Читать книгу INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu - Thomas GAST - Страница 5
Das Ende zu Beginn
ОглавлениеIndochina. Dien Bien Phu. Nacht vom 06. auf 07. Mai, 1954. Irgendwo zwischen Huguette-2 und dem PC GONO. Leutnant le Cour Grandmaison, Kompanieführer der 7. Kompanie des 2. Bataillon Étranger de Parachutistes ist müde. Und er ist hungrig, kann sich nicht daran erinnern, wann er zum letzten Mal eine warme Mahlzeit zu sich genommen hat. Mit einigen wenigen Überlebenden soll er einen Gegenangriff auf Eliane-4 wagen. Zwei Kilometer Strecke liegen vor ihm und obwohl sein Auftrag aussichtslos ist, nimmt er ihn sehr ernst. Einen in aller Eile zusammengewürfelten Haufen Soldaten auf den Fersen, darunter viele Fallschirmjägerlegionäre des 2. BEP, springt er von einem Granattrichter und von einer Drecksgrube zur nächsten. Im Legionärsschritt eilt die kleine Gruppe nach Osten. Einmal die Bailey Brücke erreicht und vorbei an den Ratten des Nam-Youm, biegt sie scharf nach Nordosten ab und rennt wie von Sinnen weiter Richtung Eliane-4. Die Männer sind dreckig, unrasiert, viele sind verletzt. Munition ist Mangelware. Sie sind seit 30 Tagen ununterbrochen im Einsatz, einige sogar seit 170 Tagen. In einem Einsatz, in dem außer der Ehre nichts mehr auf dem Spiel steht. Der junge Offizier hebt seinen Blick und bekommt eine Gänsehaut. Der Hügel E-4 liegt eingehüllt in Feuer und Rauch, der Gefechtslärm ist ohrenbetäubend. Es ist eine Vision, die schlimmer anmutet als Dantes Inferno. Ob chef de bataillon Bréchignac vom 1. RCP den point d’appui solange halten kann, bis sie eintreffen? Le Cour Grandmaison glaubt fest daran. Er hastet weiter bis er das vermeintliche Angriffsziel erreicht hat. Bréchignac und Botella (letzterer ist der Kommandant der Bawouans) empfangen ihn wie einen Waffenbruder, fragen sich jedoch verwundert, mit welcher Armee er denn angerückt sei, sie vor den unablässigen Angriffen des Vietminh zu schützen. Le Cour Grandmaison sieht hinter sich. In der Tat: von den zwanzig Männern mit denen er den Angriff begonnen hat, sind nur noch der Funker Creis, ein Legionär und ein freiwilliger Vietnamese übrig. Alle anderen liegen auf der Strecke zwischen Huguette-2 und E4. Sie sind tot, zerfetzt von Giaps Artillerie. Als der Morgen graut, befindet Eliane-4 sich noch in französischer Hand. Punkt zehn Uhr an diesem denkwürdigen 07. Mai aber bebt die Erde. Die Luft ist plötzlich erfüllt mit donnernden, pfeifenden Geräuschen, wie sie die Verteidiger noch nie gehört haben. In Stalingrad, ja. Aber nicht hier in Dien Bien Phu. Zum ersten Mal seit dem Beginn der Bataille bringt Giap Stalinorgeln (Katjuscha) zum Einsatz. Kurz darauf verstummt Eliane-4. Kein Lebenszeichen erreicht den Hauptgefechtsstand GONO mehr. Doch nicht nur Eliane-4, sondern die ganze Schlacht ist verloren. Le Cour Grandmaison und seine Männer, sowenig es auch waren und was auch immer sie angetrieben hat, haben in Dien Bien Phu den letzten Gegenangriff der Franzosen geführt. Bezeichnenderweise waren fast nur Legionäre daran beteiligt.
Letzte Seite des Originals des JMO (Journal des marches et des opérations – Frontbericht) des Leutnant de Biré (2. BEP – 5. Kompanie), verfasst am 07. Mai, 1954, in Dien Bien Phu.
Leutnant de Biré, einer der Kompanieführer des 2. BEP, setzt diesen Angriff auf die allerletzte Zeile seines Frontberichts. Schwerverletzt geht er mit den spärlichen Resten seines Bataillons in die Gefangenschaft des Vietminh. Er und seine Männer ergeben sich dem Feind nicht. Auf Befehl stellen sie einfach den Kampf ein. Weiße Flaggen? Nein! Die Zeit des Kämpfens war einfach vorbei.