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K A P I T E L 10

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Im Jagdhaus des Ritters von Schönburg, Anno Domini 1561

Boah, das war ja wie eine Eisdusche. Hekate hatte es wirklich drauf, böse zu gucken. Hatte ich euch schon gesagt, dass ich Eisduschen hasse? Aber noch mehr hasse ich so unangenehme Nachrichten wie die, die ich jetzt befürchtete.

Nach einer endlos gefühlten Ewigkeit reichte Hekate mir das Pergament. Ich bemerkte selbst, dass meine Finger, die das edle Papier hielten, unheilvoll zitterten. Ich schluckte und zwang mich, die fein geschriebene Kinderhandschrift zu lesen.


Meine lieben Eltern,

es ist etwas Furchtbares geschehen, das mich keine Nacht mehr schlafen lässt. Meine liebe Schwester und ich sind einem Raub zum Opfer gefallen. Unser treuer Gastvater wurde mit gleicher Post wie die Eurer bedacht. Mein geliebter Vater, bitte wendet Euch an den Ritter, damit Ihr Grete und mich alsbald aus dem Pest-Dorf erlösen könnt. Ich liebe und vermisse Euch.

Maximilian von Schönburg.

Ehe ich mir zu den Worten des Briefes ein klares Bild machen konnte, erklang vom Bett her ein unmenschlicher Schrei, sodass ich befürchtete, dass alle Gläser im Haus zerspringen würden.

»Brunhilde«, rief der Ritter und eilte zu seiner Gattin, die den todesähnlichen Schrei getätigt hatte.

Ihre Augen, die jetzt noch mehr den Anschein erweckten, dass sie aus den Höhlen springen wollten, waren weit aufgerissen, und ihre dünne, zerbrechlich wirkende Hand zeigte auf einen Gegenstand, der auf dem Tisch lag.

Zuerst konnte ich nicht erkennen, was die arme Rittersfrau so in Panik versetzte. War es ein getötetes Tier, welches der Ritter auf dem Tisch abgelegt hatte? Bei näherer Betrachtung erkannte ich, was dort in Blut getränkt lag, und eine schlagartige Übelkeit ließ meine Gedärme schmerzvoll verkrampfen. Ich musste raus, um mich zu übergeben.

Während ich mich hinter dem Haus des Ritters erleichterte, schossen mir die Gedanken zu dem soeben erlebten Horrorszenarium kreuz und quer durch meinen Kopf. Es war kein totes Tier. Nein! Es waren Haare, die auf dem Tisch lagen. Ein blonder Zopf, der in Blut getränkt war. Es war eine eindeutige Drohung, das stand außer Frage.

Ein Flattern in meiner Nähe lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich brauchte nicht lange zu warten, da flogen sie geradewegs auf mich zu. Es waren meine beiden gefiederten Freunde. Ich war ihnen unendlich dankbar, dass sie mich aus meinen grausamen Gedanken gerissen hatten. Blitz setzte sich, wie ich es von ihm gewohnt war, auf meine rechte Schulter, und Donner ließ sich auf meiner linken Schulter nieder. Sanft tippte Blitz mir mit seinem Schnabel gegen die Wange. Es war ein Begrüßungskuss, den ich von ihm durchaus zu schätzen wusste, weil er mit dieser liebevollen Geste meistens geizte.

»Wir müssen euch etwas erzählen«, zwitscherten beide Vögel wie aus einem Schnabel.

»Verzeiht, dass wir Euch nicht schon längst Gehör geschenkt haben«, brachte ich zerknirscht hervor. Mein schlechtes Gewissen tobte.

»Mach dir deshalb keine Vorwürfe. Du konntest es nicht ändern, und Hekate hat ihre Strafe bereits ereilt«, sagten sie beide, und ich hatte das Gefühl, als würde mir ein zentnerschwerer Stein vom Herzen plumpsen. Ich war mir sicher, dass sie mit der Strafe ihren Angriff gegen meine Ahnin meinten.

Ich eilte mich, zurück in das ritterliche Jagdhaus zu gelangen. Als wir die Tür hinter uns geschlossen hatten, bot sich uns ein unheimliches Bild. Der blutige Zopf lag auf dem Fußboden, und auf ihm lagen getrocknete Kräuter. Meine Ahnin stand davor, hielt die Hände nach oben gestreckt und betete zu Gaia. Die große Mutter allen Seins schien ihr wohlgesonnen, denn um den Zopf bildete sich eine Seifenblase, jedenfalls sah es so aus. In der Blase spiegelte sich ein Schwein, welches an einem Spieß über dem Feuer gegrillt wurde. Ich verstand nicht, was uns dieses Bild sagen sollte, aber ich würde es sicherlich gleich von Hekate erfahren.

Die Rittersfrau schniefte leise und jammerte. »Grete, mein Gretchen.« Zu groß war der Schock für sie gewesen, die blutigen Haare ihrer kleinen Tochter geschickt zu bekommen. Der Ritter saß auf ihrer Bettkante, hielt ihre Hand und sah hilfesuchend zu meiner Ahnin.

Hekate ließ die Hände sinken. Sie öffnete mit einem tiefen Seufzer ihre Augen. »Es ist nicht das Blut Eurer Tochter. Sie haben den Zopf in Schweineblut getränkt, damit Ihr vor Angst fast umkommt.«

Völlig entkräftet ließ Hekate sich auf einem Stuhl nieder, und ich fühlte mit Brunhilde, als diese vor Erleichterung weinend in den Armen ihres Gatten versank.

Blitz flog zu Hekate, postierte sich auf ihrer rechten Schulter, so wie zuvor bei mir. Der kleine Vogel plusterte sein Gefieder auf, und im Schein der Sonne, die durch das offene Fenster hereinfiel, wirkte sein Gefieder noch goldener als es ohnehin schon war. Ich sah meiner Ahnin an, dass sie skeptisch wegen der vergangenen Attacke der beiden war. Sie schwieg, sodass die Vögel einen kurzen Blick wechselten, und dann getrennt mit veränderten Stimmen sprachen. Es wurde so deutlich, dass sie ein gehörtes Gespräch wiedergaben.

»Wo habt ihr die Bälger versteckt?« Blitz‘ Stimme gehörte eindeutig einem Mann, den der Vogel jetzt nachahmte.

Donners weibliche Stimme tropfte nur so vor Spott: »Das müsst ihr nicht wissen. Je weniger es gewahr sind, umso weniger Probleme. Ich will das versprochene Gold. Jetzt!«

Ich stutzte, irgendwie kam mir die Stimme bekannt vor. Aber wo sollte ich sie schon einmal gehört haben?

Blitz antwortete mit einer metallisch klingenden Stimme. »Hütet Eure Zunge, Weib.«

Donner schnaufte: »Wollt ihr mich für dumm verkaufen und Euch das Gold eigenhändig in die Taschen stecken? Ich habe schließlich die Mutter vergiftet, und nun will ich …«

»Schweig!«, schnitt Blitz ihrem Gefährten das Wort ab. »Du bekommst deine Belohnung, wie es ausgemacht war. Mehr nicht, und hüte dich davor, dich jemandem anzuvertrauen. Es würde deinen sicheren Tod bedeuten.«

Erneut schnaubte Donner verächtlich: »Wie könnt Ihr es wagen? Offensichtlich seid und bleibt Ihr ein Halsabschneider. Merkt Euch, nie wieder werde ich Euch einen Dienst erweisen. Ihr wisst wohl noch immer nicht, mit wem Ihr es zu tun habt, sonst würdet Ihr es nicht wagen, mir zu drohen.«

Blitz lachte schrill, sodass es mir durch Mark und Bein fuhr und der armen gebeutelten Rittersfrau einen spitzen Schrei entlockte.

»Was willst du mir erzählen? Du weißt doch, wer hier am längeren Hebel sitzt. Weib, für so dämlich halte ich dich nicht, also strafe meine Meinung nicht Lüge. Der Brief ist unterwegs zu Schönburg. Er wird alles hergeben, um seine Brut vor dem schwarzen Tod zu retten.«

»Er wird die beiden Kröten nicht retten können. Wann bekomme ich den versprochenen Lohn?«

Blitz antwortete verächtlich: »Wenn Schönburg mir sein gesamtes Vermögen überschrieben hat. Ich werde ihn auswringen wie eine Zitrone. Alles werden sie mir für die Bälger geben. Alles! Ich werde der mächtigste Mann des Landes werden.«

Blitz verstummte, und auch Donner sagte kein Wort mehr.

Der Blick meiner Urgroßmutter schien sich an mir festgesaugt zu haben. »Du weißt, was das für uns bedeutet. Wir sollten sofort los und die Kinder befreien. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.«

Ich zog hilflos die Schultern in die Höhe und ließ sie fallen, sodass Donner den Halt verlor und auf die Schulter meiner Ahnin flog.

»Diese Stimme ...« Hekate schien sich genauso wie ich Gedanken über sie zu machen. Ehe ich etwas sagen konnte, fragte meine Ahnin die Rittersleute: »Könnt Ihr die Stimme einer Person zuordnen?«

Schönburg hatte sich erhoben. Er holte einen Brotlaib aus einem Schrank und schnitt dicke Scheiben Brot ab. »Ja, ich denke, ich kenne die eine Stimme. Sie gehört eindeutig Schwarzschild, diesem Verräter.« Mit diesen Worten hieb er die Klinge des Messers in den Tisch, sodass sie steckenblieb.

»Ich kenne die andere Stimme«, ertönte Brunhilde.

Alle sahen wir zu ihrem Lager, und in uns allen brannte die Frage, um welches Teufelsweib es sich bei der Komplizin des Ritters handelte.


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