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So sehen uns die anderen – 1. Teil

Briten

Wie wird Deutschland in ausländischen Reiseführern dargestellt, was empfohlen, wovor gewarnt, was hervorgehoben? Hierzu habe ich mir einige neue Reiseführer angesehen, die ausschließlich Originaltexte enthalten, denn was nützt einem eine präzise Darstellung, die aus "Anders reisen: Oberfranken für Oberfreaks" übersetzt ist?

"The Rough Guide to Germany" für die englischsprachige Welt leitet seinen dicken, detaillierten Deutschlandführer mit den Worten ein: "Deutschland war lange Zeit das Problemkind Europas", und erzählt, nein, nicht von Weltkriegen, auch nicht von der Teilung. Sondern erstaunlicherweise von der Kleinstaaterei bis 1871, vom Flickenteppich, auf dem Gott und die Welt kreuz und quer rumgelatscht sind.

Als touristisches Hauptcharakteristikum nennt der britische Verfasser die Romantik, von den Grimms über Schlösser und mittelalterliche Städte: "Wie immer steckt in diesen Klischees ein Körnchen Wahrheit, obwohl sich die meisten auf den Süden beziehen, vor allem Bayern, das als vorwiegend katholisches ländliches Gebiet sich stark unterscheidet vom urbanisierten städtischen Norden, der im neunzehnten Jahrhundert die Einheit des Landes herstellte und in der Folge die Staatsangelegenheiten bestimmte." Na, wenn das nicht gesessen hat. Tschüs Bayern, pfüati München, bye-bye BMW.

Im Rheinland hingegen, wo es einen "reichhaltigen Fundus an Legenden und Folklore" gebe, seien die Menschen "gekennzeichnet durch eine Lebenslust, wie man sie vom Mittelmeer kennt". Hingegen habe sich im Osten "in den Kleinstädten und ländlichen Gebieten am stärksten das Deutschland bewahrt, wie man es von vor dem Krieg kennt". Aha, auch diese Idee muss man sacken lassen: Anderswo seien einfach die ausländischen Einflüsse, die unweigerlich dem verlorenen Krieg folgten, kräftiger gewesen.

Unter den Städten sei Köln diejenige, die "an historischen Monumenten am reichsten" sei. Da kriegen viele das Hüsteln, außer freilich die Kölner, die nicht müde werden, auf ihre erhebliche Zahl an romanischen Kirchen hinzuweisen, trotz des gotischen Doms.

Frankfurt wiederum sehe sich angeblich als "wahre" Hauptstadt des Landes. Wissen das die Frankfurter?

Generell wird in der Hauptreisezeit von Juni bis September vor den "klaustrophobischen Effekten der Massen organisierter Touristengruppen" gewarnt. Man besuche daher Deutschland am besten im späten Frühling oder zu Herbstanfang.

Eigenartig erscheint in diesem Reiseführer der Aufbau nach Bundesländern. Was schon auf Touristikbörsen sinnentleert klingt – "Besuchen Sie Nordrhein-Westfalen!", da fehlt einfach eine gewisse exotische Grandezza –, offenbart hier erst die volle Sinnlosigkeit unserer Bundesländer. Urlaub in Hessen etwa kann alles heißen, von der Studienreise in den Marburger Ökokitsch über Wellness-Ödnis im Taunus bis zu Null-Sterne-Camping im Frankfurter Hafen.

Zu Recht weist dieser Reiseführer auf die Besonderheit des Verkehrsmittels namens "U-Bahn" hin. "Sie führt oft zu Verwirrungen. In Städten, wo es nur Straßenbahnen gibt, muss man überirdisch und unterirdisch nach seiner Haltestelle suchen." Und Taxis? "Fast alle Taxis sind Mercedes", stellt der Autor erstaunt fest. In einem argentinischen Weblog fand ich übrigens auch die Verblüffung darüber, dass man hier als Fahrschüler ohne besonderen Aufpreis in einem VW Golf fahren darf. Und in manchen Fahrschulen sogar BMW!

Dann wird noch das Phänomen von Mitfahrzentralen erläutert, "eine institutionalisierte Form des Trampens", und auf "women-only agencies", "Frauenmitfahrzentralen", hingewiesen, und man muss gestehen, dass hier der auswärtige Betrachter mit gutem Grund staunt.

Frustrierend sei allerdings das Wandern, denn: "Die Vielzahl an Bäumen in all den sehenswerten Landschaften bedeutet nicht nur, dass man nur gelegentlich mit einem weiten Ausblick belohnt wird, sondern sie ist auch schuld daran, dass es selten eine Chance gibt, der Reglementierung durch markierte Wege zu entrinnen."

In der Abteilung "Unterkunft" erklärt der Rough Guide eine "einzigartige deutsche Institution, den Gasthof. Meistens muss man in dem Theke-mit-Restaurant-Raum fragen, ob es Zimmer gibt. Im Restaurant sitzen die einheimischen Gäste, und hier werden die örtlichen Geschäfte abgewickelt, wobei die Fremdenzimmer nur eine Nebenrolle spielen."

Fremdenzimmer gebe es im alten Westen in den Städten nur seltenst, im Osten dafür umso öfter, da zur Wendezeit mehr Reisende kamen, als Hotelzimmer vorhanden waren. Heute seien Letztere allerdings businessorientiert und demzufolge teuer. Es fällt generell ins Auge, wie nachdrücklich der Autor die Unterschiede zwischen Ost und West hervorhebt, wobei seine Motive – Exotik? Vorurteile? Reine Neugier? – leider im Dunkeln bleiben.

Türken

Nach eingehender Recherche stellte ich verblüfft fest: Es gibt keine türkischen Reiseführer für Deutschland. Türken sind da anders als wir, sie fahren einfach irgendwohin und fragen dann, wenn es sein muss, fünfzig Leute nach dem Weg.

Es gibt anscheinend überhaupt nur 40 Reiseführer auf Türkisch, darunter einen für München. Warum gerade München? Wegen dem "ü"?

Eine Zweitegenerationsdeutschtürkin – wir haben einfach herrliche Wörter – erklärte mir dies so: "Erstens: Reisen ist nicht so verbreitet wie hier. Zweitens: In der Türkei sind Bücher an sich schon ein Phänomen."

Und erhielt ich doch noch den Hinweis auf eine einschlägige Website "almanya’nin turistik güzellileri".

Problem: Ich spreche leider kein Türkisch. Dachte ich immer.

"12 milyon yabancı turist" – heißt etwa: 12 Millionen Touristen, Mannomann.

"İki Almanya’nın 1990 yılında tekrar birleşmesiyle Dresden, Waima ve Eisennach gibi kültür" – bedeutet: Nach der Maueröffnung wurde es kulturvoller.

"Uzun yürüyüşü sevenlere Mittelgebirge ve Alpler tavsiye edilir" – sinngemäß: In Deutschland gibt es kleine Berge und große Berge.

Lonely Planet

Im "Germany"-Reiseführer von Lonely Planet, ein australisches Unternehmen, ist der Hinweis sehr hübsch, dass Deutsch im Grunde eine Art Englisch ist, nur viel leichter auszusprechen, und dass man im Übrigen gerade im Osten sehr froh sein wird, wenn Sie ein wenig Deutsch sprechen. Hier ein kleines Best-of:

"Mein Herr, gnädige Frau, kann man hier irgendwo örtliche Volksmusik hören? Ich möchte ein R-Gespräch. Oder einen Luftpostleichtbrief und eine Tratte. Können Sie den Preis reduzieren?"

Und lautschriftlich: Mir gefällt es in doych-lahnt. Dahng-keh und owf-vee-dehr-zayn.

Chinesen

Ein chinesischer Reiseführer mit dem Titel "" geriet in meine Hände, weil ein Freund eines Freundes Russe ist, dieser einen Geschäftstermin in China hatte und sein Sekretariat das Sekretariat seines chinesischen Gastgebers bat, doch einen Reiseführer auf Chinesisch für Deutschland zu besorgen, der aber bitte unbedingt von einem Chinesen verfasst sein soll. Noch heute dürfte wegen dieses Vorgangs ein namenloser chinesischer Geheimdienstler kiloweise Aspirin verzehren, um zu ergründen, was dieser irre Russe im Schilde führt.

Der Reiseführer beginnt ungefähr so: , und die ersten entzifferbaren Zeichen sind "German" und "diot". Skepsis erwacht. Auch wenn die Rückseite des Buches eine schwarz-rot-goldene Fahne ziert, könnte das Œuvre ja ein Deutschland-Dissing-Pamphlet sein. Es folgen die Zahlen 962, 1806, 1870, 1871. Alles klar, wir sind bei Geschichte. Und man nimmt das Krönungsdatum von Otto I. als Ursprung Deutschlands. Es folgen 1933, 1945, 1990. Das nenne ich mal kurz und prägnant zusammengefasst.

Das häufigste Foto ist die Siegessäule, die der Autor offenbar als stark symbolhaft empfindet.

Auf den nächsten Seiten folgen aber auch Fotos des Brandenburger Tors, der BMW-Zentrale in München und eine Aufzählung der Gewerkschaften. Aha. Wer weiß, wann ein Buch in China heute als aktuell gilt? Das Oktoberfest darf nicht fehlen. Einige Seiten weiter erläutert man Passangelegenheiten, und es folgt der Löwenanteil des Reiseführers: Erklärungen zum Studium in Deutschland, mit Abbildungen von Universitäten, "Einwohnenmeldenamt", "Zwei sudium", "Promoion", "Aufenhalszweck", irgendwo mittendrin ein Konversationsexemplar realster Sorte: "Wie viel koennen Ihre Eltern Ihnen geben? – 5000 Yuan pro Monat. Wie viel koenne Ihre Eltern verdienen? Ungefaehr 8000 Yuan pro Monat." Das heißt, über die Hälfte ihres Gehalts brauchen Chinesen gar nicht? 500 Euro pro Monat, gar nicht sooo schlimm.

Klar wird: Nein, aus China kommen keine Individualtouristen, sondern neben Wirtschaftsdelegationen allenfalls noch Reisegruppen, und eben Studenten. Und was brauchen die noch? "Funk, Mediamarkt, Saturn, Vobis, ProMarkt, Quelle ..." Funk? Daneben ist erneut der Berliner Fernsehturm abgebildet, dann kommt ein Bild eines Hauses in den Bergen, die Aufzählung üblicher Oktanzahlen und, hey, die Nummer des ADAC, na, das ist doch mal vertraut. Ganz wie der "Alexanderoplatx" und die ratzfatz Themensprünge zum Beethovenhaus nach Bonn, aber eine halbe Seite weiter ist man schon in Frankfurt/M. Neben dem Kölner-Dom-Foto steht "Drogerie", "Baby" und "Naturprodukt", und ich wünsche Ihnen, dass Ihnen im Kölner Dom nie ein besorgter Chinese seine Hühneraugen präsentiert.

Kulinarium: Die typische realdeutsche Speisenfolge lautet Kochschinken, Salami, Leberwurst, Bratwurst, Pommes frites, Pitta, Pizza, Spaghetti, Tortellini.

Verständlich auch noch die Auflistung wohnen.de, wohnpool.de, wowohnen.de (sic) mit dem Hinweis "Kostenlos können Anzeigen aufgegeben werden + durchsucht werden, f ü r folgende Städte: Güttingen, Küln, M ü nchen + Hotelliste (bundesweit)", aber was macht hier www.focus.de?

Auf Seite 376 steht dann endlich der ersehnte Geheimtipp: "Tourist-Information" in der Nähe eines Straßenbahnfotos, Mahlzeit. Und nun das Herzstück: das Wörterglossar. Backpapier und Staubsauger-Beutel sind zweifelsfrei keine Touri-Accessoires, gehören doch eher zur Welt von Wohnheim-Insassen. Oder kaufen Sie im Ausland WC-Frische? Chinesen kennen Unterschiede, die uns verschlossen bleiben, etwa die zwischen "Seife", "Fluessigseife" und "Duftende Seife". Weiter: Gesichtswasser ... was ist das? Und was ist "der Schammfestiger"? Unter "Glanz Gel" stellt man sich ja noch was vor.

Spezieller wird’s bei den Geräten:

Haarschneidemaschine, Anrufbeantworter-Drive und Tischuhr. Und was trennt eigentlich Anschlussdose von Steckdose? Und erst Tischsteckdose? Lampe/Spotline und Leuchtstofflampe kennen Sie, klar, oder?

Letzte Chance: Scheidebrett, Sektkelch, Biertulpe. Spaghettiloeffel, Schoepfloeffel, Sparschaeler und ein alter, verloren geglaubter Freund: der Eierschneider. Gibt’s da noch keinen engagierten Trash-Verein so wie dieses Studentenhäuflein, das das Butterbrot vor dem Aussterben retten will? Weiter geht’s: das Schwenkglas, Milchtopf, Isolierkanne, vgl.: Isolierflasche.

Finalement: Hosenspanner, Hosentraeger, Schulterpolster, Senkel, Gummilitze.

Bitte verstehen Sie dies nicht falsch: Nicht unsere weit gereisten Gäste sollen hier gebrandmarkt werden. Sondern SIE, liebe-r Leser-in. Denn sobald Sie die Erbschaft von Onkel Karl-Fred aus Sindelfingen antreten, werden Sie unachtsam all diese wunderbaren Dinge wegwerfen, weil Sie nicht nur ihren Namen nicht kennen, sondern gar nicht wissen, wofür sie in einer wahren Kulturnation gebraucht werden!


♦4♦ Tourismus: Viel hilft viel

Die spinnen, die Deutschen

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