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Übung: Ins JETZT kommen

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Um bei sich anzukommen und somit sich und Ihrem Pferd eine gute Basis zu schenken, können Sie folgende Übungen machen:

• Sie können sich in den Stall, die Box oder an den Paddock oder die Weide setzen und bewusst Ihre Sinne wahrnehmen. Suchen Sie dazu einen Platz auf, an dem möglichst wenig Trubel ist, und machen Sie es sich gemütlich. Versuchen Sie, innerlich ruhig zu werden und sich in Ihrem Körper wohlzufühlen. Alles, was Sie riechen, schmecken, hören, sehen und tasten können, ist JETZT. Alles, was Ihre Gedanken Ihnen vorzugaukeln versuchen, ist NICHT JETZT. Lassen Sie Ihre Gedanken mit einem Lächeln ziehen. Wenn Sie Ihren Gedanken erlauben, kurz da zu sein, werden sie Sie loslassen – aber drängen Sie sie nicht, dann werden sie hartnäckig. Sie sind gut beraten, wenn Sie auf den Rhythmus Ihres Atems hören oder von oben nach unten mit den Gedanken durch Ihren Körper wandern und feststellen, was sich wo wie anfühlt – ohne Ihre Wahrnehmung zu werten. Wenn Sie sich an Ihr Gefühl halten und ihm nachspüren, versickern die Gedanken ohne große Anstrengung von selbst. Seien Sie dabei geduldig und nicht traurig, wenn es nicht gleich klappt. Es ist eine gute Übung, mehr Herz und Humor für sich selbst zu entwickeln.

• Versuchen Sie, Gedanken, die Ihnen hartnäckig und unablässig immer wieder erscheinen, etwas Gutes abzugewinnen, damit Sie mit der Situation Frieden schließen können und sie loslassen können. Wenn wir eine Sache zu Ende denken und „eine Moral von der Geschicht“ finden, lässt sie uns am ehesten in Ruhe. Zudem haben wir mit einem positiven Abschluss eine bessere Ausstrahlung. Es muss ja nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss sein.

• Verbinden Sie sich wie ein Baum mit dem Boden. Haben Sie Kontakt mit Mutter Erde. Fühlen Sie den Boden unter den Füßen und stellen sich bildhaft vor, wie sich Wurzeln entwickeln, die sich tief in den Boden erstrecken. Spielen Sie mit diesen Gedanken und trauen Sie sich, kreativ zu sein: Sind Sie ein Baum mit einer dicken Pfahlwurzel in der Mitte, oder haben Sie eher viele dünne, weitverzweigte, oberflächliche Wurzeln? Wie weit oder tief reichen sie? Sind Ihre Wurzeln eher verholzt oder biegsam und flexibel? Können Sie noch mehr Wurzeln wachsen lassen, als Sie beim ersten Eindruck schon hatten? In welche Richtung wünschen Sie sich, dass die Wurzeln wachsen? Tiefer oder weit ausbreitend an der Oberfläche? Versuchen Sie wahrzunehmen, was für eine Art Baum Sie wären und in welcher Erde Sie am besten wachsen und gedeihen würden. Wie alt ist der Baum? Versuchen Sie, Ihren ganzen Körper so zu fühlen, als wäre das wahrhaftig. Spüren Sie, wie die Beine zu einem Stamm werden und Sie nach oben hin immer mehr Äste und Blätter ausbilden. Bis zu den Haarspitzen, die wie Blätter in der Frühlingssonne funkeln. Fangen Sie die Sonnenstrahlen über Ihre Blätter ein und lassen Sie das Licht durch Ihre gesamte Mitte fließen. In jede Zelle. Bis zu den Wurzeln – und dort am Ende aus kleinen Öffnungen wieder in den Boden. Genießen Sie es für einen Moment, so klar, stark und standhaft an Ihrem Platz zu stehen. Dann lassen Sie all Ihre Geschichten und Gedanken mit dem Licht durch Ihre Wurzeln in den Boden absickern. Alle belastenden Gefühle, die dazu gehören, dürfen mitfließen. Es kann sein, dass Ihnen dabei kalte Schauer über die Schultern, die Arme oder den Rücken laufen. Genießen Sie Ihre Gefühle und lassen Sie das Licht in jeden Winkel Ihres Körpers – Sie befreien sich gerade von Altlasten und Alltagsstress und kommen ins Jetzt. Gemäß der Intensität kann es sein, dass Sie als Baum anfangen zu schwingen – wie im Wind. Lassen Sie das gerne zu, denn Ihr Körper erinnert sich nur gerade daran, welche persönliche Schwingung Sie haben, und lebt sich und seine Bedürfnisse für einen Moment aus. Die eine oder andere Festigkeit und Starre kann dabei mit Leichtigkeit dem Körper weichen.


Innerlich ruhig zu werden und sich zu sammeln macht uns für das Fluchttier Pferd vertrauenswürdig und einschätzbar. Wir kommen bei uns selbst an und entwickeln den Blick für das Wesentliche.

• Nachdem Sie das einen Moment genossen haben, schütteln Sie Ihren Körper, damit Sie sich wortwörtlich besser fühlen können und sich vom restlichen Ballast lösen können. Sie beginnen mit den Beinen, erst das eine, dann das andere, lösen die Fußgelenke, die Knie, bis zur Hüfte. Dann nehmen Sie die Arme dazu, lösen die Handgelenke, die Ellenbogen, dann entspannen Sie die Halswirbelsäule, und auch der Kopf wackelt mit. Am Ende ist alle Spannung und Starre gelöst und alles darf wackeln und zackeln. Der ganze Körper macht, was er will, dabei können Sie hüpfen und springen. Sie können auch ihre Gesichtszüge loslassen und spüren, wie einfach es ist, frei von allem zu sein. Dann, am Ende, sind Sie im Hier und Jetzt und haben sicher ein wunderbares Körpergefühl. Vielleicht wird Ihr Bauch ungewohnt warm und Sie atmen tiefer und ruhiger. Und ganz wichtig: Um sich zu spüren und bis in die Tiefe zu atmen, darf ein Bauch frei von Vorschriften und Selbstbildern dort sein, wo er hingehört: draußen.

Sie können diese Übungen einzeln oder insgesamt durchführen, um bei sich anzukommen. Sie sind ein gutes Hilfsmittel für das Hier und Jetzt. Manchmal ist es nicht überall möglich, sich unbeobachtet in diese Übungen zu geben – je nachdem, was an dem Ort, an dem Sie und Ihr Pferd sind, gerade los ist. Dann picken Sie sich vielleicht nur eine Teilübung heraus. Je öfter Sie dieses „Bei-sich-Ankommen“ praktizieren, umso schneller wird Ihr Körperbewusstsein sich nach und nach darauf einlassen und umso schneller werden Sie frei von Geschichten, die Ihre Wahrnehmung und Ihren Blick fürs Wesentliche färben könnten.

Den Pferden zuhören

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