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Dem PFERD begegnen

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Nun kommen wir zu einer nächsten wichtigen Vorbereitung für unsere tiefere, zuhörende Begegnung mit dem Pferd. Wenn Sie es geschafft haben, bei sich anzukommen und den Alltag hinter sich zu lassen, haben Sie die Voraussetzung für ein offenes Herz geschaffen. Sicher gibt es verschiedene Arten, wie und warum wir Pferden begegnen. Dabei können Sie sich entweder in bestimmten Rollen bewegen oder aber ganz und gar Sie selbst sein. Wenn Sie in eine Rolle schlüpfen, zum Beispiel als Trainer, ist ab diesem Moment klar, dass auch Ihr Pferd eine Rolle einnehmen muss. Kein Trainer ist Trainer, wenn er nicht jemanden zu lehren hat. Sie können auch Schüler Ihres Pferdes sein – dann hat das Pferd die lehrende Rolle. Es gibt viele Rollenmöglichkeiten zwischen Pferd und Mensch. Doch wenn wir es tatsächlich schaffen, ins Hier und Jetzt zu kommen, können beide rollenfrei bleiben und sich als diejenigen begegnen, die sie nun mal sind. Heute. Ein Mensch wie Sie und ein Pferd wie Ihr Pferd. Beide mit ihren natürlichen Eigenarten, Befindlichkeiten, Ecken und Kanten und vor allem mit den heutigen Bedürfnissen.

Doch wie geht es nun, rollenfrei zu sein und sein Herz zu öffnen? Und was bedeutet das? Wie geht eine Kommunikation von Herz zu Herz, statt von Rolle zu Rolle oder von Verstand zu Verstand?

Um einem Pferd zu begegnen und eine solide Basis anzubieten, sich zu öffnen, braucht es Struktur.

Beide, Pferd und Mensch, haben ähnliche Grundbedürfnisse, wenn es darum geht, einander zu vertrauen. Schritt Nummer eins haben Sie nun bestenfalls bereits erlernt und bewusst gemacht: Sie können ins Hier und Jetzt kommen. Bitte tun Sie Ihrem Pferd den Gefallen und seien Sie sooft wie möglich an diesem Ort: dem Hier und Jetzt. Nur an diesem Ort kann sich das Herz zum Zuhören öffnen.

Nun schauen wir, in welchem Hier und Jetzt sich das Pferd gerade befindet.

Von sich wissen Sie dank der guten Vorbereitung schon, was heute mit Ihnen los ist, was Sie von sich erwarten können und was lieber nicht. Daraus ergeben sich schon einmal Grenzen, an die Sie sich halten können. Grenzen zu kennen und diese zu achten ermöglicht uns selbst, uns gut einzuschätzen, uns wahrzunehmen und uns nicht zu überfordern. Wir wissen dann auch, wann unser Gegenüber zu viel von uns verlangt, und können klar, echt und ehrlich sein – ohne Druck und vor allem, bevor wir uns in die Enge getrieben fühlen. Dadurch entsteht eine friedliche und klare Abgrenzung. Diese Ausstrahlung ist schon einmal Gold wert, weil sie vom Pferd als Vertrauenswürdigkeit und Selbstgewissheit wahrnehmbar ist. Haben Sie schon einmal einen Lehrer oder Chef gehabt, der um sich und seine Emotionen Bescheid weiß? Bestimmt war es für Sie eine angenehmere Atmosphäre als mit jemandem, der impulsiv oder hektisch in einer Vorstellung feststeckt und unreflektiert wer weiß was von Ihnen verlangt.

Auf diesem Weg können wir auch den Ehrgeiz zähmen, der uns manchmal vorauseilt und den unsere Pferde allzu oft als raubtierhaft missverstehen. Die meisten Menschen nehmen sich erst wahr, wenn sie an Grenzen stoßen. Manche auch erst, wenn sie diese sehr deutlich berühren. Sich an Grenzen zu orientieren bietet Sicherheit und Rahmen. Vielleicht brauchen wir Menschen als „Spätentwickler“ in unserer schnellen Welt den stärksten Rahmen von allen Lebewesen, um mit unseren manchmal plötzlichen und ungezügelten Impulsen angemessen umzugehen.

Die Versuchung, mit Macht, Kraft und Überlegenheit übereilt und unbedacht zu handeln, ist eine sehr ursprüngliche Re-Aktion, der wir im Umgang mit dem Pferd widerstehen lernen müssen. Unserer Natur gemäß könnten wir unsere Macht mit Leichtigkeit ausspielen. Vielen geht es danach nicht einmal schlecht – und sie haben vielleicht auch ein schnelles und sichtbares Resultat. Aber sie werden keinen Erfolg damit haben, der inhaltlich wertvoll oder wiederholbar ist. Daher gehören falscher Ehrgeiz und Impulsivität meines Erachtens zu den größten Themen, die es als Mensch zu überwinden gilt. Um eine Begegnung zu ermöglichen, in der beide auf Augenhöhe stehen, braucht es Reife und Verantwortung. Die Werkzeuge dazu sind ein sensibles Maß und eine ausgewählte Dosierung von emotionalem Ausdruck, eine gute Selbstbeobachtung und Selbstreflexion. Dann verdienen wir uns den Titel der „Menschlichkeit“.

Ich habe viele Menschen kennengelernt, die eine Dauerharmonie gar nicht aushalten, weil Harmonie so schlecht fühlbar ist. Alles ist weich, harmonisch und es gibt keine Ecken und Kanten, an die man stoßen und an denen man sich orientieren kann. Andererseits habe ich ebenso viele Menschen kennengelernt, die unter einer Art Harmoniesucht leiden. Und noch mehr Menschen haben beides: Sie wünschen sich Harmonie, und wenn sie dann da ist, können sie sie kaum ertragen. Ein ständiges Auf und Ab. Ein Paradoxon. Ich empfehle daher die bewusste Auseinandersetzung mit Gleichmut – ich nenne das auch Gleich-Gültigkeit –, ein Wort, das allzu oft in seinem Kern missverstanden wird. Das Gefühl, das ich mit diesem Wort beschreiben möchte, beinhaltet, dass wir uns in der Harmonie bewegen und aufhalten können, OHNE ständig nach Grenzen zu suchen oder zur eigenen Orientierung an welche stoßen zu müssen. Wenn wir das schaffen, dass alles, auch die Aktion und Reaktion des Pferdes, die gleiche Gültigkeit hat wie unsere eigene Aktion, haben wir uns die Reife erarbeitet, die nicht nur uns, sondern auch dem Pferd die innere und äußere Entwicklung ermöglicht.

Ent-Faltung und Öffnung auf beiden Seiten.

Wenn Pferde mit Menschen solch eines gereiften Entwicklungsstandes arbeiten, lernen und spielen, sieht man es sich in den Augen der Pferde unmittelbar spiegeln: Der Ausdruck wird warm, weich, und die Pferde fühlen sich unbedroht und gut aufgehoben – die Seele kann sich zeigen. Als Folge dessen entfaltet sich der Körper mit jedem Moment mehr und erlangt neue Möglichkeiten. Das Pferd kann sich positiv entwickeln. Und beim Menschen entsteht Raum für Freude und Humor. Ich spreche dann von einer „warmen“ Begegnung, weil sie von Herzen kommt und die Seele beider nährt.

Den Pferden zuhören

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