Читать книгу Schwimmen für alle - Terry Laughlin - Страница 5

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EINLEITUNG

Alle können gut schwimmen – auch Sie!

Als ich im Juni 1989 mit sechs erwachsenen Teilnehmern mein erstes Schwimmcamp unter dem Motto »Total Immersion« leitete, hatte ich sehr bescheidene Ziele: Ich wollte einfach jeden Sommer ein paar Wochen lang das machen, was mir am Job des Schwimmtrainers am besten gefiel – nämlich Schwimmern die richtige Technik beibringen. Ich widmete mich Erwachsenen, da diese normalerweise weniger Möglichkeiten als jüngere Schwimmer haben, ein professionelles Schwimmcoaching zu erhalten.

Dabei stellte ich fest, dass Erwachsene andere Schwierigkeiten mit dem Lernen haben, als ich es von jüngeren Schwimmern gewohnt war. Jugendliche schienen sich die Fertigkeiten spontan anzueignen – sogar, wenn sie meinen Anweisungen kaum Beachtung schenkten. Die Erwachsenen hingegen sind zwar in der Regel sehr viel motivierter bei der Sache, aber trotz ihrer Entschlossenheit haben sie oft mit denselben Problemen zu kämpfen. Dazu zählen insbesondere:

über Jahrzehnte eingeschliffene, ineffiziente Bewegungsabläufe,
Unwohlsein im Wasser, das von einfachem Unbehagen bis hin zu tief verwurzelter Angst vor dem Wasser reichen kann,
steife Gelenke und erschlaffte Muskulatur,
durch jahrzehntelange Vernachlässigung verloren gegangene Fertigkeiten,
ein Mangel an kinästhetischer Wahrnehmungsfähigkeit (Bewegungsempfindung).

Rückblickend erwies sich meine Wahl, Erwachsene zu unterrichten, als ein Glücksfall. Die TI-Schwimmcamps und -kurse wurden zu einem »Versuchslabor«, in dem ich lernte, zu verstehen, mit welchen Herausforderungen praktisch alle von uns zu kämpfen haben, wenn wir lernen wollen, besser zu schwimmen. Zum einen ist Schwimmen offenkundig eine Fähigkeit, auf welche uns die Evolution denkbar schlecht vorbereitet hat. Aber obwohl die Probleme mit dem Erlernen des Schwimmens infolgedessen weit verbreitet sind, hat es sich zum anderen glücklicherweise auch gezeigt, dass es relativ einfache Ansätze und Lösungen gibt, um diese Herausforderungen zu meistern.

Wichtige Hinweise für einige dieser Lösungen entdeckte ich bei den wenigen glücklichen Eliteschwimmern, die sich im Wasser instinktiv mit müheloser Eleganz bewegen. Bereits seit meinen Jugendjahren schaute ich mit einer Mischung aus Neid und Interesse auf die Weltklasseschwimmer, bis mir klar wurde, dass mir deren physische Talente fehlten. In der Zeit, in der ich noch Jugend- und College-Teams trainierte, versuchte ich herauszufinden, welche Aspekte und Fähigkeiten »gelernt« werden könnten. Gab es etwa Bewegungselemente bei Eliteschwimmern, die jeder Schwimmer kopieren konnte? Obwohl wir nicht unbedingt hoffen durften, ihren großen, kräftigen und geschmeidigen Körperbau oder ihre übermenschliche aerobe Kapazität zu erreichen, gab es vielleicht Bewegungsabläufe, die wir ihnen abschauen konnten. Ich versuchte, diese herauszudestillieren und daraus Übungen zu entwickeln, die auch ein durchschnittlicher Schwimmer (wie ich) mit der entsprechenden Anleitung erlernen konnte.

Beim Arbeiten mit Erwachsenen, die spät zum Schwimmen gekommen waren, wurde mir klar, dass unsere grundlegenden, instinktiven Vorstellungen vom Schwimmen – die Art und Weise, wie wir glauben, am besten atmen, mit den Armen ziehen, mit den Beinen kicken oder uns im Wasser halten zu müssen – es uns eigentlich schwerer machen, gut zu schwimmen. Konsequent weitergedacht heißt dies, dass jene Änderungen der Schwimmtechnik, die unser Wohlbefinden im Wasser, die Leichtigkeit der Bewegung und die Schwimmeffizienz am effektivsten erhöhen, unserer Intuition widersprechen. Mit anderen Worten: Das meiste, was wir über das Schwimmen zu wissen glauben, ist falsch.

Das fundamentalste Missverständnis besteht in der weitverbreiteten Vorstellung, dass es beim Schwimmen primär um Fitness gehe und dass wir nur besser werden könnten, wenn wir längere Distanzen zurücklegen und intensiver trainieren. Meine Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass sich Schwimmer am meisten verbesserten, wenn sie ihr Gehirn trainierten und nicht ihr Herz, ihre Lungen oder ihre Muskeln.

Für diesen Ansatz spricht, dass man seine aerobe Kapazität auch verbessern kann, wenn man die Zeit im Wasser vornehmlich damit verbringt, an seinem Schwimmstil zu arbeiten. Wenn man sich dagegen beim Schwimmen immer nur auf die Trainingsdistanz, eine bestimmte zu erreichende Herzfrequenz oder auf die Stoppuhr konzentriert, kann man nicht gewährleisten, dass gleichzeitig auch das Nervensystem mit der nötigen Qualität trainiert wird. Man erreicht höchstens, dass sich ineffiziente Bewegungen weiter verfestigen.

Das ruhige und stete Üben mit dem Fokus auf jeweils ein ganz bestimmtes Element der Schwimmtechnik – zum Beispiel auf die gerade Ausrichtung von Kopf und Wirbelsäule – verleiht jedem Training zudem einen klaren Sinn und Zweck, und am Ende des Trainings hat man stets das befriedigende Gefühl, eine wichtige Fertigkeit verbessert zu haben. Ganz anders ist es beim häufig zu beobachtenden »Kachelnzählen«, wo Schwimmer üblicherweise mit großer Eintönigkeit zu kämpfen haben, wenn sie sich im Training abmühen wie ein Hamster im Laufrad.

Weiterhin ist zu bedenken, dass unsere aerobe Kapazität üblicherweise im Alter zwischen 30 und 40 Jahren ihren Höhepunkt erreicht. Das heißt: Wenn man älter wird, kann man sich als Schwimmer irgendwann nur noch steigern, indem man an seinem Stil und seiner Technik arbeitet. Das Schöne dabei ist, dass man seinen Schwimmstil auch bis ins hohe Alter hinein immer noch erfolgreich verbessern kann.

Die Fähigkeit der Selbstwahrnehmung und das Bewusstsein dafür, auf eine Art zu trainieren, die für Körper, Verstand und Geist gut ist, sollten von Jahrzehnt zu Jahrzehnt zunehmen – insbesondere, wenn man sein Training darauf abstimmt, genau diese Qualitäten zu verbessern. Im Gegensatz zu Landsportarten, bei denen man über die Steigerung von Kraft und Fitness besser wird, ist es im Wasser viel wichtiger, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man mit dem Wasser arbeitet, anstatt gegen das Wasser zu kämpfen.

Wenn Sie glauben, dass es Ihnen an Jugend, Kraft oder sportlicher Gewandtheit fehlt, oder wenn Sie denken, einfach nicht fürs Schwimmen »geboren« zu sein, sollten Sie sich den folgenden Sachverhalt vor Augen führen: Ökonomisch und effizient zu schwimmen, erfordert fraglos Qualitäten, die viel schwieriger zu erlernen sind, als es bei Landsportarten der Fall ist. Aber wenn man es richtig anstellt und Geduld hat, sind auch diese Dinge letztlich von jedermann zu erlernen, ohne dass man von Natur aus bestimmte Grundvoraussetzungen mitbringen müsste. Und wenn es so weit ist, sind es genau diese Fertigkeiten, die einem Schwimmer zu außerordentlicher Leichtigkeit, Geschmeidigkeit und Befriedigung im Wasser verhelfen. Mit anderen Worten: Wir alle können lernen, richtig gut zu schwimmen. Auch Sie.

Ein technikorientiertes Schwimmtraining, wie es Ihnen dieses Buch ans Herz legt, kann auch den Stil von erfahrenen und gestandenen Schwimmern nochmals deutlich auffrischen oder sogar grundlegend erneuern und verbessern. Wer aus Gründen der Gesundheit und Fitness schwimmt, kann mit Hilfe der folgenden Kapitel lernen, jede Minute im Wasser optimal zu nutzen. Aber auch Schwimmer, denen vor allem daran gelegen ist, ihre Zeiten zu verbessern, werden aus der Lektüre dieses Buches bestimmt viele nützliche Hinweise und neue Einsichten mitnehmen.

Mein Anspruch ist es, aus jedem Leser gewissermaßen einen »Experten« für effizientes Schwimmen zu machen, der verstanden und verinnerlicht hat, wie sich der menschliche Körper im Wasser verhält und wie man dieses Wissen nutzen kann, um besser zu schwimmen, als man es sich je erträumt hatte. Die Erkenntnisse und Anleitungen, die ich in diesem Buch mit Ihnen teilen möchte, haben ich und meine Kollegen in Tausenden von Trainingsstunden mit Schwimmern, die ebenfalls ihren Stil verbessern wollten, erarbeitet – und wir haben auch selbst unzählige Stunden mit den vorgestellten Übungen zugebracht. In den letzten Jahren haben überall auf der Welt Dutzende von Trainern angefangen, die TI-Methode in ihren Vereinen, an Universitäten oder in Masters-Teams anzuwenden und ihre Erfahrungen miteinander auszutauschen.

Schließlich sind in dieses Buch auch die praktischen Hinweise und Erkenntnisse von zahllosen Schwimmern eingeflossen, die Total Immersion über Bücher, Videos oder Workshops kennengelernt und ihre Erfahrungen im Diskussionsforum auf der TI-Website ausgetauscht haben. So viele Menschen haben dankenswerterweise mit ihren Einsichten zu diesem Buch beigetragen. Bereits heute gibt es in vielen Ländern rund um den Globus eine kleine, aber engagierte Gemeinde begeisterter TI-Schwimmer: eine »Avantgarde«, die sich daran erfreut, mit klarem Fokus auf Geist und Technik besser schwimmen zu lernen und anhaltende Freude am (Lagen-)Schwimmen zu haben. Ich hoffe, dass sich ihnen in den kommenden Jahren noch viele weitere Menschen anschließen werden.

Dieses Buch gliedert sich in vier Teile:

Teil I mit den Kapiteln 1 bis 3 untersucht die allgemeinen Schwierigkeiten, mit denen alle Menschen beim Schwimmen zu kämpfen haben, und führt aus, wie diese erfolgreich bewältigt werden können.

Teil II mit den Kapiteln 4 bis 10 vermittelt die Prinzipien des effizienten Schwimmens. Hier wird erklärt, wie sich der menschliche Körper im Wasser verhält und wie man dieses Wissen nutzen kann, um besser zu schwimmen.

Teil III enthält spezifische Kapitel zu allen vier Lagen (Brust, Rücken, Schmetterling und Freistil). Hier wird erklärt, was man über jede Lage wissen muss, und es wird gezeigt, mit welchen Übungen man die entsprechenden Fertigkeiten erlernen kann.

Teil IV zum Training nach den Prinzipien von Total Immersion erklärt, wie man trainieren muss, um die Lagen effizient und konsistent zu beherrschen.

Wenn Sie wollen, können Sie die ersten Kapitel zunächst überblättern und gleich mit Teil III beginnen, um anhand der Anleitungen zu den vier Lagen Ihre Trainingszeit im Schwimmbad zu planen, und den Rest des Buches dann in Ihrer Freizeit lesen. Oder Sie arbeiten das Buch in aller Ruhe von vorne bis hinten durch. Wie immer Sie es auch angehen: Ich verspreche Ihnen, dass Sie nach der Lektüre dieses Buches viel mehr Spaß am Schwimmen haben werden.

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