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Die Sonne von Giesing

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1984

Dem Sepp graust es, wenn er den Drink anschaut, den die Monique extra für die Gabi gemixt hat. Die mag das, das blaue Zeug, Swimming Pool heißt das Gesöff, und die Gabi hat schon den zweiten ausgetrunken, es schmeckt ihr. Der Sepp schüttelt sich. Niemals würde er etwas trinken, das so eine unnatürliche Farbe hat, da leuchten die Farbstoffe aus dem Glas heraus, fluoreszierend, und er stellt sich vor, wie Speiseröhre und Magen seiner Frau von innen heraus blau erstrahlen.

Er bleibt beim Bier.

Das dritte, das der Hias ihm hinstellt, sonst trinkt der Sepp nicht so viel, aber heute wird gefeiert. Den Polizisten hat er daheim in den Schrank gehängt, das muss auch einmal sein, sonst nimmt er alles übergenau. So genau, dass die Gabi ihm ständig vorwirft, er sei nicht locker.

Heute Abend ist es anders, heute fühlt sich der Sepp leicht und so was von locker, vor allem wenn er den Hias anschaut, wie der hinter seiner Theke steht und zapft und strahlt.

Seit drei Monaten ist er wieder da, sein Freund, zehn Jahre war er vom Erdboden verschluckt. Er hat es wirklich wahr gemacht, was er im Theatron angekündigt hat: Er ist abgehauen. Von einem Tag auf den anderen, einfach weg. Zu Weihnachten hat er seinem Papa eine Karte geschrieben, die Karten hat der in seinem Getränkemarkt hinter die Kasse gehängt, damit alle sehen, wo sein Bub herumkommt. Türkei, Griechenland, Jordanien, Pakistan, Indien, Indonesien, Mexiko und schließlich Haiti. Haiti! Wahnsinn! Von Giesing. Der Sepp konnte es nicht fassen, wie der Hias das geschafft hat, ohne Beruf, ohne Geld und nur mit seinem Dialekt.

Aber dann war der Hias plötzlich wieder da und an seiner Seite die Monique.

Ein Wunder.

Aus freien Stücken sind sie nicht gekommen, das hat der Hias gleich klargestellt, weil überall ist es schöner als in der Tegernseer Landstraße. Aber sein Papa hatte einen Schlaganfall, und natürlich, der Hias ist ein guter Sohn, der hat seine Ehefrau eingepackt und den nächsten Flieger genommen.

Und über Giesing ist die Sonne aufgegangen, weil die Monique hat mit ihrem warmen Herzen alles zum Strahlen gebracht. Sie hat sofort den Papa Hinterkammer erobert und sich um ihn gekümmert, ihn im Rollstuhl durch Giesing geschoben, hinunter an die Isar, und wenn er gebrabbelt hat, dann hat sie gelacht und ihm die Spucke vom Mund gewischt.

Der Hias hat gleich den Getränkemarkt abgegeben, weil nichts ist freudloser, als wenn du einen Tag nur mit Plastikkisten und Flaschen verbringst, und hat die Boaz’n von der Wimmer Susi übernommen. Da war eh nichts mehr los, und die Susi wollte sich zur Ruhe setzen, die Brauerei hat dem Hias einen guten Preis gemacht. Der Schani hat ihm geholfen, die dunkle Eiche herauszureißen, und dann haben sie gemeinsam eine Einrichtung aus einer Bar in Südtirol geholt und eingebaut.

Moni’s Eck steht jetzt über dem Eingang und nicht mehr Tannenstuben.

Die Tische und Stühle sind noch die von der Wimmer Susi, der Tresen ist italienischer Chrom, aber die Zapfanlage von der Brauerei. Die Bänke sind aus dem alten Kino, die haben der Monique so gut gefallen, sie sind aus rotem Samt. Und über allem dreht sich eine riesige Discokugel aus dem Yellow Submarine, der Aquariumsdisco im Schwabylon, das es schon lang nicht mehr gibt. Ein Geschenk vom Schani, der sein Diamond auch mit dem Interieur aus dem Yellow Submarine bestückt hat.

Die Gabi legt dem Sepp jetzt die Hand auf den Oberschenkel und ihren Kopf auf seine Schulter, und zum Glück, dass sein Freund Hias wieder zurückgekommen ist, kommt ein doppeltes Glücksgefühl, weil er die Gabi gefunden hat. Er legt auch einen Arm um sie und schaut auf die Tanzfläche, wo die Monique sich zur Musik bewegt, so wie er noch nie eine Frau sich hat bewegen sehen, aber er geht ja auch nie tanzen.

»I’m your private dancer, a dancer for money«, singt die Tina Turner, die Monique dreht sich geschmeidig, breitet die Arme aus, das Gesicht zur Discokugel, sie umarmt den ganzen Raum, nimmt alle mit in ihren Groove und in ihr Glück, über und über besprenkelt vom Licht aus der Discokugel, eine Sternenqueen aus Haiti, die glitzernde Sonne von Giesing.

Betongold

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