Читать книгу Fabeln und Parabeln - Tatjana Sindeeva-Burova - Страница 7
Der Löwe, der Elch und der Rabe
ОглавлениеEinmal lud ein Elch einen Löwen und einen Raben zu seinem
Geburtstag ein…
Der Elch deckte den Tisch und wartete gut gelaunt auf die Gäste…
Da kam der Rabe, ihm folgte der Löwe, sie setzten sich an den
Tisch…
Der Elch bewirtete die Gäste mit einem Mittagessen, die
Diätgerichte lobpreisend: «Und das ist hier ein Braten aus
Feldgras, das unter der Sonne gewachsen ist.
Er tut den Gefäßen und dem Herzen gut… Er enthält viel Vitamin
C und D…
Hier steht das dampfgekochte Heu, ich habe es vom letzten Herbst
noch aufbewahrt für so einen besonderen Fall. Oh, das ist eine
Quelle der Mineralien, und was am wichtigsten ist – des
pflanzlichen Eiweißes. Ich esse es für die Unterstützung des
Muskel- und Körperausbaus, und danach… laufe ich wie verrückt
durch den Wald! Hier ist ein Salat aus Pusteblumen, hier gibt es
Spinat, gekeimte Samen. Greift zu, meine Herrschaften!»
Der Löwe schaute den Raben an, der Rabe schaute den Löwen an,
die beide sahen den Elch an…
Der Löwe fing die Rede an: «Hör zu, Elch. Ich habe weder Heu noch
Stroh von Kindheit an gegessen!
Auf den Pusteblumen schlafe ich manchmal nur, gekeimte Samen?
Da hast du wohl einen Scherz gemacht!»
«Du bist ein Scherzkeks, Elch… – fügte der Rabe hinzu. – Nun ja,
ich picke mal einen Samen. Aber das dampfgekochte Heu, bitte
ohne mich, das habe ich, wie der Löwe, seit Kindheit an schon
nicht gegessen!»
Unser Geburtstagskind wurde traurig: «Meine lieben Gäste! Was ist
denn hier falsch?
Das ist doch alles so gesund! Und die Vegane sind heute in! Ich
habe mir so viel Mühe gegeben, meine Gäste zum Staunen zu
bringen. Alle Gerichte sind von reinem Nutzen, für die
Verlängerung des Lebens und für die Gesundheit! Zum Beispiel,
was isst du, Rabe? Du isst das Aas! Du sammelst alles, was du
siehst, den Abtrag und den Ekel! Und du, Löwe, ich bitte dich, ich
habe es doch gut gemeint. Das Wertvollste habe ich meinem
adligen Gast serviert! Da gibt es so viel Protein – so viel Kraft!»
Der Rabe konnte es nicht aushalten: «Ich bitte dich, Elch! Was
erzählst du über das Leben und die Gesundheit? Und wie nennst
du mein Essen? Ich ernähre mich seit 300 Jahren damit, was dir
nicht schmeckt, und schau mal, ich lebe noch, ich fliege!»
Der Löwe ergänzte dazu: «Ich bin mit meinem Bruder, dem Raben,
einverstanden! Elch, ich verstehe nicht, hast du uns hier
versammelt, um deinen Geburtstag zu feiern oder um einen
Vortrag über die Ernährung zu halten? Mein ganzes Leben esse ich
Fleisch und werde es weiter essen! Und durch den Wald zu laufen,
wie ein Elch, ist für mich nicht sehr verlockend! Ich bin ein Löwe,
als Löwe geboren und werde als Löwe sterben, wo gibt’s denn
so was, dass ein Löwe das Heu isst! Entschuldige uns, Freund, der
Rabe und ich gehen jetzt, ich denke, das gute Mittagessen wird bei
uns nicht klappen. Komm, mein Freund, Rabe… bis wir uns wegen
unterschiedlichem Geschmack nicht gestritten haben!»
Die Natur hat jedem von uns seinen eigenen Geschmack
geschenkt… eine eigene Vorherbestimmung…
Wir müssen lernen weise zu werden… die Eigenschaften der
Anderen zu berücksichtigen…
2017