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Besonderheiten des autistischen Fühlens

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In den vorangehenden Abschnitten wurde darauf hingewiesen, dass autistisches Denken neben Nachteilen auch Vorteile mit sich bringt. Von den Besonderheiten des autistischen Fühlens (Umgang mit Emotionen) kann dies weniger behauptet werden.

Menschen aus dem Autismus-Spektrum sind meist einseitig auf das Denken und speziell das logisch-formale Denken ausgerichtet. Sie haben grundsätzlich Mühe mit ihren Emotionen wie auch mit den Emotionen der anderen.

Wenn man vom ganz kleinen Kind ausgeht, dann kann man feststellen, dass dieses noch keine differenzierten Emotionen empfinden und ausdrücken kann, sondern eher basale Zustände wie »Wohlsein« und »Unwohlsein«. Stark von Autismus Betroffene bleiben quasi auf dieser Entwicklungsstufe stehen. Im Falle von »Unwohlsein« bzw. bei negativen Emotionen können sie nicht unterscheiden, ob sie nun Wut, Enttäuschung, Trauer oder eine andere negative Emotion empfinden. Entsprechend können sie diese Emotionen auch nicht differenziert ausdrücken oder mitteilen.

Weniger stark Betroffene entwickeln zwar zumindest eine Differenzierung der basalen Emotionen wie Trauer, Freude, Wut, Überraschung usw. Dennoch haben sie große Mühe, wenn es darum geht, diese Emotionen bei sich selbst zu erkennen, sie angemessen auszudrücken oder gar anderen differenziert mitzuteilen.

Allerdings ist es sehr wichtig zu betonen, dass die beschriebenen Probleme im Bereich des autistischen Wahrnehmens, Denkens und auch des Fühlens nicht in Stein gemeißelt sind. Betroffene können in allen diesen Gebieten lernen. Sie können lernen, nicht zu sehr Details verhaftet zu bleiben, auch die Sichtweisen anderer zu berücksichtigen oder ihre Gefühle differenzierter wahrzunehmen und auszudrücken, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber dieses Lernen geschieht nicht, wie bei den meisten Menschen, automatisch. Autistische Menschen brauchen für dieses Lernen Unterstützung und Anleitung, so wie andere dies für das Lesen- und Rechnenlernen benötigen. In der Zwischenzeit sind dazu auch schon viele entsprechende Therapie-Konzepte entwickelt worden, auf welche im Kapitel 5 näher eingegangen wird.

Die Arbeit an den emotionalen Kompetenzen autistischer Menschen ist allerdings nicht nur für den Umgang mit Emotionen wie Trauer und Wut von großer Bedeutung. In neuerer Zeit wird von Seiten der Hirnforschung immer mehr darauf hingewiesen, dass für ein sinnvolles Denken und Handeln Emotionen sehr wichtig sind. Das betrifft z. B. insbesondere solche Bereiche wie »Entscheidungen treffen« oder »Ziele setzen und verfolgen«. Für diese kognitiven Leistungen ist das Mitwirken emotionaler Prozesse von großer Bedeutung. Kurz gesagt: Das Treffen von Entscheidungen ist meist das Resultat eines emotional-intuitiven Prozesses und nicht ein rational-bewusster Vorgang! Insofern erstaunt es natürlich nicht, dass Menschen aus dem Autismus-Spektrum sich mit dem Treffen von Entscheidungen oft sehr schwer tun.

Die vielen Farben des Autismus

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