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Ich nahm das Telefon ab. »Thomas, ich bin’s«, sagte meine Mutter. Ihre Stimme zitterte – sie war wütend. Sie hatte einen Anruf von der Schule erhalten. Sie wusste es. Sie wusste, dass ich ihr die Ergebnisse meiner Abschlussprüfung an der HAVO verschwiegen hatte. Sie wusste, dass ich die Briefe von der Schule weggeworfen hatte. Sie wusste, dass ich durchgefallen war. Und sie wusste, dass ich eine Wiederholungsprüfung hätte machen dürfen – und dass ich zu dieser Prüfung nicht erschienen war. Denn ich war nicht da. Ich war in Spanien. Ich war vom Junioren-Team ins U23-Team von Rabobank gewechselt und fand die Lerida-Rundfahrt wichtiger als irgendwelche Prüfungen an der Schule. Meine Eltern wussten, bevor ich nach Spanien abreiste, nicht einmal, dass Wiederholungsprüfungen anstanden – ich hatte ihnen gesagt, dass die Ergebnisse noch nicht da wären. Meine Mutter verlangte von mir, dass ich sofort nach Hause kommen sollte. Ich tat es nicht. Von der Lerida-Rundfahrt reiste ich mit dem U23-Team gleich weiter nach Frankreich, um die Boucles des Mayennes zu bestreiten – erst danach kehrte ich zurück nach Dirkshorn.
Meine Eltern warteten bereits auf mich, als ich nach Hause kam. So wütend hatte ich sie noch nie gesehen. Sie fühlten sich belogen. Das verstand ich. Sie fühlten sich betrogen. Das verstand ich auch. Sie sagten, dass ich meine Zukunft weggeworfen hätte, indem ich nicht zu den Wiederholungsprüfungen angetreten war. Ich nickte erneut: Auch das verstand ich. Aber ich weigerte mich, das zu tun, was sie sich für mich ausgedacht hatten, nämlich nach Den Helder zu gehen, um dort wenigstens noch Teilabschlüsse in Mathematik und Wirtschaftskunde zu machen. Was sie auch sagten, wie sehr sie auch schrien, wie lieb sie mich auch darum baten: Ich habe es strikt abgelehnt. Jedes Mal gab ich ihnen die gleiche Antwort: »Ich gehe nicht zurück zur Schule, ich werde Radprofi.«
In dieser Juniwoche gab es nur einen friedlichen Moment: als mein Vater und ich zu einer langen Trainingsausfahrt hinter dem Motorroller aufbrachen – einmal rund ums IJsselmeer, ein Ritt von 275 Kilometern. Auf halbem Weg hielten wir an. Mein Vater aß einen Backfisch, ich ein Snickers. Danach fuhren wir weiter, konstant über 50 km/h. Die Runde ums IJsselmeer war das letzte lange Training vor der niederländischen U23-Meisterschaft, die in jenem Jahr, 2003, in Rotterdam stattfand und genau ein einziges Hindernis aufwies: eine Brücke. Das war kein Parcours, der für mich gemacht war, und wir hatten vereinbart, dass ich mich für unseren Sprinter Hans Dekkers aufopfern sollte. Aber als ich mich drei Kilometer vor dem Ziel an die Spitze setzte, konnten meine Teamkollegen mein Hinterrad nicht halten. Ich schaute mich um, sah, dass sich eine Lücke aufgetan hatte, und schaltete noch ein, zwei Gänge höher. Niemand kam mehr an mich heran, geschweige denn an mir vorbei. Am Abend, als ich nach Hause kam, war unsere Straße geschmückt. Das halbe Dorf wartete auf mich. Wir feierten und wir tranken Bier. Spät am Abend saß ich meinen Eltern gegenüber auf der Couch. »Wenn du nicht mehr zur Schule gehen willst und dir tausend Prozent sicher bist, dass du Radrennfahrer werden willst, dann soll es wohl so sein«, sagte mein Vater. Meine Mutter nickte und gab klein bei.
Für meine Eltern war der schönste Teil meiner Karriere damit eigentlich bereits vorbei. Von diesem Moment an ging ich mehr und mehr meinen eigenen Weg. Ich wusste, was ich wollte; niemand kam mehr zwischen mich und mein Rad. Ich nahm egoistische Züge an, ich bekam eitle Anwandlungen. Ich sehe mich noch selbst, wie ich im tiefsten Winter spät in der Nacht in der Schlange vorm Jimmo Woo stehe, einer Amsterdamer Discothek. Ich war mit ein paar Freunden unterwegs: alle kaum zwanzig Jahre alt. Nachdem wir eine Stunde frierend wie die Schneider in der Kälte gestanden hatten, waren wir endlich an der Reihe. Aber der Türsteher ließ uns nicht rein. Eine solche Discothek wartet nun mal nicht auf ein paar angetrunkene Jugendliche. Ich war wütend. Ich schimpfte, ich tobte, ich brüllte: »Weißt du eigentlich, wen du vor dir hast? Weißt du, wer ich bin? Ich bin Thomas Dekker!« Natürlich sagte ihm mein Name nicht das Geringste. Aber das kümmerte mich nicht. Ich war ein Star, nur der Rest der Welt wusste noch nichts davon.
Ich nutzte andere Menschen aus, um mich von ihnen bedienen zu lassen. Als ich noch zur Schule ging, schmierte mir meine Mutter jahrelang jeden Morgen die Butterbrote. Und wenn meine Mutter nicht da war oder wenn sie früh zur Arbeit musste, ließ ich es meine Schwester tun. Sie taten es für mich, sie machten es aus Liebe. Und ich? Ich ließ es einfach so geschehen. Damit nicht genug: Ich merkte, dass ich gut darin war, andere Menschen für meine Karriere einzuspannen. Ich fragte, ich forderte, ich manipulierte. Und ich fand das auch nur logisch: Ich selbst konnte meine Energie besser auf dem Fahrrad einsetzen.
Meine asoziale Seite hatte übrigens auch ein Gegenstück: Ich kaufte jedes Mal Geschenke für meine Eltern und meine Schwester, wenn ich im Ausland war. Und ich gab Floor das ganze Kleingeld an Prämien, das ich bei den Rennen einfuhr. Ich nahm sie mit zu Partys, ich passte auf sie auf, wie ein großer Bruder auf seine Schwester aufpasst. Und als sie achtzehn wurde, kaufte ich ihr vom Gehalt meines ersten Profivertrags ein Auto. Aus Liebe, nicht um irgendetwas wiedergutzumachen.
Im August 2003 wurde ich niederländischer U23-Meister im Zeitfahren. Ich fand das völlig normal. Auch, dass ich den Prolog der Ster Elektro-Tour gewann, wo wir als U23-Mannschaft inmitten der Profis fuhren. Es war ein Rundkurs von fünf Kilometern in Veldhoven, mit Start und Ziel auf regennassem Kopfsteinpflaster. Ich war kein Held im Regen: Unsicher eierte ich durch die Kurven. Aber als ich die Ziellinie überquerte, hatte ich die bis dato schnellste Zeit erreicht. Und danach kam niemand mehr an meine Zeit heran. Auch Fabian Cancellara nicht; der lag auf Platz zwei. Ich weiß noch genau, wie Huub Duyn, ein Freund von mir, der für ein anderes Team fuhr, sich die Ergebnisliste anschaute und sah, dass ich gewonnen hatte. »Was zum Teufel hast du gemacht, Thomas?«, rief er. Aber persönlich empfand ich es gar nicht mal als etwas Besonderes. Ich dachte nicht groß darüber nach, dass ich erst achtzehn war. Es ging alles so einfach, so erschreckend einfach.
Es war, als würde ich bei jedem Versuch einen Sechser-Pasch würfeln. Als ob das Leben ein Sudoku war, das sich von selbst löste, wenn ich es nur anschaute. So wie ich später alles falsch machte, was man nur falsch machen konnte, schien zu jener Zeit jede Wahl, die ich traf, goldrichtig zu sein. Ich machte, was ich wollte, und ich kam damit durch. Ich lebte für den Radsport, aber das war auch nicht schwer, weil ich so oft gewann. Ich war wie ein Hund, der Leckerlis als Belohnung für ein Kunststück bekam: Jedes Mal, wenn ich etwas investierte, bekam ich es zweifach oder dreifach zurück. In einer solchen Situation ist hartes Training kein Opfer, sondern eher eine Sucht. Rückschläge erlebte ich nie oder kaum einmal – eigentlich nur bei einem der seltenen Stürze: ein gebrochener Mittelhandknochen im Frühjahr 2003, fünf ausgeschlagene Zähne, als ich bei der Tour de l’Avenir 2004 im Gelben Trikot fuhr. Aber das waren nicht mehr als kleine Unebenheiten auf meinem Weg. Vom allerersten Augenblick an lief meine Entwicklung kometenhaft, ohne einen nennenswerten Rückschlag.
Ich wusste, was ich konnte, ich wusste, was ich wollte – obwohl ich doch einer der jüngsten Fahrer im Team war. Das U23-Peloton dominierten wir als Kollektiv: Es gab keine andere Mannschaft mit so viel Talent. Wir gingen mit Fahrern wie Pieter Weening, Koen de Kort, Ryder Hesjedal, Bernhard Kohl, Rory Sutherland und Laurens ten Dam an den Start. Oft konnten wir uns aussuchen, wer von uns gewann.
Hin und wieder musste ich einen Sieg herschenken, damit andere aus dem Team auch mal gewinnen konnten. Manchmal tat ich es, manchmal nicht. Ich gewann die Normandie-Rundfahrt, die Triptyque des Monts et Châteaux, die Thüringen-Rundfahrt – direkt hintereinander. Aber Hass und Neid vonseiten meiner Teamkollegen habe ich selten verspürt. Vielleicht gab es so was auch dort und ich merkte es nur nicht, vielleicht hielt es sich tatsächlich in Grenzen, weil viele meiner Teamkollegen genau gewusst haben dürften, dass ich sowieso bald zu den großen Jungs von Rabobank wechseln würde. Ich war kein Konkurrent von ihnen; ich stand deutlich über ihnen in der Hackordnung und genauso verhielt ich mich auch in den Rennen. Bei der Straßen-WM 2003 in Hamilton tat ich den ganzen Tag nichts; erst im Finale fing ich an, richtig Rennen zu fahren. Zusammen mit Markus Fothen schloss ich in einem Rutsch zur Spitzengruppe auf und wurde Dritter. Einige andere Jungs im Team waren sauer, dass ich am Anfang des Rennens nicht mitgearbeitet hatte. Es kümmerte mich einen Scheißdreck – ich antwortete nicht einmal darauf. Ich bestimmte selbst, was ich tat, da konnten sie reden, was sie wollten.
Immer öfter fuhren wir mit dem U23-Team von Rabobank nun zwischen den richtigen Profis. Im Frühjahr 2004 trainierten wir in Portugal – und bestritten dann die Algarve-Rundfahrt. Ich hatte dieses Rennen in meinem Kalender rot eingekreist. Den ganzen Winter hatte ich darauf hingearbeitet, und ich hatte sogar die Strecke des Zeitfahrens erkundet, weil ich wusste, wer dort noch am Start stehen würde: Lance Armstrong. Er war zu diesem Zeitpunkt fünffacher Tour-de-France-Sieger, und ich brannte darauf, mich mit ihm zu messen. Als ich während einer der ersten Etappen zufällig neben ihm fuhr, sprach er mich an. Nichts Besonderes, nur eine joviale Plauderei. Er habe schon viel von mir gehört, sagte er. »Ich auch von dir«, entgegnete ich. Ich war ehrlich gesagt eher ein Fan von Jan Ullrich, aber ich empfand es doch als Ehre, dass der fünfmalige Tour-Sieger mich erkannte – und mich als Gegner wahrnahm. Ich fand Armstrong interessant. Und sei es nur wegen seiner Ausstrahlung und seiner Entourage. Manchmal, wenn gerade das Tempo im Feld etwas raus war, hielt ich absichtlich kurz am Straßenrand, um zu pinkeln. Denn so konnte ich, wenn ich danach wieder zum Feld aufschloss, im Vorbeifahren einen Blick ins Teamfahrzeug von US Postal werfen: auf Sheryl Crow, Armstrongs damalige Freundin, die jeden Tag an der Seite von Teammanager Johan Bruyneel hinter dem Peloton herfuhr.
Obwohl ich im Zeitfahren sieben Fahrer überholte, die vor mir gestartet waren, kam ich am Ende mit 19 Sekunden Rückstand auf Armstrong auf Platz vier. Einen Tag später, bei einer Etappe mit Bergankunft, zog ich an ihm vorbei. Im Schlussklassement wurde ich Vierter, er Fünfter. Nach dem Ende des Rennens brachen wir mit dem gesamten Peloton zum Flughafen auf. Alle bestiegen eine normale Linienmaschine, nur Armstrong stieg in seinen Privatjet. Diese Art von Selbstdarstellung gefiel mir. Es war reine Schau, eine Möglichkeit, den Rest des Feldes einzuschüchtern. Er war der Gorilla, der sich am kräftigsten auf die Brust trommeln konnte. Ich war schwer beeindruckt, ähnlich wie ein paar Jahre zuvor durch das italienische Junioren-Team um Nibali. Für mich gehörte so was dazu. Ich wollte keine graue Maus sein, die schnell Fahrrad fuhr. Ich wollte einer der größten Gorillas sein – auf und neben dem Rad. Ich wollte die Hauptrolle in jedem Stück, in dem ich mitspielte. Ich wollte nicht warten, ich wollte meinen Weg nicht behutsam Schritt für Schritt gehen. In jenem Jahr verschwendete ich nicht mal einen Gedanken daran, die niederländische U23-Meisterschaft im Zeitfahren zu bestreiten; ich wollte auf jeden Fall bei den Profis antreten. Meinem directeur sportif Nico Verhoeven sagte ich vor dem Start, dass ich gewinnen würde. Und ich gewann.
Im Herbst 2004 wurde ich zusammen mit meinem Rabobank-Teamkollegen Koen de Kort zum Grand Prix Eddy Merckx eingeladen – einem Paarzeitfahren in Brüssel. Dass wir als U23-Fahrer dort antreten durften, war an sich bereits eine Ehre; die anderen Paare bestanden fast alle aus namhaften Siegfahrern. Aber zwischen den großen Männern zu starten, genügte mir nicht. Ich wollte mehr. Und ich konnte mehr. Meine Beine waren so leicht, ich spürte sie kaum. Koen starb an meinem Hinterrad, vierzig Kilometer lang. Wir holten Fahrer ein, die weit vor uns gestartet waren. Im Ziel waren wir die Schnellsten, und auch die Zweierteams, die nach uns gestartet waren, holten unsere Zeit nicht mehr ein. Erik Dekker und Marc Wauters nicht, Jens Voigt und Bobby Julich nicht, Uwe Peschel und Michael Rich nicht, George Hincapie und Wjatscheslaw Jekimow nicht. Auf dem Podium schauten Peschel und Rich aus der Wäsche wie sieben Tage Regenwetter. Sie fühlten sich verschaukelt. Die Rennleitung, die Kommentatoren und Journalisten wussten nicht so recht, was sie mit uns anfangen sollten. Einige dachten, dass wir irgendwo ein Stück der Strecke abgekürzt hätten, weil sie es nicht für möglich hielten, dass zwei Jungs alle großen Namen geschlagen hatten. Diese Vorwürfe konnten mir nichts anhaben. Ich fand es lächerlich. Selbst wenn ich hätte abkürzen können, hätte ich nie im Leben daran gedacht. Warum sollte ich eine Abkürzung nehmen, wenn ich auch regelgerecht gewinnen konnte?
Im selben Jahr waren die Olympischen Spiele in Athen. Erik Dekker wollte das Zeitfahren bestreiten, aber Nationaltrainer Gerrie Knetemann überging ihn. Er entschied sich für einen anderen Dekker: für mich. Erik war wütend, aber für Knetemann war die Sache ganz einfach: Ich war Niederländischer Meister, also würde ich bei den Spielen fahren. Und so stand ich ein paar Wochen später mit einem orangen Koffer am Flughafen Schiphol. In Athen war es glühend heiß. Der Asphalt schmolz in der Sonne, ich badete in meinem eigenen Schweiß. Ein Bus brachte mich ins Olympische Dorf. Ich verzog keine Miene, aber als ich mich umschaute, verschlug es mir die Sprache. Schon allein den Speisesaal fand ich großartig: all die vielen Sportler, die durcheinandersaßen und Essen in sich reinschaufelten. Es hieß, dass ich mir das Zimmer mit einem anderen Radsportler teilen würde. Als ich die Tür öffnete, sah ich, wer es war: Michael Boogerd. Zu Hause hing noch immer sein Poster über meinem Bett, in Athen lag er im Bett neben mir. Ein paar Tage zuvor, im Straßenrennen, war er gestürzt. Er sah aus wie das Michelin-Männchen: überall Bandagen und Mullbinden. Ich fragte, wie es ihm ging. Er sagte: »Ach, geht schon, Kleiner – alles bestens.« Und: »Pack deinen Koffer aus, leg dich hin, fühl dich wie zu Hause.«
Boogerd war sympathisch, aber viel Kontakt hatten wir nicht. Unsere Welten lagen lichtjahreweit auseinander. Er ging mit Karsten Kroon zu einem Konzert von Tiësto, ich machte mir Sorgen, wenn ich um halb elf noch nicht im Bett lag. Das Zeitfahren lief nicht gerade so, dass man damit hätte angeben können. Vielleicht war das auch zu viel verlangt: In einem so wichtigen Rennen konnte ich noch nicht mit den Besten der Welt mithalten. Ich wurde Zwanzigster. Knetemann war zufrieden: »Schau dich gut um, Junge, jetzt kannst du es dir noch leisten. Das nächste Mal, wenn du hier bist, fährst du mit um die Medaillen.«
Ich war Alice im Wunderland. Ein A-Jugendlicher in der ersten Elf von Ajax. Ich gehörte schon dazu, aber irgendwie auch nicht. Ich fuhr in den Rennen gegen hochbezahlte Profis, hin und wieder schlug ich sie sogar, aber zur gleichen Zeit war ich ein Rookie mit einem Vertrag bei einer U23-Mannschaft. 2003 kassierte ich ein Jahresgehalt von 5.000 Euro; inklusive aller Preisgelder und Prämien kam ich auf insgesamt 25.000 Euro. Weil ich so gut fuhr, wollte ich für 2004 eine Gehaltserhöhung. Ich fand, dass mir das zustand, also fuhr ich mit meinem Vater nach Breda, um in einem schicken Restaurant mit Jan Raas und Piet Hubert von Rabobank zu verhandeln. Sie boten mir 15.000 pro Jahr, ich wollte 20.000. Raas und Hubert schickten mich vor die Tür und ließen mich lange warten. Ich tigerte den Gang auf und ab, setzte mich hundert Mal hin, nur um gleich wieder aufzustehen. Nach einer Ewigkeit riefen sie mich wieder rein. Wir einigten uns auf 17.500 Euro, die goldene Mitte. Ich war glücklich und erleichtert, aber im Nachhinein denke ich, dass sich die beiden ganz schön ins Fäustchen gelacht haben dürften. Ein junger Bursche, der ein paar Tausend Euro mehr wollte – warum in Gottesnamen stellten sie sich so an? Sie wussten doch auch, dass eine solche Summe ein Hungerlohn war im Vergleich zu den Verträgen in den Saisons danach. Vielleicht taten sie es als erzieherische Maßnahme. Um mich wissen zu lassen, dass man mit kleinen Gehaltserhöhungen auch glücklich sein konnte.
Dass ich im Jahr darauf, 2005, Profi bei Rabobank werden würde, stand fest. Aber ich durfte schon im Jahr 2004 mal daran schnuppern. Gegen Ende der Saison durfte ich einige Rennen als stagaire im Profiteam mitfahren: den Grand Prix de Fourmies, die Rheinland-Pfalz-Rundfahrt und die Coppa Sabatini. Es war ein Test für das Team – und für mich. Ich durfte eine andere Welt betreten. Ich durfte im Tiefen schwimmen. Zwar noch mit den Schwimmflügeln meines U23-Vertrags, aber immerhin.