Читать книгу Uriel - Tanya Carpenter - Страница 15
ОглавлениеKapitel 6
»Ich hasse Kinder!«, erklärte Prue mit Nachdruck und ließ sich stöhnend in einen der Sessel fallen.
Greco schmunzelte amüsiert. »Dieses Kind solltest du lernen zu lieben. Es ist unser Schlüssel zur Macht. Vor allem jetzt, wo wir Beth verloren haben.«
Die Antwort der Strigoi war ein abfälliges Schnauben. »Bedauerlicherweise. Aber wenn du mir mehr freie Hand gelassen hättest, wäre uns dieses Balg erspart geblieben. Und Beth sicher in unseren Händen.«
Er verkniff es sich, die Notwendigkeit dessen erneut zu erläutern. Sie hatten das alles schon so oft durchgesprochen. Die Mühen nahm man schließlich nicht ohne Grund in Kauf. Den Zorn einer Hexe auf sich zu ziehen, die an niemanden gebunden war. Auch wenn sie inzwischen tot war, sie konnte ihnen immer noch Ärger machen und ließ nichts unversucht, das auch zu tun. Er blieb auf der Hut.
»Ich hätte dieses Gör in der Mitte des Genfer Sees ertränken sollen, statt es zu retten«, schimpfte Prue weiter. Was seine Begleiterin störte, war eindeutig, dass dieses Kind keine Angst vor ihr hatte. Warum sollte es auch? Mit dem Blut, das durch seine Adern floss … Es musste solch ein Gefäß sein. Jedes andere würde bersten unter der Macht, die er dort hineinleiten wollte. Aber es war in der Tat nicht ganz unproblematisch, die Kleine gefügig zu halten. Nach den wenigen Stunden, die sie gemeinsam mit Beth verbracht hatte, entwickelte sie eine derartige Willensstärke …
Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie auch Beth behalten hätten, doch was dort am See geschehen war, warf ein völlig neues Licht auf alles. Eröffnete neue Möglichkeiten, über die er erst noch genauer nachdenken musste. Eines nach dem anderen. Jetzt galt erst einmal Heather seine Aufmerksamkeit.
»Tzetzetze!«, tadelte Greco seine Strigoi und hob drohend den Zeigefinger. »Vergiss nicht, wie wichtig sie für uns ist. Wo uns die hübsche Lieblingstochter von Onkel Samuel nun leider abhandengekommen ist.« Für Beth’ Tod würde noch jemand bluten, das stand fest. Sehr oft – und sehr lang. »Die Surferin bist du ja bald wieder los. Aber auch sie wird uns unserem Ziel näherbringen. Bald ist es so weit, und wir können uns auf den Weg machen. Es wäre schön, wenn wir dem dunklen Prinzen dann um eine Nasenlänge voraus wären.« Der Gedanke an Proud löste gemischte Gefühle in ihm aus. Er konnte nicht umhin, ihn zu bewundern, obwohl er ihn gleichzeitig hasste, weil er seinen Plänen im Weg stand. Er hatte sein Mädchen verloren, und dennoch gab er nicht auf, für das zu kämpfen, woran sie geglaubt hatte. Das, wofür sie stand. Er bewahrte ihr Erbe. Schon etwas, wofür er ihm Respekt zollte. Vor ein paar Monaten hätte er eher gedacht, dass Proud sofort wieder zum süßen Leben zurückkehren würde, dankbar seine Pflichten los zu sein. Entweder er hatte sich getäuscht, oder aber der kleine Halbengel hatte den dunklen McLean-Bruder mehr verändert, als sie alle vermutet hatten.
Ärgerlich schüttelte Greco den Kopf, um seinen Widersacher zu vertreiben. »Das bringt mich übrigens zum nächsten Punkt auf der Tagesordnung. Wir brauchen jemanden, der sich um die kleine Surferin kümmert. Sie ist noch nicht an einen Azrae gebunden«
Prue war anzusehen, was sie davon hielt. Sie mochte sich fügen, das bedeutete nicht, dass sie entzückt war.
»Sie hat noch kein Mal. Woher willst du wissen, dass sich die Mühe überhaupt lohnt?«
Er konnte darüber nur den Kopf schütteln. »So versessen wie sie auf das Wasser war? Es sollte schon mit dem Teufel zugehen, wenn sie dann urplötzlich ihre Verbundenheit zur Erde, dem Feuer oder dem Wind entdeckt.«
Sein eigenes Wortspiel amüsierte ihn. Mit dem Teufel zugehen … Apropos, wo sie gerade davon sprachen.
»Wir sollten nach unseren Gästen sehen. Du nach den Mädchen. Und ich … werde im Keller ein wenig für Zerstreuung sorgen.« Das würde ein Spaß werden. Danach kümmerte er sich um den passenden Gefährten für Kim. Er hatte da schon jemanden im Auge, der zumindest vielversprechend war. Sofern er sich ködern ließ.
»Ach, und bevor ich es vergesse. Kyle wird bald ein neues Elixier brauchen. Ich denke doch, du möchtest mir beweisen, dass du Lillith nicht unterlegen bist, nicht wahr?«
Prue verengte ob dieser Herausforderung ihre Augen wütend zu Schlitzen. Es war immer gut, wenn man einen gewissen Anreiz schaffen konnte.
»Perfekt! Ich sehe, ich kann wie immer auf dich zählen.«
»Lillith!« Samuel war sichtlich überrascht, sie zu sehen. Sofort blickte er hinter sie in die Dunkelheit, doch Lillith beruhigte ihn, dass sie allein war.
»Magnus ist nicht hier, er darf auch nicht erfahren, dass ich zu dir komme, denn worum ich dich bitten möchte, wird ihm nicht gefallen.«
Samuel runzelte die Stirn, bat sie jedoch herein. Lillith betrat das Haus mit gemischten Gefühlen. Ihre Gedanken weilten bei Malory … bis zu dem Moment, als sie den Salon betrat und Valerie mit dem Mädchen dort sitzen sah. Ihre Augen weiteten sich vor Verblüffung. Sie blieb im Türrahmen stehen und wandte sich fragend Sam zu, der ihr lächelnd folgte.
»Du hast es nicht erwartet, wie ich sehe.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Es war Valeries Idee, und ich denke, es ist gut so.«
Sie sah die Wärme in seinem Blick und musste schlucken. Sein Herz wusste längst, was sein Verstand noch nicht begriffen hatte. Doch es war nicht an ihr, ihn darauf hinzuweisen. Er würde es früh genug erkennen. Jetzt galt es, Beth zu helfen. Prouds Bitterkeit berührte sie sehr, denn es war nicht die Wut auf sie oder der Spott, weil sie versagt hatte. Es war seine Sorge und Angst um die Frau, die er liebte. Die Furcht, ihr mehr geschadet als genutzt zu haben. So war es nicht. Das würde er bald schon erfahren.
»Können wir ungestört reden?«, fragte Lillith und wandte Valerie und Malory wieder den Rücken zu, ohne die beiden auch nur begrüßt zu haben. Das mochte unhöflich sein, was nicht in ihrer Absicht lag, doch die Zeit drängte.
Sam runzelte erneut die Stirn, diesmal ernsthaft besorgt, da der Ton in ihrer Stimme die Dringlichkeit verdeutlichte.
»Sicher. Komm mit.«
Sie verließen die beiden Frauen, wobei Lillith noch einmal prüfend auf den Bauch der jungen Nephilim blickte. Sie lauschte. Der Herzschlag des Kindes war ruhig und gleichmäßig. Es ruhte. Es nahm sich Zeit. Das war gut. Mehr Zeit blieb ihr nicht, sich um Malory zu kümmern. Später! Beth kam zuerst.
Nachdem Sam die Tür zu seinem privaten Büro hinter ihnen geschlossen hatte, kam sie gleich zur Sache.
»Du musst deinen Verbündeten kontaktieren, Sam.«
Er zuckte kaum merklich zusammen. »Was meinst du damit?«
Seine Vorsicht in Ehren, aber sie hatten keine Zeit für Rätselraten. Ihm war der Ernst der Lage nicht bewusst.
»Ich weiß es schon lange, Samuel. Und ich habe geschwiegen. Das muss dir fürs Erste genügen, um zu zeigen, wo meine Loyalität liegt.«
Er blieb misstrauisch, begann jedoch bereits, darüber nachzudenken, ob er die Maske fallenlassen durfte. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass sie ihn in eine Falle lockte, weil Magnus ihn auf die Probe stellte. Einen Verdacht zu erhärten suchte. Erst recht, wo er gerade erst mit Proud über Dinge gesprochen hatte, die nicht hätten gesagt werden dürfen. Sie wusste davon, Magnus nicht und das sollte auch so bleiben, daher sagte sie nichts darüber. Aber Sam würde sich nie völlig sicher sein können, ob der Uriel nicht doch etwas mitbekommen hatte und dies hier ein Test war, egal, was sie sagte. Er musste ihr vertrauen, das lag allein bei Sam.
»Logan hat mich gebeten, Beth bei der Wandlung zu helfen. Ich habe es mit einem Ritual versucht, doch ich bin bedauerlicherweise nicht stark genug. Ich erreiche Beth nicht. Nur ein Seraphim kann deine Tochter dort finden. Wenn sie zu lange im Urmeer bleibt, weißt du, was mit ihrer Seele geschieht. Das hätte Deborah nicht gewollt. Das hätte auch Savannah nicht gewollt.«
Sie sah seinen Adamsapfel zucken, als er schluckte. Furcht legte sich auf seinen Blick. Sie galt nicht ihr oder dem Wissen um sein Geheimnis, sondern den Racheengeln selbst.
»Ich paktiere nicht mehr mit den Seraphim«, erklärte er fest, doch das Beben in seiner Stimme war verräterisch.
Lillith trat näher an ihn heran, beugte sich zu ihm, was einer Bedrohung nahekommen musste, obwohl sie nichts dergleichen im Sinn hatte.
»Nein, du paktierst nicht mit ihnen.« Erleichterung wollte sich schon auf seine Züge schleichen, dass sie doch bloß gepokert und er nicht darauf hereingefallen war. Dies konnte sie ihm bedauerlicherweise nicht gönnen. »Du paktierst nur mit der einen. Ravenna.«
Der Name kam als heiserer Hauch über ihre Lippen. Wie Wind in der Nacht, der durch die Wipfel der Bäume streift und sie von fast vergessenen Geheimnissen wispern lässt. Sam wurde bleich und starr. Seine Lippen waren nur noch ein schmaler Strich und die Fingerknöchel traten weiß hervor. Er schwitzte, was selten für einen der seinen war. In die Enge getrieben, sah er all seine Pläne und Hoffnungen dahinschwinden.
»Er weiß nichts davon«, raunte sie mit Bedacht. »Wenn das so bleiben soll, hole deine Vertraute her.«
»Magnus wird merken, wenn …«
»Magnus wird blind sein«, fiel sie ihm ins Wort. »Weil ich ihn blende. Sag mir nur, wann Ravenna erscheint. Ich verschaffe euch zwei Stunden, in denen Magnus’ Sinne ihm nicht dienen. Das muss genügen.« Ihr lief schon ein Schauder über den Rücken, wenn sie daran dachte, was es sie kosten würde, ihren Uriel mit einem Schleier zu belegen. Aber es gab keinen anderen Weg. »Beth muss erwachen. Schnell! Die Zeit rennt uns allen davon, ich habe es gesehen. Wir können nicht warten – und wir können nicht riskieren, sie zu verlieren.«
Sie wusste, das wollte Sam ebenfalls nicht. Beth war sein Ein und Alles, immer schon gewesen. Kaum weniger als Scyla. Lillith hatte seine eine Tochter nicht beschützen können, bei Beth wollte sie diesen Fehler nicht wiederholen, auch wenn Magnus sie dafür würde brennen lassen.
Mit keinem Wort hatte Sam gesagt oder durch irgendeine Handlung gezeigt, was er von Beth’ Wandlung in einen Azrae hielt. Das allein sagte Lillith, dass er froh darüber war. Sie wusste warum. Die Gründe waren ähnliche wie bei Magnus, nur der Antrieb dafür war ehrenvoller. Sam hätte abgewartet. Er vertraute Beth, er vertraute Proud. Mehr als dieser ahnte. Sie wünschte, der hitzige McLean-Sprößling würde es dem Grigori nicht so schwermachen. Gemeinsam standen ihre Chancen gut, allen Seiten erfolgreich die Stirn zu bieten, doch Proud war noch nicht so weit. Vielleicht würde Beth das Bindeglied sein. Das galt es abzuwarten. Es konnte aber auch helfen, wenn Sam den ersten Schritt tat.
»Vielleicht solltest du auch das Bündnis mit Proud festigen. Er verdient dein Vertrauen, und es wäre gut, wenn er es erwidert. Ihr braucht einander.«
»Du verlangst eine Menge.«
»Ich verlange nichts, Sam. Nicht für mich. Glaub’ es oder lass es. Dein Herz wird dir sagen, was du tun sollst. Ich kann dir nur einen Rat geben.«
Sie erhob sich und blickte voller Mitleid auf Sam herab. Das alles war nicht leicht für ihn, auch wenn er diesen Weg vor langer Zeit selbst gewählt hatte.
»Rede mit Proud. Und bitte Ravenna um ihre Hilfe. Zwei Stunden auf dein Geheiß. Nutze sie. Das bist du ihr schuldig.«
Ob sie damit Beth oder Deborah meinte, ließ sie offen. Sie war sicher, Sam verstand es auch so.
»Lillith!«, rief er aus, als sie bereits an der Tür war. Sie blieb stehen, drehte sich langsam um.
Samuels Hände zitterten, seine Augen waren voller Schatten, die ihn trieben. Alte Dämonen, neue Ängste.
»Schwör mir, dass Magnus niemals Macht über meine Tochter haben wird.«
Lillith schluckte. Für einen Moment war sie nicht sicher, was genau er damit meinte, wie viel er bereits wusste.
»Über keine deiner Töchter«, antwortete sie. »Nicht mehr. Nicht, so lange ich es verhindern kann.«