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Nirgendwo lassen sich die hohen Immobilienpreise von München besser verargumentieren, als wenn man vom Münchner Hauptbahnhof mit der S6 Richtung Tutzing fährt.

Gerade sind noch Glaskuben und Betonburgen, Shopping-Arkaden und Autohäuser, Donnersberger- und Landsberger Straße am Smokey vorbeigezogen, da hält die Bahn auch schon in Starnberg. Der Starnberger Bahnhof schleudert ihm die ganze Postkartenidylle von Bayern ins Gesicht, von wegen Naherholung, Freizeitaktivität und Wohnqualität.

Eine ruhige Eleganz strahlt der See aus, immerhin hat er schon einmal einen König versenkt, der kann schon was, der Starnberger See. Alpenkette, Dampferflotte, Roseninsel und die Villen der Fußballmillionäre vom FC Bayern, die sich wie auf eine Perlenkette aufgezogen bei Berg nebeneinanderreihen.

Obwohl er selten hier herauskommt, denkt sich der Smokey, wie schön es doch ist, dass man plötzlich ausschnaufen kann und er sich wirklich und wahrhaftig wie ein Bayer fühlt und nicht nur wie ein Münchner.

Obwohl er in Giesing die Isar vor der Nase hat.

Es ist schon so, hat der Schani immer gesagt, dass die Leute das mitbezahlen müssen, wenn sie ein kleines Apartment an der Schwanthaler Höhe oder in Moosach haben wollen. Dass sie in einer halben Stunde draußen im Paradies sein können, ganz gleich, ob sie jetzt mit einem SUP auf den See wollen oder mit dem Bike in die Berge. Wer das nicht schätzt, hat halt Pech gehabt. Zahlt er sich dumm und dämlich, aber der größte Benefit bleibt dann nur ein Unverpacktladen ums Eck.

Am ersten Kiosk unten an der Seepromenade kauft sich der Smokey ein Cornetto Haselnuss, dann läuft er los. Schaut auf seine Sneaker, die platt getretenen Kippen und Kaugummifleckerl und die Hunde, die ihm entgegenlaufen. Er denkt sich, dass es für ihn fast so aussieht, als würde er durch Giesing laufen. Wenn er nur nach unten guckt.

Hebt er den Blick, was schon noch geht, nur nicht mehr ohne Schmerz, dann sieht er aber den Ruderclub und die Dampferanleger, das schöne Ufer von Percha bis rüber nach Bernried.

Der Russe auf seinem Rücken ist heute gnädig, wahrscheinlich gefällt’s ihm auch am See, da lässt er den Druck ein wenig nach und gönnt dem Smokey das Sightseeing.

Die ganze Seepromenade läuft er ab, das Eis hat er bereits am Seebad aufgegessen. Am Percha Beach entlang, zwischen den Wildgänsen hindurch und den Badenden, die sich schon vormittags um zehn stapeln, dass man sich fragt, ob sie keine gescheite Arbeit haben oder im Homeoffice sind.

Was manchmal das Gleiche ist.

Es ist ja nicht so, dass er beim Pollner ein und aus gegangen wäre. Einmal nur war er in der Villa und auch nur, weil der Schani mit ihm angeben wollte. Er sollte dem Pollner Anekdoten vom Mord erzählen, aber so etwas macht der Smokey nicht. Er findet, das gehört sich nicht, Beruf ist Beruf, und Schnaps ist Schnaps. Manchmal fragen Zeitungen bei ihm an oder Filmleute, Literaturagenten und Verleger, ob er nicht aus dem Nähkästchen erzählen möchte. Er war im Ermittlungsteam bei vielen Morden, die über die Stadtgrenzen hinaus Aufsehen erregt haben, beim Walter Sedlmayr, der Parkhaus-Millionärin oder dem Moshammer.

Nicht einmal mit der Gabi hat er darüber gesprochen und erst recht nicht mit seinen Freunden, der eine erzählt es in seiner Disco herum und der andere in seiner Boaz’n.

Sogar mit Geld hat der Pollner damals versucht, ihn zu überreden. Aber da war er beim Smokey an der falschen Adresse, der hat seine Jacke angezogen und ist gegangen. Ohne ein Wort, versteht sich.

Und der Schani?

Der war kein bisschen sauer auf seinen Freund. Er hat ihm nichts nachgetragen, stattdessen hat er sich entschuldigt, dass er den Smokey in diese Lage gebracht hat.

Ehrgefühl und Skrupellosigkeit – in keinem Menschen, den der Smokey kennt, hat sich Gegensätzliches so vereint wie beim Schani.

Der Pollner dagegen ist ein seichter Charakter, einer, bei dem du nach einer Handbreit Wasser schon auf den Grund gucken kannst. Und zwar nicht auf helle Kiesel, sondern auf dunklen Morast.

Jetzt ist es nicht so, dass der Smokey den Pollner gleich verdächtigt, dass er den Schani umgebracht hat. Erstens ist die Gietlstraße nicht das Milieu, in dem sich einer wie der Pollner bewegt, und zweitens ist er ein windelweiches Bürscherl, der hätte höchstens jemanden bezahlt für Mord oder Totschlag. Aber natürlich sind die Kollegen beim Mord mindestens genauso auf Zack wie der Smokey. Dass die beiden Geschäfte miteinander gemacht haben, wissen die eh.

Der Pollner war zunächst einmal ein Stammgast im Diamond. Das Diamond war die Disco, die dem Schani gehört hat. Es war die Zeit, in der der Schani mit seiner Gerüstbaufirma zu Geld gekommen ist, weil in München überall gebaut wurde. Damals war der Schani auf der Suche nach Geldverstecken, da hat er noch nicht gewusst, wie er sein Geld verdoppelt und verdreifacht und dabei immer weniger Steuern zahlt.

Das hat ihm erst der Pollner gezeigt.

Der Smokey biegt in Berg vom Seeufer ab und läuft hinauf, dorthin, wo die Villa vom Pollner ist. Weiß Siri, nicht der Smokey.

Und wie er um die Ecke biegt, zwischen all den hohen Thujenhecken mit versteckten Überwachungskameras und Elektrotoren, den Doppelgaragen für Maserati und Porsche SUV, sieht er schon, dass er zu spät kommt.

Vor der Pollner-Villa parken zwei dunkle VW-Busse. Die Schiebetüren geöffnet, damit man die Kisten hineinstapeln kann, die gerade die Auffahrt hinuntergetragen werden. Neben einem Bus steht der Kayacik und dreht sich genau in dem Moment um, in dem der Smokey daherkommt.

»Soso«, sagt der Kayacik und grinst. »Bist auch schon da.«

Betongold

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