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Mit dem Pferd ins Gespräch kommen

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Das Gespräch, das ich meine, folgt recht einfachen, aber genauen Grundsätzen. Jeder der beiden Gesprächspartner ist gleichwertig und kann jederzeit eine Pause einräumen oder die „Unterhaltung“ unterbrechen oder beenden. Nach der Kontaktaufnahme über die passive Beobachtung oder durch das Annähern an die Gruppe unter oben beschriebenen freundlichen und abwartenden Grundsätzen füge ich mich als möglicher Gesprächspartner in die Gruppe ein. Dabei ist es von höchster Bedeutung, dass ich authentisch erlebbar und wahrnehmbar bin und kein Geheimnis daraus mache, wer ich heute bin und wie es mir gerade geht. Da das Pferd als Experte des Körpersprachelesens sowieso bereits mit seinem ersten Eindruck mehr über mich weiß als ich vielleicht selbst, ist es weder nötig noch möglich, zu versuchen, ihm etwas vorzugaukeln. Jedem unserer menschlichen Gedanken in uns folgt ein minimales körpersprachliches Signal. Ein Ausdruck, den jedes Pferd zu lesen weiß.

Viele Menschen, die mit ihren Pferden aufgrund von Kommunikationsproblematiken Rat suchen, haben nur dieses einzige Problem in ihrem System. Sie zeigen außen etwas anderes, als sie innen fühlen. Die größten Probleme, die ich zwischen Pferden und Menschen kenne, sind diejenigen, bei denen der Halter versucht hat, auf Gedeih und Verderb tapfer, mutig, stark oder mächtig zu erscheinen, im Grunde aber nur so stark auftreten musste, damit er seine eigenen Unsicherheiten und Ängste überspielen konnte. Je stärker die Verunsicherung, umso gravierender sind oft die Fehler in der Begegnung. Diese Zweideutigkeit wird von Pferden eindeutig für „nicht wahr“ entlarvt – und damit haben sie recht! Pferde brauchen niemanden, der Sicherheit und Verlässlichkeit vorspielt – sie brauchen jemanden, der das geben kann! Und sie akzeptieren jeden, der das nicht kann. Aber der wird folglich nur schwer einen Führungsposten bekommen. Jeder erhält naturgemäß die Position, die er ausfüllen kann.

Glücklicherweise gibt es verschiedene Arten Pferdecharakter, sodass je reifer und erfahrener ein Pferd ist, es mit Unsicherheiten in der Umgebung besser umgehen kann. Es gibt mütterliche Stuten, die nur allzu gern ihrem Instinkt folgen und uns Menschen unter ihre Fittiche nehmen. Dabei sind sie dann sehr liebevoll und verzeihen jeden Fehler und alle Unstimmigkeiten mit großer Nachsicht. Mensch und Pferd können in solch einem Arrangement hervorragend und problemlos miteinander leben – es muss nur die richtige Chemie sein. In diesem Falle heißt das, dass der Mensch entspannt auf seiner Position „Fohlen“ oder „Jungpferd“ verweilen kann, während die sorgsame Stute sich um alles kümmert und ihm die Wünsche von den Lippen abliest. Haben Sie schon mal beobachtet, wie Pferdemütter in der Natur ihrem neugierigen Fohlen folgen und wie behutsam sie auf es achten, wenn es für sich eine neue Herausforderung auserkoren hat? Sie halten ihr Fohlen nicht von seinem Plan ab, wenn der sicher erscheint, sie unterstützen den Prozess.

Ein anderes Beispiel sind Pferde, die selbst noch nicht reif oder in sich gefestigt sind. Ein oben beschriebenes Beispiel ist sicher ein besonderes. Die meisten Pferde sind jedoch durch unsere Menschenumwelt eher verunsichert, und je nach Lebensraum ist es für sie nicht mehr einschätzbar, wovor es sich zu fürchten lohnt. Ist der Mähdrescher nun gefährlich oder nicht? Wie sieht es mit Mülltonnen, gelben Säcken, Fahnenmästen oder Heißluftballons aus? Dazu fehlt dem Pferd die genetisch verankerte Erfahrung oder die Lehre ihrer Ursprungsherde, von der sie es in den ersten drei Jahren hätten lernen können. Somit ist schlussfolgernd Flucht oder zumindest Schreck ein natürlicher Impuls, der das Überleben sichert. Denn genetisch verankert ist, dass der, der zögert, womöglich keine zweite Chance mehr hat. Für ein Pferd in der Natur ist es als Fluchttier die erste Wahl, aus der bedrängenden Umgebung herauszukommen, um sich alles aus sicherer Entfernung anzuschauen. Kein Pferd flüchtet ewig, denn kein Pferd würde unnötig Kräfte vergeuden. Pferde sind Energiesparer. Für uns heißt das, dass Sie sich uns gern anvertrauen, wenn wir uns in der Umgebung sicherer, souveräner und erfahrener zeigen können, als sie es sind. Aber seien Sie gewiss: Es muss echt sein – ansonsten machen die Pferde diesen Job lieber selbst.

Am schwierigsten ist es, wenn ein unsicherer Mensch mit einem unsicheren Pferd hantiert und sie sich gegenseitig beweisen wollen, wer der Beste ist. Beide trauen dann dem Gegenüber nicht über den Weg – und sich selbst im Grunde ihres Herzens auch noch nicht. Somit entsteht ein Teufelskreis des gegenseitigen Punktesammelns, der allzu oft in hitziger Auseinandersetzung endet. Ein Desaster. Wer auch immer am Ende des Tages das Punktekonto voll hat, ist egal, denn wenn beide ehrlich sind, macht das Zusammensein überhaupt keine Freude. Unglücklicherweise haben wir dann zwei frustrierte Verlierer …

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