Читать книгу Der Ideen-Entzünder - Thomas Hamblin Harry - Страница 29
Spannungsthema Sexualität
ОглавлениеThomas: Eine innere Spannung, die wahrscheinlich jeder junge Mann und Christ durchmacht und durchgemacht hat! Sicher sind Jugendliche heute entspannter als damals. Ich kann aus meiner Geschichte Ähnliches erzählen, wenn auch mit weniger Schuldgefühlen. Aber mit den endlosen Entschlüssen: Jetzt ist mal Schluss mit der Selbstbefriedigung! Gleichzeitig wusste ich: Es ist gar nicht möglich, dass Schluss ist. Diese Kraft ist viel zu vital!
Uli: Deswegen empfinde ich bis heute, dass die christliche Szene mit dem Thema Sexualität nicht gut umgeht, und spüre ein Mandat dafür. Die Kirche verkennt diese Kraft und Macht, die das gerade in jungen Männern hat, diese beherrschende Rolle, die es als ein Hungergefühl hat ...
Thomas: Was ja gut ist, weil es ein Geschenk Gottes ist. In der Jugend ist es nur so, dass du noch nicht den Menschen hast, mit dem du das fröhlich leben kannst.
Uli: Ja, und du kriegst es nicht so einfach beherrscht. Du hörst immer, wie gut das mit der Sexualität ist, denn Gott hat das alles doch erfunden – und die Betriebsanleitung dafür steht in der Bibel. Blöderweise stehen da aber eher Grenzbestimmungen und Warnhinweise. Und wer Grenzen und Gefahren – vermeintlich fürsorglich – gepredigt bekommt, vernabelt sich schnell mal dort und entdeckt die Schönheit unter dem Schatten der Belastung manchmal gar nicht recht. Da hätte mir wieder das gut Reformatorische geholfen. Jemand, der gesagt hätte: »Weißt du was? Das ist doch alles geborgen in Christus! Der weiß das doch alles – warum musste er denn sonst kommen, wenn nicht dafür, dass wir es an allen möglichen Stellen nicht hinkriegen?! Entspann dich, je mehr du dich verkrampfst, umso schwieriger wird es. Behalt das Ziel im Auge, Stolpern gehört dazu – Sexualität und Lust sind so starke Sachen, das geht nicht immer gut!«
Thomas: Du hast als junger Erwachsener ein Buch über Sexualität von Tim Stafford übersetzt. Ich habe es als Jugendlicher gelesen und fand es richtig gut. Was hat dich damals bewogen, dich dafür starkzumachen?
Uli: Ich hatte die Zeitschrift »Campus Life« aus den USA entdeckt. Darin gab es eine Serie von Tim Stafford: »Love, Sex and the Whole Person« (deutscher Titel: »Liebe, Sex und Du«). Parallel wurde ich von der FeG-Jugendzeitschrift »Der Pflüger« zur Mitarbeit eingeladen. Ich hatte vorher einige kritische Leserbriefe geschrieben. Hans Jürgen Schmidt, der Redakteur, und Peter Strauch holten mich dann ins Team. Sie haben wohl gedacht: »Wenn einer kritisch schreibt, dann will er was bewegen!« – und ich habe meine Ideen eingebracht und unter anderem diese Serie übersetzt.
Wie Stafford über Sex schrieb, war ein großer Gegensatz zu allem, was ich von Deutschland her kannte. Da wurde offen geredet! In unserer deutschen Jugendzeitschrift kam der Begriff »Sexualität« gar nicht vor. Vielleicht ging es mal um Ehe oder Reinheit, aber nicht um Sexualität oder Partnersuche.
Ich erinnere mich mit Schmunzeln an eines unserer damaligen Jugendkreisthemen: »Wir reden mal ganz offen über gewisse Dinge« – jeder wusste, was gemeint war –, aber was für ein Krampf! Und bei Stafford merktest du, dass die Gemeindelandschaft in den USA schon weiter war. Das hat mich begeistert – und was mich selbst begeistert, das will ich immer auch anderen weitergeben. Dabei hatte ich gar nicht so viel Ahnung von Englisch, war aber eben flüssig in jugendlichem Deutsch.
Thomas: Und was sagten deine Eltern dazu, dass du so was »Offenes« übersetzt und unter die Leute bringst?
Uli: Sie waren positiv, war ja für die Gemeinde gut – und die engen Freunde Peter Strauch und Erhard Diehl hielten die Hand darüber. Aber Mutter hatte natürlich immer so ihre Ängste, manchmal reagierte sie mit Entsetzen: »Junge, muss das denn jetzt auch noch sein?«, oder »Junge, was machst du denn da bloß schon wieder?« Mamas wollen einen ja immer ein bisschen vor der großen Welt beschützen.
Thomas: Aber sie haben dich nicht zurückgepfiffen oder zurückgehalten?
Uli: Nein, ich wusste um ihre Sorge, aber sie ließen mich gehen – und ich war mir immer auch sicher, dass da ein staunend-kopfschüttelndes Wohlwollen war. Natürlich heimlich. Aber sie freuten sich auch mit, wenn etwas am Ende lief. Allerdings haben sie mich nicht aktiv nach vorne gepuscht. Das hätte ich mir manchmal durchaus gewünscht: Jetzt könnten sie aber auch mal sagen: »Mensch, Junge, was aus dir geworden ist! Dass du das auch noch geschafft hast!« Aber so was kam nicht – immer eher: »Pass auf, dass es nicht zu viel wird!«
Thomas: Ermutigung und Voranschieben kamen von außen, von deinen Mentoren.
Uli: Ja, eher. Das Zuhause hat den sicheren Hafen geboten, einen Raum des Entwickelns und ein positives Akzeptiertsein, aber das motivierende Element: »Jetzt mal los!« ist durch die Außenreaktionen und das positive Feedback gekommen.