiterhin mit ihr Sex zu haben! Ich kann nur sagen, besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“ Beni zog die Augenbrauen hoch.

Denniz Blick wurde immer düsterer. Sein Whiskey war schon wieder leer und er bestellte noch zwei. „Das kann ich nicht! Ich kann es einfach nicht und ich will es nicht! Ich will die Freundschaft mit ihr nicht aufs Spiel setzen. Es ist nur eine Phase und die wird auch wieder vorübergehen!“ meinte er und zog die Schultern hoch.

„Ich werde dich wohl heute nicht mehr zur Vernunft bringen“ sagte Beni resigniert, hob sein Glas und prostete ihm zu. Er legte verständnisvoll seine Hand auf Denniz Schulter, der ihn ebenfalls einen dankbaren Blick schenkte und nickte.

So tranken die beiden noch zwei, drei Whiskey, redeten über Frauen und wie schwer sie es einem machen konnten, bevor sie nach Hause gingen und noch einen Joint rauchten. In der WG taten sie dies ab und zu im Wohnzimmer. Sie genossen es, einfach tun zu können was sie wollten, sie konnten am nächsten Tag die Fenster aufmachen, sie hatten mehr als genug Geld, selbst sollte wenn sie ausziehen später einmal die Verwaltung das Wohnungsstreichen von ihnen kassieren. Die beiden diskutierten noch einige Zeit vor dem Fernseher, beteuerten was es für eine gute Idee war, alleine zusammenzuziehen, bis sie schliesslich mit einem guten Gefühl der Freundschaft ins Bett verschwanden.

Denniz lag noch einige Zeit wach und schaute zum Fenster raus. Dabei dachte er über die Worte von Beni nach. Vielleicht hatte er ja Recht. Vielleicht sollte er sich auf sich selbst besinnen und keine Rücksicht auf die Freundschaft nehmen. Er wusste es nicht, doch er war auch zu betrunken und bekifft, heute noch eine Entscheidung zu treffen. Die Zeit wird eine Lösung bringen.

In den nächsten Tagen machte er sich aber weiterhin viele Gedanken darüber. An einem Nachmittag, er war zum Nachtessen bei seinen Eltern eingeladen, hatte er mit seiner Mutter spontan schon ein, zwei Gläser Weisswein auf nüchternen Magen getrunken. Sie merkte ihm an, dass er bedrückt war und sprach ihn darauf an. Er druckste etwas herum, gab aber dann aber zu, dass es um eine Frau ging.

„Jennifer!“ meinte sie verständnisvoll nickend.

Mit grossen Augen sah er sie an, als sei er ertappt worden: „Woher weisst du das?“

„Ich kenne dich! Ich sehe euch, wie ihr miteinander umgeht und ich wusste, dass das auf Dauer nicht gutgehen kann.“

„Beni hat dasselbe gesagt, muss wohl was dran sein. Warum hast du nie was gesagt?“

„Das sind Dinge, die für dich selbst rausfinden musst. Das Leben findet am Ende immer einen Weg, man kann das Schicksal nicht umgehen!“

Denniz schaute bedrückt sein Weinglas an und nickte traurig.

„Was hast du jetzt vor? Hast du es ihr gesagt?“

„Nein, ich hatte eigentlich nicht vor, das zu tun, ich will unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen.“

„Und du denkst, dass du das nicht tust, wenn du nichts sagst?“

„Ich weiss nicht! Ich weiss nicht was ich tun soll! So kann es irgendwie nicht weiter gehen, ich denke immer nur an sie und es macht mich verrückt, wenn sie mit anderen Typen zusammen ist. Aber ich weiss, sie will keinen festen Freund und schon gar nicht mich. Also wenn ich es ihr sage, nimmt sie Rücksicht auf mich, wir haben keinen Sex mehr, aber es wird nie mehr dasselbe sein.“

„Ob sie einen festen Freund will oder nicht, kann ich dir nicht sagen. Ich denke schlussendlich sehnen wir uns alle nach Geborgenheit und Vertrauen. Aber wie du darauf kommst, dass sie ausgerechnet dich nicht wollen würde, ist mir ein Rätsel. Sie hat dich sehr gern, das sieht man. Zwischen euch ist bereits eine sehr enge Bindung, so wie ihr miteinander umgeht. Aber vielleicht, oder besser sehr wahrscheinlich liegt genau da das Problem. Dass du denkst, du wärst nicht gut genug für sie. Sie ist der Schwarm aller Jungs, gross, blond, eine Traumfigur. So eine kann nicht deine Freundin werden. Das denkst du doch, oder?“

Denniz zuckte mit den Schultern: „Ja, so in etwa denke ich das.“

„Das ist die falsche Einstellung. Wenn du eine Chance haben willst, musst genau daran versuchen etwas zu ändern. Frauen wollen Männer mit Selbstbewusstsein, sie wollen lieber ein Arschloch als ein hilfloses Muttersöhnchen. Sie wollen Männer, von denen sie denken, dass sie um sie kämpfen müssen und sie nicht selbstverständlich haben können. Jennifer kennt sicherlich genug Männer, bei denen sie mit den Fingern schnippen könnte und sie hätte sie, im Bett, als festen Freund oder als was auch immer und genau deswegen will sie vermutlich keinen von denen.“

„Ja, und genau so ist es ja auch bei mir!“

„Ich glaube nicht, dass ihr bewusst ist, dass du verliebt in sie bist, schliesslich wart ihre lange genug nur Freunde. Ich denke sie macht sich da einfach keine Gedanken darum, weil es ja keinen Grund gibt für sie eine Entscheidung zu treffen. Ich denke, wenn einer kommen würde, den auch sie nicht so selbstverständlich haben könnte, würde das ihr Interesse wecken. Wenn du ihr als kleiner, eingeschüchterter Junge begegnest und ihr sagst, wie hoffnungslos verliebt du in sie bist, wenn du ihr das Gefühl gibst, dass es ja sowieso klar sei, dass sie nichts weiter von dir will, wird das wohl auch so sein, weil es genau diesen Eindruck bei ihr hervorruft. Wenn du dir aber das Gefühl bist, du bist genauso ein junger, attraktiver Mann, nach dem sich ebenso viele Frauen die Finger lecken, aber du möchtest es, jetzt vielleicht etwas überspitzt gesagt, mit ihr versuchen, wird das auch entsprechend auf sie wirken. Du hast nichts zu verlieren. Im Gegenteil, wenn du nichts tust, verlierst du Zeit. Zeit, die du in dich selbst, in deine Musik, deine Songs oder von mir aus auch in andere Frauen investieren könntest. Sag ihr, du wollest nicht die Freundschaft mit ihr gefährden, auch die besten Liebesbeziehungen sind die, in denen nicht nur Liebe und Sex die Partner verbindet, sondern eben auch Freundschaft. Aber es gehe für dich nicht mehr so weiter, du kannst das nicht mehr. Sie muss sich ja auch nicht sofort entscheiden, aber entweder es bleibt bei rein platonischer Freundschaft oder ihr versucht es mit einer exklusiven Beziehung. In deiner Vorstellung von diesem Gespräch siehst du dich selbst vermutlich als schwach und klein, derjenige der die Hosen runterlässt und dem anderen die Liebe gesteht, aber das muss nicht sein. Sei stark! Zeige, dass es nicht darum geht, dass deine Welt zusammenbricht, wenn sie nein sagt, sondern nur darum diese Situation zu beenden, weil sie dir nicht gut tut. So wichtig musst du dir selbst sein!“

Denniz hörte seiner Mutter nur ruhig zu, ihre Worte wirkten in seinem Kopf einige Augenblicke nach, dann nickte er. Er dachte sich wieder einmal, dass er wohl die beste Mutter der Welt hatte und stellte sich was sie sagte bildlich vor. Sie hatte recht. So würde er es machen. Er müsste nur noch auf den richtigen Augenblick warten.

In der Zwischenzeit waren auch Jonathan und Melanie nach Hause gekommen. Melanie stürzte sich auf Denniz und umarmte ihn. Sie kuschelte sich an ihn und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Jonathan drückte ihn ebenfalls, holte sich ein Bier und feuerte den Grill an. Es wurde ein lustiger, feucht fröhlicher Abend, Denniz entschied sich, bei seinen Eltern zu übernachten. Bevor sie ins Bett gingen, rauchte er mit seiner Mutter noch einen Joint. Seine Mutter vertrug nicht so viel, dass sah er ihr jeweils auch an. Sie wurde sehr emotional und sagte ihm, wie stolz sie auf ihn war und wie froh sie war, dass es ihn gäbe. Schliesslich hat es das Schicksal so gewollt. Er nickte ergriffen und umarmte sie. So glücklich und erleichtert wie an diesem Abend schlief er schon lange nicht mehr ein. Endlich sah er wieder eine Richtung, in die es gehen würde.



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