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Einleitung
ОглавлениеDie spinnen, die Deutschen. Die wer? Die Deutschen gibt es noch weitaus weniger als die Sowjetbürger oder die Schengenbürger oder die Nordrhein-Westfa/äl(inn)en.
Wenn wir für das Deutschsein unsere Sprache zugrunde legen, zerren uns die Österreicher, Ostbelgier und Deutschschweizer hinter die Mülltonnen und verdreschen uns, mal abgesehen davon, dass man sich auch von Deutschem zu Deutschem allzu oft kaum verständigen kann, gell, Hackl Schorsch.
Probieren wir es mit unseren Grenzen. Ihretwegen erschießt man ja auch mal Leute, also sollten sie als scharfe Trennlinie nützen. Lassen wir den ganzen alten Zampano von Karl dem Großen weg, landen wir bei den Grenzen der Reichsgründung von 1870/71. Aber dann purzeln wir ruckzuck in revisionistische Diskussionszirkel. Noch 2006 kämpfte die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach dafür, dass Angehörige von Spätaussiedlern es doch bitte schön familienfreundlich haben sollen, denn Erika Steinbach ist nebenbei die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Ja, klar war die Vertreibung schon vor über fünfzig Jahren. Was juckt das Erika Steinbach?
Aber dennoch: Wenn Sie im Urlaub ein Paar sehen, er in Socken und Sandalen, die Sonnenbrille-auf-der-Brille halb hochgeklappt, sie im Blumenkleid (Astern), die beigefarbene Handtasche fest unter den Unterarm geklemmt, im Streit darüber, ob es hier am Urlaubsort Parkscheinautomaten gibt, und sie sich am Ende noch darauf einigen, dass die Automaten zu Hause aber besser funktionieren, dann wissen Sie – Landsleute.
Ich bin groß geworden in Jahren, als Deutschland eine Latzhose tragende Atomrampe war, die sich nicht volkszählen lassen wollte in ihrem sauren Regen. Plastiktüten waren Verbrechen. "Mitbürger mit Migrationshintergrund" waren Gastarbeiter (im direkten Vergleich der viel sympathischere Begriff). Die Bild-Zeitung schrieb stur "DDR". Und Gott sah aus wie Günter Wallraff. Alles Nationale war abgrundtief verpönt. In Wimbledon siegten ein Leimener und eine Brühlerin, nicht "Deutsche".
Zurzeit ist der Nationalgedanke angeblich wieder chic, wird von kritischen Geistern gedacht und weitergedacht. Warum fällt mir frei nach Campino jetzt auf einmal kein einziger gescheiter Nationalgedanke mehr ein? Und was war noch mal die deutsche Frage? Hat die Grass-Debatte jemandem was gebracht? Worum stritten sich die Historiker? Was hatte der alte Walser für ein Problem? Reicht es, Helgoland zu verscherbeln, um den Haushalt zu sanieren? Oder müssen wir etwa MeckPomm noch drauflegen?
Wir wollen Erster sein. Wir zeigen auf, schnippen mit den Fingern und machen "Mm, mm, mm" wie hungrige Welpen, denn wir wollen nicht Spitze sein, nicht Top Ten, nein, nur die alleinige Nummer 1 ist für uns akzeptabel. Nachweislich sind wir Exportweltmeister, melden die meisten Patente im Bereich Maschinenbau an, veröffentlichen 10 Prozent der Weltsteuerliteratur (ganz ehrlich, heimlich ist man schon stolz drauf), und wir sind laut ARD Weltmeister im Murmeln, was nicht undeutliches Sprechen meint, sondern das Spiel mit den Glasmurmeln.
♦1♦ 59 Minuten Idylle, aber dann ...