Читать книгу Den Pferden zuhören - Tanja von Salzen-Märkert - Страница 6

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Vorwort

Wie für viele, ging auch meine Reise in die Welt der Pferde früh los, und bis vor kurzer Zeit dachte ich auch immer, alles wäre ganz normal …

Ich hatte nach vielen schönen, aufregenden und vor allem aber wegweisenden Begegnungen mit Pferden eine kleine Pferdeschule eröffnet und gab Kurse für Mensch und Pferd, um sich gegenseitig besser kennenzulernen. Kurse, die die Natur des Pferdes betreffen. Mein Ziel war von Anfang an, einen Raum zu schaffen, in dem die meines Erachtens wirklich wichtigen Dinge zwischen Pferd und Mensch geschehen können. Damals nannte ich es Kommunikations- und Dominanztraining, bis ich erkannte, dass das Wort Dominanz von vielen Menschen mit einem Verhalten verbunden wird, das ich eher nicht am und schon gar nicht auf dem Pferd sehen möchte. Im Zuge dessen wurde mir klar, mit wie vielen Missverständnissen Pferde und auch Menschen zu tun haben, und habe begonnen, mich dem Licht im Dunkeln zu widmen.

In der Pferdewelt zu leben ist und war für mich seit jeher eine glückliche Fügung. Schicksalhaft kam ich bereits sehr früh in Kontakt mit sehr unterschiedlichen Pferden. Sie alle hatten bewegende Geschichten – sofern man einem Pferd denn eine Geschichte mit entsprechenden Gefühlen und Erinnerungen zugesteht … Für mich war das bereits als Kind keine Frage. Es war eher selbstverständlich. Natürlich hat auch ein Pferd eine Lebensgeschichte. Und selbstverständlich hat ein Pferd eine Gefühlswahrnehmung – sonst könnte eine soziale Ordnung wie die einer Herde gar nicht entstehen. Im alltäglichen Umgang war mir oft klar, was mit Pferden, die schon verschiedene Lebensstationen hinter sich hatten, los war. Je mehr Stationen ein Pferd im Leben schon hatte, je mehr Erlebnisse in der Menschenwelt es zu verbuchen hatte, desto entwurzelter und suchender nahm ich es wahr. Seine Haltung, sein Blick, seine Ausstrahlung – alles sprach Bände für mich. Ich berührte die Pferde und konnte oft in jeder Zelle meines Körpers spüren, was sich in ihrem Leben ereignet hatte, wo ihnen noch etwas in den Knochen steckte und was ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte waren. Manchmal stiegen Bilder in mir hoch, oder starke Gefühle wurden geweckt. Und ohne ein Wort war mir klar, was zu tun war. So wurde ich bereits als junge Jugendliche zu scheinbar „schwierigen“ Pferden gerufen und um Vermittlung gebeten. Menschen nahmen mich beim Pferdekauf zum Erstkontakt mit, um mich einen Blick drauf- oder eher hineinwerfen zu lassen. Mir dämmerte erst sehr spät, dass ich da bis heute etwas tue, das irgendwie „anders“ zu sein scheint oder zumindest erst einmal ungewöhnlich anmutet.

Seit jeher beschäftigt mich dieses Anderssein und manchmal sträubt es sich ein wenig in mir: „Anders? Wieso anders? Was mache ich denn nur anders?“

Ich gehe zu den Pferden, nehme mich selbst zurück, bin offen, habe Zeit, schalte meine Gedanken aus, lass den Alltag hinter mir – und horche in die Begegnung hinein. Ich spüre in meinen Körper, achte auf das, was geschieht und was er mir wohl damit sagen will. Wenn ich mir ein wenig Zeit für die Wirkung lasse, tauchen plötzlich logische Antworten auf, ohne dass Fragen nötig gewesen wären. Bei dieser möglichst offenen Erfassung der Situation stimmen meine innere und äußere Haltung ganz automatisch überein … ich bin authentisch. Tanja. Ganz einfach. – Ist das anders?

Heute weiß ich: „Vielleicht ist das tatsächlich etwas anders“. Es hat eine Zeit gedauert, bis ich erkannte, was es genau ist: Es ist in unserer Welt schwierig geworden, offen zu sein. Nicht jeder von uns hat Zeit und noch weniger von uns schaffen es, die ewige Gedankenflut, die in Windeseile durch den Kopf rauscht, zu bremsen und für diesen Moment anzuhalten oder umzulenken. Wer kann denn einfach so abschalten und den Alltag hinter sich lassen? Und wer kann noch richtig hineinhorchen in eine Situation oder in ein Gegenüber, mit Muße und Geduld, unvoreingenommen und ohne Urteil? Wer traut sich, das für wahr zu nehmen, was die eigene Wahrnehmung vermittelt? Und wer traut sich auch noch, genau das in der Öffentlichkeit laut auszusprechen und sich der folgenden Kritik oder dem Spott eventueller Zweifler zu stellen? Wenn all das bedeutet, „anders“ zu sein, möchte ich Sie einladen, mich durch dieses Buch zu begleiten und mit mir gemeinsam Ihr Anderssein wiederzuentdecken, denn es führt direkt und unmittelbar zu Ihrem eigenen Kern und zu all Ihren Möglichkeiten.

Ich bin überzeugt, all die grundlegenden und angeborenen Fähigkeiten des Menschen, natürlich und ursprünglich zu sein, sind gar nicht so weit weg – vielleicht bei jedem etwas unterschiedlich weit entfernt. Viele Menschen, die mir in den letzten Jahren begegneten, konnten sich selbst eingestehen, dass sie sich genau danach sehnen, was bei dieser tiefgründigen Begegnung mit dem Pferd manchmal wie von selbst entsteht. Sie alle haben die Sehnsucht nach einer wahren Begegnung und nach einer inneren Ruhe. Sie sehnen sich nach dem Loslassen von allem, was sie beschäftigt und tagein, tagaus auf Trab hält. Nach einem leeren Kopf, der überhaupt erst ermöglicht, dass ein anderes Wesen wie ein Pferd Raum bekommt. Nach Zeit. Nach der geruhsamen Gelassenheit, alles so zu nehmen, wie es ist.

„Anders? Wieso anders? Was mache ich denn nur anders?“

Genau aus diesem Beweggrund spüren viele den Wunsch, mit Pferden zusammen zu sein und in diesen tiefen, liebevollen Kontakt einzutauchen, der das Herz so erwärmt und uns dieses tiefe verstandene und geborgene Gefühl verleiht.

Nach einem Dutzend Jahren des Pferde-Mensch-Coachings glaube ich verstanden zu haben, dass viele vielleicht nicht genügend Raum, Zeit und Gelegenheiten zum Üben gehabt haben. Oder sie wurden belächelt, verhöhnt oder bezweifelt und kamen so einst von diesem natürlichen Weg ab. Hier und da wurde sicher von außen beeinflusst, mehr Wert auf die Leistung des Verstandes gelegt, und die Pflege der Sinne und Feinsinne nahm nach und nach einen immer weniger bedeutsamen Stellenwert ein. Für Dinge, die man weder sehen noch anfassen kann, wird meist in den ersten Kinderjahren viel Zuspruch und Anerkennung gezollt, doch später bekommen viele Heranwachsende dafür immer weniger Bestätigung.

Vielleicht hat auch nie jemand Glaubwürdiges in ihrem Leben deutlich und offen erwähnt, wie wichtig und bereichernd es für Pferde sein könnte, dass wir unsere angeborenen Möglichkeiten in dieser Art und Weise nutzen – allen voran unsere Sinne und allen damit verbundenen Fähigkeiten. Und welch ein großer Schatz in der Fähigkeit schlummert, zum Teil auch das Kind zu bleiben, das wir einmal waren: offen, begeistert, unvoreingenommen und rein. Mit der Fähigkeit, an Wunder zu glauben. Der Natur in uns ganz nah.

Ich empfinde es als mein großes Glück, dass ich als Kind aus reiner Liebe damit anfing, mich auf diese intensive Weise den Tieren und der Natur zu widmen. Und ich bin auch sehr glücklich darüber, dass ich nie damit aufhören musste. Ich möchte jeden Leser ermuntern, sich daran zu erinnern, dass er von Anfang an einen natürlichen Zugang zur Welt, zur Natur und all ihren Lebewesen hat und ihn sich zurückerobern kann, falls dieser Zugang etwas in den Hintergrund geraten ist.

Mit diesem Buch möchte ich Sie Schritt für Schritt in meine Sicht der Dinge einweihen und Ihnen die Gelegenheit geben, wieder so schön „anders“ zu sein. So natürlich anders, dass es für unsere Pferde Sinn macht – denn nicht nur Sie, im Besonderen auch die Pferde sollen etwas davon haben, dass dieses Buch geschrieben wurde!

Ich möchte Sie an den Einsichten und Erfahrungen der vielen Jahre, die ich mich bereits intensiv in der Pferdewelt bewege, teilhaben lassen und Ihnen zum Verständnis hier und da eine kleine Geschichte erzählen. Ich nehme Sie nun mit auf die Reise in die Tiefe – dorthin, wo sich Lebewesen begegnen und alle die gleiche Gültigkeit haben: die Reise in die Herzen.

Den Pferden zuhören

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