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Phuoc Long (Opération Elisabeth)

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Nur einige Tage später

»Wohin geht es diesmal?«

Montag erhielt keine Antwort. Er wollte es auch gar nicht wissen. Seine Gedanken waren immer noch bei der lieblichen Bach-Van, seiner weißen Wolke. Für ihn war das Leben vollkommen. Welcher Mann in seinem Alter konnte schon damit protzen, in einem Land stationiert zu sein, in dem andere gewöhnlich Urlaub machten? Absolut gratis bekam er schillernde Exotik, hübsche Frauen und kühles Bier. Bekam somit alles, was sein Herz begehrte. Die andere Seite dieses Lebens gefiel ihm mindestens genauso gut. Die Abenteuer. Der Marsch zum Feind. Die blutigen, hart geführten Kämpfe. Die Ungewissheit und der Rausch, den er bei alldem verspürte. Das war, wonach sein Geist verlangte. Herz und Geist vereint ergaben den von ihm einzuschlagenden Weg. Und den wollte er bis zum Ende gehen, wie immer dieses Ende auch aussehen mochte. Eine Steigerung gab es für ihn nicht. Saarbrücken? Das musste auf einem anderen Planeten sein!

»Irgendwo hoch in den Norden«, antwortete jemand, riss Montag somit aus seinen Gedanken.

»Dong Hoi«, wusste ein anderer.


Das 2. BEP im Einsatz in der Region Hue.

Die Kompanie hatte sämtliche Waffen, Optik, Funkgeräte sowie anderes wichtiges Kriegsmaterial empfangen, das man nun in alte, hölzerne Kisten verstaute. Sogar für die Képi Blancs fand sich ein Platz. Das gesamte Bataillon sollte angeblich verlegt werden, und so kam es auch. Ab dem 02. Januar 1950 und in mehreren Wellen hob das 2. BEP ab, Richtung Zentral Annam. Alle Voraussetzungen für einen Einsatz waren gegeben, denn die Positionen der französischen Armee im Großraum um Dong Hoi, etwa 500 Kilometer südlich von Hanoi, wurden unablässig von Guerillakämpfern der Vietminh angegriffen. Das 18. Regiment des Vietminh legte blutige Hinterhalte auf Versorgungskonvois an, Scharmützel waren an der Tagesordnung. In der Region Hue-Quang-Tri wütete das 95. Regiment, eine Einheit, die wie ein Phantom auftauchte, zuschlug und im Nichts wieder verschwand.


Das 2. BEP im Einsatz Region Hue / An Loc 1951 Hier ein Maschinengewehr F.M. M.A.C. modèle 1924-29

Die französischen und lokalen Einheiten vor Ort ... de secteur, eine Handvoll Marinesoldaten und mindestens ein Marschbataillon aus Einheimischen, wagten sich kaum mehr aus ihren Kasernen, da es ihnen an den notwendigen Mitteln aber auch an der erforderlichen Motivation fehlte. Die Bevölkerung war eingeschüchtert, wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte ob der Bedrohung. Zur Freude des commandant Solnon, sah es diesmal so aus, als ob sein Bataillon geschlossen operieren würde. Seine einzelnen Kompanien hatten sich als in sich geschlossene Einheiten längst schon bewiesen. Nun war es an der Zeit, allen zu zeigen, dass der Verband als solcher ebenso effizient funktionierte. Und, so sagte sich Solnon sicher auch, würde dadurch der Zusammenhalt der Truppe ganz gehörig gefördert werden. Seit der Aufstellung seines Bataillons hatte sich vieles verändert. So ist, wie bereits erwähnt. Leutnant Caillaud im Oktober 1949 capitaine geworden.

Der junge, brillante Leutnant Cabiro avancierte zum Kompaniechef für die 2. Kompanie und capitaine Cazaumayou übernahm die C.C.B, in der sich ein Fernmeldezug, der Transportzug sowie ein schwerer Zug mit MGs Kaliber 30, Mörser 60 mm und rückstoßfreie Panzerabwehr Kanonen 57 mm befanden. Commandant Solnon konnte zufrieden in die Zukunft blicken.

06. Januar, 1950. Die eingeteilten Wachen gingen durch die Reihen und weckten die am Boden liegenden Legionäre, die sich eilig den Schlaf aus den Augen rieben und sich sofort abmarschbereit machten. Einige kochten Kaffee, den sie dann heiß wie er war, hinunterkippten, anderen war die Zeit zu kurz, denn es musste schnell gehen. Ihre Feldjacken im dunkelbraunen oder hellgrünen Flecktarn waren immer noch klamm und feucht, das Leder der Stiefel glitschig und nass. Glücklich waren jene, die über Pataugaz, den leichten Stiefeln aus grünem Stoff verfügten. Nass, müde und erschöpft hatten sie sich die Nacht zuvor in einigen Canhas, den typischen Bauernhütten der Nhà-Quês einquartiert. Dann hatten sie Feuer gemacht und versucht, so gut es ging, die Uniformen und Ausrüstung zu trocknen. Die vorgezogenen Wachposten, ungefähr ein Fünftel aller Soldaten des Bataillons, was mehr aus Routine als aus Vorsicht so befohlen wurde, hatten während der Nacht eine Meldung nach der anderen gebracht: Der Feind rodete, war sehr aktiv, griff aber nicht an. Vereinzelt schossen die Legionäre auf vermeintliche Schatten in der Nacht, doch Gewissheit, wer genau sich da draußen bewegte, hatte man nicht. Die Geräusche zeugten von menschlicher Präsenz, doch war es zu gewagt, nachts Patrouillen auszuschicken. Wozu auch? Man wusste, dass der Vietminh hier in der Gegend war, doch solange er nichts unternahm, was ihnen missfiel, war das gut. Was jedoch die Zugführer beschäftigte, war das Gelände. Nirgends dort draußen gab es einen wirklichen Schutz, sich ungesehen dem Dorf zu nähern, nichts wohinter man sich hätte verstecken können, außer im Dorf selber. Von woher zum Teufel, kamen dann die verflixten Geräusche?

Lange bevor der Morgen graute, wurden die Legionäre geweckt.

»In der Reihenfolge zweite, PC, dritte Kompanie, vorwärts. Kompanie Caillaud bildet die Nachhut.«

Der Kommandant des Bataillons wartete bis die Kompanieführer im Dunkel der Nacht verschwunden waren und wandte sich dann an Caillaud.

»Brennen Sie das ganze verdammte Dorf nieder, je weniger davon übrig bleibt umso besser und beeilen Sie sich aufzuschließen, d'accord?«

Caillaud nickte, schickte nach seinen Zugführen und trank seelenruhig seinen Kaffee aus dem Blechgeschirr. Er hatte auf die Popotekiste (Kiste für den gewissen Komfort, Tassen, Teller, Gewürze und so weiter), für Offiziere verzichtet, wollte sich wie all seine Legionäre ganz dem rustikalen Leben in der Kampagne hingeben. Karlheinz Montag warf einen Blick zum Himmel. Es hatte den ganzen gestrigen Tag geregnet und auch jetzt nieselte es noch leicht. Ein steter Wind trieb den Regen vor sich her. Regen, Ton und Erde mischten sich mit dem Stroh der Dächer und diese Pampe trieb die Legionäre schier zum Wahnsinn.

»Wie zum Teufel sollen diese Hütten brennen«, fluchte Karlheinz Montag. »Bei dem Scheißwetter?«

»Befehl ist Befehl. Bambus und Stroh brennt auch, wenn's nass ist. Ist nur ‘ne eine Frage wie man sich anstellt«, entgegnete der alte Legionär neben ihm und fackelte systematisch alles ab, was brennbar schien.

Begleitet von dichtem Rauch setzte sich die erste Kompanie eine Stunde später in Bewegung. Noch bevor sie den Ortausgang erreicht hatten, brach plötzlich die Hölle über sie herein. Aus kürzester Distanz wurden sie von einem Feind unter Beschuss genommen, der nicht nur in Überzahl war, sondern blitzartig mit Geschrei aus dem Nichts auftauchte. Dazu ratterten Maschinengewehre aus gut getarnten Stellungen. Deckung gab es kaum und die einzige Möglichkeit, sich dem feindlichen Feuer und dem blutigen Nahkampf zu entziehen, war die Flucht.

»Sie werden uns massakrieren, wenn wir unsere MGs nicht in Stellung bringen können.«

Sergent Bouger hatte die Worte kaum heraus, als ein Feuerstoß ihn von den Beinen riss. Beck, der Legionär, der neben ihm rannte, erhielt drei Kugeln in seinen rechten Oberschenkel und eine in die Brust, bevor auch er zu Boden ging. Ohne einen Laut von sich zu geben, überschlug er sich. Ein dünner Blutfaden lief aus seinem geöffneten Mund, als er auf dem Rücken liegend verwundert in den Regen starrte. Die Wunde war nicht schmerzhaft doch tödlich, aber das wusste er noch nicht. Wie durch eine Nebelwand hörte er die Stimme seines sergents.

»Dein Gewehr?«

Beck tastete danach, stieß es jedoch mit letzter Kraft von sich.

»Unbrauchbar«, keuchte er. »Eine Kugel hat das Schloss getroffen.«

Er bäumte sich auf, sank dann wieder zurück, starrte weiter in den grauschwarzen Himmel während Regentropfen auf sein junges, hübsches Gesicht fielen. Dann folgte sekundenlang nichts. Nur der heftige Kampflärm drang weiter mit unverminderter Stärke an sein Ohr. Als es ihm mit Mühe gelang, den Kopf etwas zu heben, sah er durch einen Schleier aus Schweiß und Blut eine Gruppe Vietminh die sich ihnen geduckt näherte. Er hatte oft genug Kameraden gesehen, die durch die Hände der Viéts gegangen waren, wusste also, was er zu erwarten hatte.

»Sergent. Sie... sie kommen uns holen.«

»Lieg still, verdammt. Vielleicht sehen sie uns nicht.«

Beck schüttelte den Kopf, versuchte es zumindest.

»… sind erst losgerannt, als sie mich fallen haben sehen. Könnten Sie mir bitte helfen? Ich komm nicht an mein Messer ran.«

»Bete meinetwegen, aber hör auf, dir vor Angst in die Hosen zu machen.«

Der Legionär schluckte bitter. Er war vor ein paar Tagen gerade erst zwanzig geworden. Sergent Bouger wusste, dass es um sie geschehen war. Er selbst spürte seinen Unterleib nicht mehr, konnte weder Beine noch Becken bewegen. Julie! Den Namen seiner Tochter auf den Lippen lächelte er kurz, dann wischte er sich eine Träne weg, fing sich wieder, wütend auf seine Schwäche, wütend auf das Leben. Als er leicht seinen Kopf hob, sah er, wie das Blut aus seinem Körper strömte und die Wasserlache in der er lag, sich rot färbte. Ohne auf den Schmerz in seinen Lungen zu achten, zog seine blutige Hand eine nach der anderen die Handgranaten aus dem Handgranatensack an seiner Hüfte. Eine davon warf er Beck zu.

»Kannst du dich daran erinnern, was ich dir gesagt habe, wie der Viêt vorgeht?«

Beck nickte mit Mühe. In der Tat hatte ihm der sergent erst vor einigen Tagen erzählt, dass der Vietminh gerne Gefangene macht, er aber, wenn er sich dem vermeintlichen Verletzten nähert, kein Risiko einging. Bewegte sich ein Verletzter während der letzten Phase der Annäherung, wurde sofort geschossen.

»Es geht schnell «, versicherte ihm der sergent und hustete Blut. »Wir werden ihnen zeigen wie man bei uns stirbt. Lass den Bügel zur gleichen Zeit springen wie ich, du … du kennst das Geräusch?«

Beck nickte erneut.

»Ich hab die Dinger so präpariert, dass sie sofort hochgehen «, sagte der sergent mit verschwommener Stimme. Der Tod war nicht mehr weit. Mit einem letzten Blick auf die Viéts, die fast bei ihnen waren, flüsterte er. »Dir bleiben noch ein paar Sekunden um über dein verbeultes Leben nachzudenken. Du... du warst ein guter Kamerad. Aber still jetzt.«

Mit einer schnellen Geste zog er die Splinte heraus und hielt die beiden Handgranaten in seinen geschlossenen Händen unter seinem Körper verborgen. Als eine Gestalt vor ihm auftauchte und sich über ihn bückte, stieß er sich mit letzter Kraft nach oben. Er umarmte den Vietminh in einer tödlichen Umklammerung. Die drei Detonationen erfolgten zeitgleich. Alles was man von ihnen fand, waren ihre zerfetzten Körper. Bouger und sein Legionär hatten ihre letzte Pflicht, nicht lebend in die Hände der Viéts zu fallen, getan.


Eingang zum Friedhof.

Unmittelbar an das Dorf schloss sich der Friedhof an. Genau dorthin rannten die Legionäre der ersten Kompanie. Es war der einzige Ort, an dem eine Verteidigung gegen den Feind, der nun von allen Richtungen auf sie eindrang, möglich war. Der Friedhof war von einer niedrigen, bereits bröckelnden Ziegelsteinmauer umgeben. Diese war längst Opfer des einen Meter hohen Unkrautes geworden. Pagodenähnliche, bunte Gräber waren unwillkürlich innerhalb der Mauern verteilt. Neben dem schmalen, im Augenblick noch leicht zu verteidigenden Eingang, lag eine tote, braune Kuh. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Eine schleimige, schwarz verfärbte Zunge hing aus ihrem Maul. Grüne Fliegen hatten sich darauf niedergelassen. Eine Ameisenkolonne marschierte zögernd um sie herum, leckte hier und da an ihrem Blut.


Legionär mit einem erbeuteten Foto, das Ho Chi Minh zeigt.

»Geht in Deckung.«

Es war die Stimme des adjudanten. Dieser wusste, dass das Überleben der Kompanie davon abhing, wie schnell die beiden anderen Kompanien in das Kampfgeschehen eingreifen konnten. Er schätzte, dass der Rest des Bataillons etwa zwei Kilometer entfernt war: eine enorme Distanz angesichts der drückenden Überlegenheit der Vietminh! Was er aber nicht wusste, war, dass sie es genau in diesen Sekunden mit zwei Bataillonen des 95. Regimentes zu tun hatten. Das Kräfteverhältnis war etwa eins zu sechs, wahrscheinlich aber weit ungünstiger. Die Stimmen der Zug- und Gruppenführer versuchten, den Kampflärm zu übertönen. Unter den heranfetzenden MG Salven richteten sich die Legionäre zur Verteidigung ein. Vier Legionäre fielen im Kugelhagel bevor die Kompanie sich vom Schock erholt hatte und das Feuer systematisch erwidern konnte. Capitaine Caillaud, aufrecht inmitten seiner Legionäre, erhielt eine Kugel in den Bauch, was die Kompanie um ihn herum mit einem wütenden Aufschrei in ihren Reihen quittierte.

»Der Hauptmann ist tot. ... Hauptmann ist tot. Den Chef hat's erwischt!«

Ein Bauchschuss in einem Kampf mitten in Feindesland und weit weg von ärztlicher Versorgung war meist ein Todesurteil. Die Legionäre feuerten aus allen Rohren. Sie mochten ihren Hauptmann und die Nachricht von seinem vermeintlichen Tod erfüllte sie mit Hass aber auch mit neuem Kampfgeist. Eine Angriffswelle nach der anderen fiel über die Legionäre her. Der Vietminh schien entschlossen, den Friedhof dem Erdboden gleich zu machen. Einige Kilometer weiter nördlich sah der Chef der zweiten Kompanie auf seine Uhr. Die Sonne war längst aufgegangen und seit sie Phuoc Long am frühen Morgen verlassen hatten, gab es von der ersten Kompanie keine Nachricht. Als er, fast gegen seinen Willen, weitermarschieren wollte, erreichte ihn der verzweifelte Funkspruch. Die Worte waren abgehackt, kaum verständlich wegen des anhaltenden Gefechtslärms im Hintergrund.

... alle Einheiten. Benötigen sofortige Unterstützung. Hauptmann ist schwer verwundet oder tot. Macht schnell!

Der Chef der zweiten Kompanie traf seine Entscheidung ohne darüber nachzudenken, ja er verzichtete sogar darauf, seinen Befehl über Funk zu geben, sondern brüllte in den Regen, was das Zeug hielt.

»Kompanie herhören, neue Situation. Die Erste sitzt in der Patsche. Alles kehrt, Direktion Phuoc Long. Formation wie gehabt, marsch, marsch ... et que ça drop le Djebel. Feuereröffnung sobald feindliche Elemente als solche erkannt werden.«

Jeder wusste, was zu tun war. Als sie sich den Stellungen der ersten Kompanie näherten, gab es für die Legionäre kein Halten mehr.

»Angriff!«

Das Wort wurde von jedem Mann wiederholt, die Angriffsformation eingenommen und ein mit aller Härte geführtes Sturmschießen begann. Gnadenlos rückten die Legionäre vor, räucherten ein Nest der Vietminh nach dem anderen aus, erwarteten keine Gnade und gewährten diese auch nicht.

Das Feindfeuer kam ins Stocken und hier und da begannen die Viéts vor den entschlossenen Paras der Legion zu flüchten. Die dritte Kompanie reagierte ähnlich, zwang den völlig überraschten Viéts Kämpfe auf, denen diese bald den Rücken zukehrten, so schnell, brutal und effizient wurden sie von den Legionären angegriffen.

Aus Jäger wurden Gejagte.

Die Legionäre verfolgten die Viéts weit bis über die Grenzen des Dorfes hinaus, schossen auf alles, was sich ihnen entgegenstellte, rächten fünf Tote und fünfundzwanzig Verletzte. Capitaine Caillaud sowie einer seiner Legionäre, dem eine Kugel die Brust durchschlagen hatte, bekamen die letzte Ölung, doch kurioserweise wollte weder der Hauptmann noch sein Soldat das Zeitliche segnen. Beide überlebten.

Pour ce destin de chevalier, Honneur, Fidélité, Nous sommes fiers d'appartenir, au 2 ème BEP - Für unser Los der Tapferen Ehre, Treue. Sind wir stolz, dem 2. BEP anzugehören.

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