Читать книгу Der Ideen-Entzünder - Thomas Hamblin Harry - Страница 28

Erste Zeitschriftenerfahrung

Оглавление

Thomas: Was für Inhalte waren da drin?

Uli: Predigten, Artikel, Witze, norddeutsche Jugendarbeit, Konzertberichte, die neueste LP von »Arno und Andreas« – alles noch sehr einfach. Es konnte auch Erhard nur recht sein, weil es unter ihm als Jugendpastor in Norddeutschland Bewegung entfaltete. Letztlich sind wir ja alle auf solche Teamarbeit zwischen Alt und Jung angewiesen, das ist eine Art von Symbiose. Das sah ich aber damals nicht, sondern war nur dankbar für die Chance, dass ich gestalten konnte, Ideen umsetzen durfte, Hilfe, Rahmen, Finanzen dafür fand. Genau das war Erhards Stärke – er musste nicht immer selbst als der große Macher rauskommen, sondern ließ Leute laufen.

Ich fuhr dann oft mit 16 oder 17 allein im Zug nach Hamburg und werkelte mit ihm an dem Magazin. Das war ein Stück freischwimmen, erste eigene Projekte. Abends fuhr er mich in seinem Opel Ascona zum Hauptbahnhof und begleitete mich runter auf den Bahnsteig, weil er wollte, dass ich gut im Gewusel der Millionenstadt in den Zug einstieg. Ich dachte: »Ist das denn nötig, ich bin doch erwachsen!« Ich fand es aber irgendwie auch gut, dass er mich so begleitete, Fürsorge wahrnahm. Dieses Zusammenspiel, Einführen in die Arbeit, Leute an die Hand nehmen, Talente und Gaben einsetzen, da habe ich bei Peter und Erhard viel gelernt.

Thomas: Ist in dieser Zeit der Gedanke aufgekommen: »Ich will so was mal machen, ich habe dafür Begabung und Leidenschaft« – oder hast du diese Dinge einfach gemacht, weil die Möglichkeiten dazu da waren?

Uli: Es war meine natürliche Lebenswelt, das, was mir wichtig war – es ging um das Ziel, etwas zu bewegen. Das war das, was ich von meiner Familie her kannte, was mich selbst begeisterte, wo ich mich auch ausprobieren konnte. Irgendwann kam dann die Frage auf, was ich mal beruflich werden wollte. Ich spürte eine Spannung: »Ja, Pastor, das wäre schon was – aber ehrlich, du bist ja so ein großer Sünder! Kommst nicht klar mit Selbstbefriedigung – oder was da sonst noch alles ist.«

Thomas: Wenn dieser Vorbehalt nicht gewesen wäre, dann ...

Uli: … dann wäre ich vielleicht als Pastor durchmarschiert. Am Ende habe ich dann den für mich angenehmen Weg gewählt: Ich wollte Lehrer werden. Dieter war ja bereits Lehrer und konnte parallel viel für die Gemeinde tun. Warum? Lehrer hatten Ferien und freie Nachmittage – stellte ich mir vor –, so was war optimal für Gemeindearbeit! Klar, ich weiß natürlich heute, dass auch Lehrer einen Haufen zu tun haben. Aber irgendwie lockte mich das, dazu das gute Gehalt als Beamter – war das alles nicht optimal fürs Ehrenamt in der Gemeinde? Das Beste beider Welten – nicht ganz auf das fromme Pastorenpferd setzen, für das ich mich nicht heilig genug fühlte, sondern als Lehrer von der Seite zuspielen.

Thomas: Gab es denn niemanden, mit dem du über den Sünder Uli sprechen konntest, der dich entlastet hätte?



PUNKT-Stand mit Kathrin Schaeder und David Neufeld

Uli: Unkonkret natürlich. Aber konkret schämte ich mich ja, da war die große Einsamkeit. Themen wie Selbstbefriedigung und Sexualität und überhaupt alles, wo es irgendwie konkret wurde – darüber sprach man besser nicht. Da hat man Bücher gelesen.

Thomas: Die gab es?

Uli: Schon, aber vor allem bezogen auf Freundschaft und Partnerschaft, wie du den richtigen Partner findest oder so was – »bloß nicht zu früh anfangen!« Auch über den Umgang mit Sexualität, aber natürlich lief es immer auf Sünde hinaus und du bliebst allein mit deinem »Immer wieder«-Versagen. Da war keiner, der entlastete oder relativierte oder einfach mal zur Entwarnung blies. Auch dieses Herumschlagen mit verheimlichter Sünde ist so eine typische Wunde vieler Christen, die mir zum Mandat geworden ist, weil ich weiß, dass dieses starke Selbstverurteilungsgefühl in vielen Menschen ist: »Ich bin nicht heilig genug. Ich möchte in diesem Gemeindesystem leben, aber ich werde dem gar nicht gerecht.«

Das gilt für ganz viele Themen und Lebensbereiche – es ist eines der großen Menschheitsthemen quer durch alle Kirchen. Viele schlagen sich mit ihrer Selbstverurteilung herum – mit all den dunklen Ecken im Leben, die man nicht vorzeigen mag. Jeder hat da etwas – und wir bringen zu wenig befreiendes Licht des Evangeliums dort hinein, sondern zwängen die Leute eher in diesen Zwiespalt zwischen Soll und Ist: Das ideale Soll kennen und das brüchige Ist verbergen, um den anderen Heiligen gerecht zu werden, die das alles ja wohl besser hinkriegen als man selbst.

Jeder hat seine ganz eigene Färbung von Schuldgefühlen oder Bereichen, für die er Scham erlernt hat und die er im Dunkel hält. Zum Glück habe ich unterwegs gelernt: Jesus ist ja gerade gekommen, um Soll und Ist zu versöhnen, lebbar zu machen! Mit einem guten biblischen Kompass-Nord für die Richtung meines Lebens – und einem bedingungslosen Liebes-Ja zu mir, wie ich nun mal heute bin. Das ist einfach revolutionär! Aber es steht in Spannung zueinander – und wird leider von der Kirche nicht immer gut verwaltet. Sie fällt allzu leicht links oder rechts vom Pferd, verliert die Spannung zum Ideal oder verhärtet sich zur Gesetzlichkeit ...

Thomas: Dein Lebensthema »Ehrlichkeit« hat unter anderem hier seine Wurzeln?

Uli: Absolut! Zu hundert Prozent. Dieses Ringen darum, wie du gut funktionierend, mit Leidenschaft und Freude Teil eines Systems sein kannst, für das du dich letztlich aber nicht voll tauglich fühlst. In dem du dich schuldig fühlst und trotzdem munter vorwärtsgehst. Aber mit Last im Rucksack. Mit Selbstverurteilung, Schuldgefühlen, unendlichen Neuanfängen: »Jetzt lass ich das aber wirklich mal! Jetzt wird alles anders!« … und dann schafft man es doch wieder nicht. Wie es ja mit all unseren Untugenden oft ist ...

Der Ideen-Entzünder

Подняться наверх