Читать книгу Die vielen Farben des Autismus - Thomas Girsberger - Страница 17
Umgebungseinflüsse
ОглавлениеDie erbliche Veranlagung sowie die beeinträchtigte Funktionsfähigkeit des Gehirns sind für die Entstehung autistischer Störungen zweifellos die wichtigsten Grundlagen. Aber dies bedeutet natürlich keineswegs, dass nicht auch andere Faktoren von Bedeutung sind, die die Umgebung des heranwachsenden Kindes betreffen.
Die Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Kind und seinen wichtigsten Bezugspersonen (Eltern, Geschwister, Großeltern usw.) ist in jedem Fall, ob es sich nun um ein neurotypisches Kind oder ein Kind aus dem Autismus-Spektrum handelt, von großer Tragweite. Eltern, die zu ihrem Kind eine liebevolle Beziehung entwickeln können – gerade auch dann, wenn das Kind von der normalen Entwicklung und dem normalen Verhalten abweicht –, haben einen günstigen Einfluss. Eltern, denen das nicht oder nur teilweise gelingt, haben einen entsprechend weniger günstigen Einfluss. Man kann sich ja gut vorstellen, dass sich ein oder beide Elternteile von einem »schwierigen« Kind enttäuscht abwenden, von einem Kind, das ihre Bemühungen um Kontakt und Zuwendung mehr oder weniger ignoriert oder gar ablehnt. In letzterem Fall wird ein Kind mit Frühkindlichem Autismus eine wesentlich »autistischere« Entwicklung machen, als im Falle von sehr geduldigen und weiterhin positiv bemühten Eltern.
Gerade weil die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung von so großer Bedeutung ist, wurden eine ganze Reihe von Therapien und Förderkonzepten entwickelt, die einerseits zum Ziel haben, das autistische Kind aus seiner Reserve und seinen begrenzten Interessen und Aktivitäten zu »locken«. Diese Konzepte zielen aber anderseits genauso darauf ab, die Beziehungen zwischen Eltern und Kind zu entwickeln und zu verbessern, denn Beziehungen gedeihen ja in erster Linie auf der Basis gemeinsamer spielerischer Aktivitäten und Interaktionen. Als Beispiele für solche Konzepte seien hier erwähnt: ABA, Angewandte Verhaltensanalyse; MIFNE, familienorientierter Ansatz; DIR/Floortime Modell; TEACCH. Diese Aufzählung ist bei Weitem nicht vollständig. Alle diese Methoden haben aber gemeinsam, dass unter starkem Einbezug der Eltern und mit viel zeitlichem Aufwand daran gearbeitet wird, den Austausch und Kontakt des autistischen Kindes mit seiner Umwelt zu fördern. Eltern, deren Kind von Frühkindlichem Autismus betroffen ist, sollten für sich selbst herausfinden, welche der angebotenen Methoden für sie selbst am besten geeignet ist. Was für die eine Familie sehr erfolgreich ist, funktioniert bei einer anderen Familie möglicherweise überhaupt nicht. Mittlerweile gibt es in jedem Land Elternvereine, wo man sich gut über die verschiedenen Angebote informieren kann ( Anhang).
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass bei Kindern mit Asperger-Syndrom und anderen eher leichteren Formen von Autismus die oben erwähnten zeit- und kostenintensiven Maßnahmen nicht notwendig sind. Für diese Kinder gibt es eine Reihe von anderen Angeboten, welche im Kap. 5 genauer dargestellt werden.