Читать книгу Die spinnen, die Deutschen - Thomas Baumann - Страница 11
Kampf der Tragedy-Welle
ОглавлениеUm es vorwegzunehmen: Los Alemanes, die Teutonen, die Liegestuhlreservierer und Warmduscher sind alles andere als humorlos. Nur ist unser Humor eng verknüpft mit dem Örtchen Calau in der Niederlausitz, das uns zwingt, zu kalauern, was, dies sei hier ein für alle Mal korrigiert, nicht für den schlechten Witz an sich steht, sondern für das Wortspiel.
Wie in anderen Kulturbereichen auch trauen sich deutsche Macher selten, ihre Erzeugnisse schon in der Planungsphase auf den Export auszurichten. Fernsehproduzenten lassen Comedy-Serien drehen, die mit einem Viertel so großen Budget und einem Zehntel des Produktionspersonals US-Serien von vor fünf Jahren kopieren.
"Sex and the City" fand sich unter anderem wieder in der deutschen Missgeburt "Alles außer Sex", wo sich die Hauptfiguren-Freundinnen mit den Vornamen Minza, Eddi, Frenzy und Valerie regelmäßig in einem Waschsalon treffen, der von einer Tunte geführt wird. Weil’s urban ist. Weil’s chic ist. Trendy, cool und kultig. Irgendwie. Dass es in der ProSieben-Serie "Alles außer Sex" gerade ständig um Sex geht, ist freilich eine oberfunky Idee, denn "Alles Sex" klänge zugegebenermaßen zu offen prolo.
Harald Schmidt hat oft erzählt, bei welchen Late-Night-Talkern er schon geliehen hat. Anke Engelkes "Ladykracher" ist ganz legal von "Smack the Pony" stibitzt, und die Urmutter "RTL Samstag Nacht" ließ als erste Amtshandlung gar systematisch ein Geklaute-Gags-Archiv erstellen. Man darf sich wundern, wie selbstverständlich in der Unterhaltungsindustrie gestohlen, geliehen, abgekupfert und geräubert wird – bis hin zu Fällen, in denen die Kopie einer US-Show vor der offiziell lizenzierten auf Sendung ist –, aber in anderen Bereichen der deutschen Wirtschaft jammert man lauthals über die Missachtung von Patenten durch chinesische Unternehmen.
Der Spaßbedarf bei Ihnen und mir und den Nachbarn neben und hinter Ihnen und mir ist groß. An einem zufällig ausgewählten Freitagabend kann man sich im deutschen Fernsehen bespaßen lassen von: Seitensprung ins Glück, Blond am Freitag, Alles Atze, Schillerstraße, Deutschland ist schön, Die dreisten Drei, Paare, Die Gong-Show, Bewegte Männer, Ready to Rumble, Upps! Die Pannenshow, Geena Davis, Kate Fox & die Liebe, Bei Krömers, Königlich Bayrisches Amtsgericht, Die Komiker, Kabarett aus Franken, Harald Schmidt, Olsenbande Junior, Bravo Bernd, Katzekratz, South Park sowie den Vollzeitsendern Comedy Central und Sat.1 Comedy. Und da heißt es, die Deutschen seien humorlos?
♦8♦ This is not a love song (Ceci n’est pas une pipe) oder: Döner frei!
Doch es gibt ja mehr als Fernsehen. Einen Nenner finden alte und junge Ost- und Westdeutsche beiderlei Geschlechts in Loriot. Er sei so englisch, heißt es. Er habe so einen feinsinnigen, hintersinnigen Humor. Wie englisch Vicco von Bülows Späße sind, lässt sich daran ablesen, wie viele seiner Fernsehsketche, Cartoonbücher und Filme ins Englische übersetzt wurden. Null. Einfach null.
Aber hintersinnig ist er doch?! Nein, Loriot ist nicht hintersinnig, jeder Holzfäller arbeitet filigraner. Nehmen wir drei seiner bekanntesten Werke: Ein verklemmter Mann schmiert sich während einer Liebeserklärung eine Nudel im Gesicht herum, ohne es zu merken. Zwei Hotelgäste zanken sich nackt um die Anwesenheit einer Gummi-Ente in der Badewanne. Und: Ein Hund spielt Banjo und singt, dass er sich für sein Wochenendhaus eine kleine Miezekatze wünscht, der er eine Luftmatratze und eine Spielzeugmaus zu kaufen gedenkt. Ist das filigran und hintersinnig?
Ziehen wir die Wissenschaft zurate, um herauszufinden, ob Loriots Humor deutsch oder britisch ist. In seiner Doktorarbeit "Britischer Humor im interkulturellen Kontext" schreibt ein gewisser Dietmar Marhenke – einmal gaaaanz tief Luft holen, uuund, bitte:
"Während der zumeist im Plural gebrauchte lateinische Begriff der 'umores' gemäß der Lehre der Temperamente des Hippokrates über Galen bis in die Renaissance hinein sich auf die vier Körpersäfte bezog und hinsichtlich der Stimmungen und Launen des Menschen als neutral verstanden wurde, bezeichnet 'Humor' heutzutage die charakterbedingte mentale und psychische Disposition einer Person, die Realität durch Lachen positiv einzufärben mit der Intention, eine 'heiter-gelassene Gemütsverfassung inmitten aller Widerwärtigkeiten und Unzulänglichkeiten des Daseins' zu bewahren (Brockhaus Bd. 8, 1984: 207)."
Hiermit erkläre ich den Satz im Einverständnis mit dem Verfasser für beendet. Denn so hochtrabt dieses Werk weiter über syntaktischen Stock und semantischen Stein. Nein, hilfreich ist das nicht.
Das Englische an Loriot ist einfach a) die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, und b) sein Verzicht auf Wortspiele. Und jetzt wird’s kompliziert: Denn im englischen Sprachraum werden Wortspiele zwar in hohem Maße geliebt und gepflegt – aber nicht von Komikern! Sondern von Redakteuren, Moderatoren, Schriftstellern. Komiker vermeiden meistens die sogenannten "puns" oder "groaners" ("Stöhner"), oder aber sie gehören zu jenen Heerscharen von Komikern in Britannien und den USA, von denen wir nichts wissen. Denn zu uns dringen ja nur die fähigsten Leute durch.
Dasselbe gilt auch umgekehrt: Deutsche Komiker, die mit Wortspielen arbeiten, werden im Ausland nicht verstanden, zumindest der eine, der es probiert hat. Michael Herbig scheiterte in pompöser Tragödien-Grandezza. Während in Deutschland (und dem zweckhalber mit eingerechneten Österreich) 32 Millionen Dollar umgesetzt wurden, erzielte "Der Schuh des Manitu" in Spanien 40 000 Dollar, in Russland 200 000 Dollar. Russische Medien benutzten Bezeichnungen wie "stümperhaft", "ohne jeglichen Witz", "dumm" und "sinnlos". Schlechte Filmmusik? Altbackene Kameraführung?
Oder lag es vielmehr daran, dass die Parodie deutscher Jugendbücher aus dem vorletzten Jahrhundert, tuntig gespielt und mit bayrischem Dialekt, auch dann nicht spaßiger wird, wenn der Film mit Wortspielen durchsetzt ist? Strafe: In den USA kam die erfolgreichste deutsche Komödie aller Zeiten gar nicht in die Kinos.
Also, ganz gleich, ob Fernsehunterhaltung, Stand-up-Bühnen, Karneval oder Witze in der Presse – der deutsche Humor beschränkt sich allzu oft auf das Wortspiel. Dieses wiederum ist fast nie in andere Sprachen übertragbar. Daher werden wir weiterhin amerikanische Komödien ansehen und nicht umgekehrt. Aber lachen tun wir erwiesenermaßen gern. Wie Max Goldt schreibt, wenn er den Humorproduzenten ihren Nimbus nimmt: "Lachen ist ein häufiges Geräusch."