Читать книгу Fabeln und Parabeln - Tatjana Sindeeva-Burova - Страница 5

Zwei Regenwürmer

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Im nassen Boden und in der ewigen Dunkelheit schlossen zwei

Regenwürmer eines Tages eine Wette ab… sie entschieden sich,

einen Marathon zu laufen…

Wo? Auf der Erdoberfläche! Wenn schon laufen, dann richtig!

So krochen unsere Sportler heraus… riefen aus und liefen los!

So liefen, krochen sie, der Eine nach dem Anderen, bis zu dem

Blumenbeet, bis zur Ziellinie!

Etwa fünfzehn Minuten waren vergangen… es gab aber kein Ende,

nicht mal die Mitte hatten sie erreicht, der Weg ging nicht zu

Ende, die Regenwürmer verloren ihre Kräfte, und die Sonne

schien… vom ganzen Herzen…

So sagte ein Regenwurm dem anderen: «Hör zu, mein Freund, was

für ein Dummkopf bin ich!

Ich habe vergessen, dass ich kein Licht mag… es ist so heiß, die

Kräfte gehen mir aus!

Vielleicht sollen wir zurückkehren, solange wir noch können?»

«Du bist ein Schwächling! Das sage ich dir ehrlich, mein Freund!

Du hast die Wette angenommen, so tue es! Heule nicht, schau

mich an, denn ich laufe doch!

Ich werde erster sein, das musst du wissen, schon wieder! Das ist ja

nicht zum ersten Mal!»

Und sich beschleunigend zeigte er dem Freund seine Fähigkeiten…

Plötzlich sah er ein Hindernis… Woher denn plötzlich? Es war

doch alles sauber!

Der Weg war für den Marathon frei! Der Regenwurm richtete den

Kopf in die Höhe… Im Nu.. flog er schon im Himmel… Vor

Kopfschwäche, Kraftverlust und Hitze dachte der Regenwurm

plötzlich… er hatte Flügel, er war am Ziel, er war ein Stern!

Der Andere… der auf dem Boden geblieben war, beobachtete diese

Szene von unten, er sah eine schwarze Krähe und, dass sie seinen

Freund mitgenommen hatte, er flog schon in den Wolken.

Aus Leid krampfte sich seine Kehle angstvoll zusammen… Wo

sollte er laufen? Man sah keine Kanten, wo Start und wo Ziel

waren – man sah nichts, die Sonne schien und brannte heiß…


Der Regenwurm kroch niedergeschlagen weiter… Wie kam man

ohne dem zurecht, der eine treibende Kraft gewesen war?

Der dir immer im Leben einen Stoß gegeben hatte, wohin sollte

ich kriechen, wenn ich kein Leiter war?

Der Regenwurm seufzte, die Tränen liefen, er verlor die Kräfte…

den Glauben an das Leben…

Und die Sonne schonte nicht… sie liebte alles Irdische

leidenschaftlich, heiß,

und unser Sportler… hielt die Belastung und die

Schicksalsschwierigkeiten nicht aus…


Wir schaffen die Idole für uns selbst, wir eifern ihnen nach…

Wir leben mit dem fremden Kopf auf unseren Schultern… und

haben manchmal kein eigenes Gehirn…

Irgendwann kommt der Tag… der Leiter verschwindet, verduftet

auf einmal…

Wird das Licht im Fenster erlöschen? Gehst du ihm dann ins

Verderben hinterher?

2017


Fabeln und Parabeln

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