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Sie stehen nebeneinander, die Männer außen, in ihrer Mitte die Aymée. Sie ist die Einzige, die weint.

Der Smokey würde jetzt gerne seinen Arm um sie legen, damit sie sich beruhigt, aber so krumm, wie er dasteht, kriegt er den Arm gar nicht so hoch, wie die Schultern von der Aymée sind. Er käme gerade um die Hüfte, und das gehört sich nicht.

Außerdem ist der Moni da, der schließlich ihr Papa ist, der muss sie trösten.

Aber der Moni wiederum steht da wie ein begossener Pudel, die langen Arme hängen an ihm herunter, als gehörten sie nicht zu ihm, die Haare hat er sich zu einem Zopf gebunden, er schaut aus wie ein alter Indianerhäuptling.

Aber einen Anzug hat er an: top. Der Stoff glänzt in der Sonne, der Kragen vom weißen Hemd gibt den Tattoos, die den Hals heraufkriechen, einen feierlichen Rahmen.

Der Smokey kann sich gut an das Datum erinnern, an dem er diesen Anzug das letzte Mal gesehen hat, es war der sechsundzwanzigste November Zweitausenddreizehn. Und da ist ihm nicht aufgefallen, wie schön der Anzug ist und wie gut er sitzt, weil er auf ein ganz anderes Bild geschaut hat, ein viel traurigeres.

Damals hat der Moni vor ihm gestanden, an seiner Hand die Aymée. Kein kleines Mädchen mehr, aber noch keine Frau. Die Schultern vom Moni haben gebebt, er stand gekrümmt, während die Aymée kerzengerade und aufrecht neben ihm ausgeharrt hat. Aber der Smokey hinter ihnen hat gesehen, wie schwer es ihr fällt, stehen zu bleiben, dass sie keinen Schritt machen darf, sonst mäht die Trauer sie um und den Moni gleich mit.

Und da hat der Smokey geflennt, aber richtig. Er hat um die Monique geweint und mit seinem Freund, der mit der Tochter dagestanden hat, vom Herrgott vergessen.

Und von der Monique verlassen.

Heute beim Schani kommen ihm keine Tränen, aber trotzdem tut’s ihm weh, dass nun einer von ihnen in der Grube liegt, er hat den Schani ja gemocht, das schon.

Trotz allem.

Viele haben ihn nicht gemocht. Weniger wegen dem, wie er war, als vielmehr wegen dem, womit er sein Geld verdient hat.

Komisch, überlegt der Smokey jetzt und verdrängt die Überlegung, ob sie dem Schani wohl seine Schlangenlederstiefel gelassen haben, und überhaupt, wer entschieden hat, was der Schani als letztes Gewand trägt, komisch eigentlich, wie großzügig der Schani in seinem Privatleben gewesen ist. Er hat immer einen ausgegeben, schon früher, als er noch seine Ausbildung gemacht hat. Was der für Runden geschmissen hat, zuerst im Diamond und später in Moni’s Eck. Und immer Gentleman, den Damen Sträußchen mitgebracht und Pralinen vom Dallmayr. Für den Moni und den Smokey eine Romeo y Julieta oder eine Montecristo und ein teures Flascherl hier und da.

Aber den Alten und den Familien, den Giesingern und denen, die nicht viel verdient haben, den Hahn abdrehen. Die Wohnung unterm Hintern wegziehen. Herausmodernisieren und umsetzen, luxussanieren und abreißen, größer und immer höher, ein richtiges Arschloch ist der Schani in seinem Job gewesen.

Deshalb steht hier außer dem Moni, der Aymée und ihm auch kein einziger wirklicher Freund.

Bei der Beerdigung von der Monique war der Ostfriedhof voll. Alle waren sie da, weil bei der Monique haben sich schon immer alle getroffen, ob es jetzt in der Kneipe war oder eben am Grab.

Die Monique hat das größte Herz von Giesing gehabt und das lauteste Lachen. Die dunkelste Haut und die verrücktesten Klamotten sowieso. Wo die Monique war, hat die Sonne von Haiti geleuchtet, sogar in die Tegernseer Landstraße, wo sonst nicht so viel so schön leuchtet, außer vielleicht die elektrischen Sterne von der Shisha Bar.

Besser er versucht, nicht daran zu denken, sagt sich der Smokey und konzentriert sich auf die Rede vom Pfarrer. Aber das gelingt ihm nicht, es gelingt ja dem Pfarrer selbst nicht, stattdessen schaut der Smokey sich ein bissl um.

Grüßt den Wolf, der mit seinen Leuten abseitssteht und zuschaut, wie das FBI auf einer Mafia-Beerdigung.

Beim Schani sind außer ihnen schon noch andere Leute auf der Beerdigung, aber eben nicht zu vergleichen mit der von der Monique. Kaum jemand, den der Smokey kennt, mehr Geschäftspartner, Familie hat der Schani nicht gehabt außer der Lizzy, und die haben sie lieber im Sankt Alfonsheim gelassen.

Spezln hat der Schani viele gehabt, aber keiner lässt sich heute blicken. Was ist denn mit dem Haslinger zum Beispiel?, denkt sich der Smokey. Der ehemalige Wirtschaftsreferent, mit dem hat der Schani ständig beim Franziskaner gehockt und Pläne gemacht, die haben immer die Köpfe zusammengesteckt.

Oder der Pollner, der reiche Erbe aus Berg am Starnberger See, der jedes Mal mit einem anderen Sportwagen gekommen ist.

Und natürlich der Willenbrodt von der Bank. Der kleine Kriecher, ein Arschgesicht vorm Herrn, wenn man den Smokey fragt.

Eine Woche bist du tot, und schon hast du keine Spezln mehr.

Nicht einmal einen Kranz oder Blumen haben sie geschickt, alles, was sich vorne auf dem Grab stapelt, sind die Kränze von den eigenen Firmen, die der Schani gehabt hat. Die Gerüstbaufirma, die Maklerfirma und die Hausverwaltung, die Prokura.

Jetzt denkt der Smokey gleich wieder an den Brief, den ihm die Frau Wiese noch gezeigt hat, bevor er gegangen ist. Von der Prokura.

Modernisierungsankündigung.

Ganz aus dem Häuschen war die Frau Wiese, weil sie das Schreiben nicht verstanden hat und weil wegen dem Schreiben der Herr Schmid zwei Stock über ihr mit seiner Tochter zum Mieterverein gegangen ist. Als er wieder daheim war, hat er einen Herzinfarkt bekommen.

Er braucht jetzt keine Umsetzwohnung mehr.

Die Frau Sattler, die rechts neben ihm wohnt, hat gesagt, eine Umsetzwohnung, nein danke, da geht sie gleich ins Heim in ihrem Alter.

Noch eine Umsetzwohnung weniger.

Umsetzwohnung? Ja, wohin wollen die sie denn umsetzen, hat die Frau Wiese den Smokey gefragt.

Einen alten Baum verpflanzt man doch nicht.

Er hat ihr versprochen, dass er sich drum kümmert, aber den Schani kann er nicht mehr fragen, wie er sich das denkt, die alten Leute aus ihren Häusern holen, mit ihren Vertikos und Anrichten und ihrem Eichendoppelbett, ihren Hummelpüppchen und Spitzendeckchen, Enkelfotos und dem guten Sonntagsgeschirr.

Aber er nimmt sich vor, einmal mit einem von der Prokura zu reden.

Bei einer Beerdigung passiert es ihm oft, dass er einen Vorsatz fasst, genau wie an Silvester steht er mit den Zehenspitzen vor einem Abgrund und schaut ins neue Jahr oder in die Grube, ohne zu wissen, was kommt.

Jetzt ist der Pfarrer fertig mit der Rede, und sie sind an der Reihe, dem Schani Lebewohl zu sagen.

Der Moni bleibt wie festgewachsen stehen, die Aymée trocknet sich die Tränen ab und schaut den Smokey an.

Also geht er. Schaut hinab auf den Sarg, der ganz schlicht ist, einfach nur ein Holzsarg ohne Schnickschnack. Nie und nimmer hätte der Schani sich so einen ausgesucht, hätte er noch mitreden dürfen.

»Servus«, sagt der Smokey, »Servus, Oida.«

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