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ALBINO

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Archill schüttelte das lange, pechschwarze Haar.

Dorian, dachte er, altes Haus. In den Armen deiner ebenholznen Schönheit, vollgesogen mit Schmerz. Leih mir ein wenig Balsam! Hilf mir aus mit ein paar von deinen Versen!

Und er deklamierte, halblaut, murmelnd hinaus in die kobaltblaue Schwärze der Nacht die Verse des Bruders, den er verloren hatte. Verse für die dunkle Schöne, die der Bruder mehr geliebt hatte als sein Leben und deren Brüste klein und fest und warm waren und die Geschichten erzählen konnte, die kein Mann verstand:

Am Mond schliefst du,

An seiner dunklen Seite,

Geschmiegt in deine Spur,

So fand ich dich.

Er war sehr ruhig und sah den Worten nach, wie sie in den Nebelschwaden verschwanden.

„Nun, Vogel, was sagst du dazu?“

Das Käuzchen schwieg, eingeschüchtert vom großen Vogelbruder, seiner Stimme voll Inbrunst und Trauer und Einsamkeit.

Archill nahm die Sonnenbrille ab, rief die Kiefern des verwilderten Parks an mit ausladender Armbewegung.

„Meine Augen, sehet sie euch an! Sie sind von strahlendstem Blau. Es braucht einen Dichter ihre Bläue zu beschreiben.“

Er lachte, denn das wusste er, dass sein Blick voll Bläue all die Mädchen in seinen Bann zog - und manche der Jungen auch. Und er war ihrer müd, der Augen, der Bläue, der Mädchen. Er hielt inne, sah hinab auf seine Schuhspitzen und änderte seinen Plan, der keiner war. Er wollte noch verweilen. Er sah hinauf. Mondsichelnacht.

Wer barg sich in deiner Schwärze, Mondkauz, alter Nachtzwerg? Wollte sie, die eine, kommen? Tauchen aus der Schwärze, gelb bezackt? War sie da? Die seine, die Besucherin? Er sah in den Nachthimmel. Sog kühle Nachtluft ein. - Ja. Ja, da war sie.

Sie enttäuschte ihn nicht. Sie zog eine Bahn im Mondlicht, eine vollkommene Bahn. Du bist ein eitles Ding, dachte Archill, aber die Bahnen, die du ziehst sind makellos. Er langte in seine Jackentasche, holte eine Handvoll Samen heraus, tropfenförmige Körner, die an Tränen gemahnten, Tränen, aus denen Getreide wachsen würde, Halme, die Ähren tragen würden, und hielt sie vor sich hin.

Und da war sie, stieß herab, die schwarze Taube, die Freundin, Tochter der Nacht, die Einzige mit pechschwarzem Gefieder. Bläue bei sich tragend, die das gezackte Mondlicht erblassen ließ. Alle anderen ihrer Art waren hell oder gefleckt. Nur sie nicht. Ein ins Gegenteil gewendeter Albino. Kein Positivabzug, nein, das Negativ eines Albinos. Sie zog eine letzte Bahn, flatterte heran, setzte sich auf die Willkommensbeuge, die er aus seinen Fingern gewölbt hatte, um sie zu empfangen, sah ihn nicht an und begann die Körner aus seiner Handfläche zu picken. Bedächtig, behutsam, langsam. Ein Korn nach dem anderen und immer nur eines zurzeit. Sie war eine Dame, sie wollte nicht gierig erscheinen. Sie neckte ihn mit dem Schnabel. Er sah ihr zu. Schwarzalbino, Mondnacht besonnt, wenn dich dein Bräutigam freit, wie werden eure Kinder aussehen?

Mit der Fingerkuppe strich er über ihren Kopf, der war weich und warm und zerbrechlich. Sie ließ es sich gefallen, hob nur dann und wann den Schnabel, hielt inne, den Kopf majestätisch erhoben, so dass er wusste, dass sie ihm hiermit eine Gunst erwies. Sie drehte sich zu ihm hin, ein letztes Tränenkorn im Schnabel, nickte ihm zu, schluckte, gurrte, senkte den Kopf, hielt inne - und flog davon.

Und wie jedes Mal war ihr Abschiedsblick eine Mischung aus würdevoller, dezenter, damenhafter Dankbarkeit und Verwunderung, ob dieses großen schwarzen Vogels ohne Gefieder und Schnabel und Flügel und Krallen, der er war und der ihr Futter bot aus seiner seltsamen, krallenlosen Hand. Archill sah ihr nach; sie schenkte ihm eine letzte makellose Ellipse, geschwungen vor dem Gelblicht des Mondes und entschwand in die Schwärze, die ihre Heimat war.

Vampire Blues 1

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