Читать книгу Buddhas achtsamer Weg aus der Krise - Thomas Hohensee - Страница 7
ОглавлениеDie menschliche Grunderfahrung
Wir möchten einfach nur glücklich sein und sind doch so oft unglücklich.
Fast scheint es, als folge einem das Unglück wie ein Schatten. Man wird es nicht los, sosehr man sich auch darum bemüht. Das ist die Erfahrung, die jeder in seinem Leben macht, und manche bleiben ein Leben lang ängstlich, depressiv und wütend, ohne dass sie einen Ausweg finden.
Sie wünschen sich so sehr, dass es anders wäre, aber Wünschen allein hilft in diesem Fall nicht.
Obwohl die Kindheit gemeinhin als die glücklichste Zeit des Lebens gilt, beginnt für viele das Leiden schon in frühen Jahren. Ich möchte gar nicht alles aufzählen, was Kindern angetan wird oder was ihnen passieren kann, ohne dass jemand schuld daran ist. Nur wenige Beispiele: Manchmal stirbt ein Elternteil kurz nach der Geburt des Kindes. So war es beim Buddha. Seine Mutter starb, nur sieben Tage nachdem sie ihn zur Welt gebracht hatte. Unter solchen Umständen wirft der Tod schon bald einen Schatten auf die eigene Existenz. Noch dramatischer ist es, wenn beide Eltern die Welt verlassen, nachdem man sie selbst gerade erst betreten hat.
Gewalt und Missbrauch sind in einigen Familien immer noch präsent. Generell werden Kinder, jedenfalls bei uns, heute besser behandelt als in früheren Jahrhunderten. Die Jüngsten waren lange Zeit vollkommen rechtlos. Nicht einmal wenn sie getötet wurden, nahmen viele Anstoß daran.
Nicht wenigen Menschen verleidet die Schule ihre Kindheit. Wer da nicht richtig hineinpasst und nicht mitkommt, hat es schwer. Auch Kinder sind nicht immer nett zueinander. Mobbing heißt das in diesen Tagen. Doch es geschah zu allen Zeiten, dass Kinder andere Kinder auslachten, beleidigten, drangsalierten, verprügelten, erpressten, bloßstellten oder isolierten.
So viel zur glücklichen Kindheit.
Wer diese tatsächlich so erlebt hat, macht spätestens als Erwachsener Bekanntschaft mit dem Leiden. Dann, wenn der »Ernst des Lebens« beginnt. Ist die Kindheit oft noch eine Schonzeit, so endet diese mit dem Eintritt ins sogenannte Erwachsenenleben. Wer volljährig ist, kann nicht mehr mit allzu großer Rücksichtnahme rechnen.
Es gilt, einen Beruf zu ergreifen und eine eigene Familie zu gründen. Sowohl das eine als auch das andere kann sich schnell zu einer unerschöpflichen Stressquelle entwickeln. »Wenn ich einmal groß bin, werde ich alle meine Träume verwirklichen«, so dachte mancher noch als Kind. Doch in der Realität zerschellen etliche dieser Wunschvorstellungen schneller, als einem lieb ist.
Der Beruf erweist sich als Fehlgriff. Man hatte ihn sich anders vorgestellt. Die Karriere bekommt früher einen Knick, als man hoffte. Es geht nicht mehr aufwärts, sondern abwärts. Erst glaubt man, es läge an der Firma, an den Vorgesetzten oder dem »Team«. Doch nach mehreren Jobwechseln erkennt man, dass die Probleme einem auch hier folgen. Der Traumberuf und die Traumfirma drohen zu einem Alptraum zu werden.
Ähnlich sieht es mit Partnerschaft und Familie aus. Zu Beginn ist man überzeugt, alles anders und besser zu machen als die eigenen Eltern. Statt endloser Streitereien beständige Harmonie. Statt Stress mit den Kindern die allerbeste Freundschaft mit dem Nachwuchs.
Während man die »wilden« Jahre und häufige Partner-Innenwechsel vielleicht noch genießt, merkt man eines Tages, dass die Jahre immer noch wild sind, aber anders wild, als man sich das erträumte. Man glaubte, irgendwann die TraumpartnerIn zu finden, mit der man bis ans Ende aller Tage glücklich sein würde. Doch nach der ersten Scheidung kommen einem Zweifel. Nach weiteren Trennungen stellt sich die verzweifelte Erkenntnis ein, dass auch dieser Traum sich nicht zu erfüllen scheint.
Die Kinder sind einem angesichts der beruflichen Verpflichtungen und der zeitlichen Inanspruchnahme für tausend andere Dinge seltsam fremd geblieben. Es gefällt einem nicht, wie sie sich entwickelt haben. Man streitet eher, als dass man sich verträgt. Schließlich ist man sogar froh, wenn die Kinder endlich das Weite suchen. Aber eine gewisse Trauer schwingt dabei mit.
Bleibt noch das Alter. Wer das Glück hatte, eine glückliche Kindheit zu erleben, wem der berufliche Erfolg vergönnt war mit allem, was dazugehört: Geld, Anerkennung, Aufstieg bis weit an die Spitze, wer es sogar hinbekommen hat, eine halbwegs glückliche Partnerschaft und ein unbelastetes, gutes Verhältnis zu den Kindern zu haben, erfährt nun, dass all dies enden wird, nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch. Der Abschied aus der Firma wird noch einmal groß gefeiert, dann ist das Berufsleben vorbei.
Die Kinder haben mit vielen Glückwünschen das Elternhaus verlassen und leben nun auf der anderen Seite des Planeten. Freunde sterben. Auch der eigene Körper will nicht mehr ganz so, wie er sollte. In schönen Erinnerungen schwelgen: Reicht das wirklich? War es wirklich gut? Hat man seine Möglichkeiten ausgeschöpft? Wie viel blieb unerledigt, unerfüllt?
Niemand kann den Wechselfällen des Lebens entgehen. Es gibt keinen Lebensweg ohne Krisen. Wer etwas anderes behauptet, lügt. Eine Nachfrage bei der Familie, bei Freundinnen, Kollegen oder Nachbarinnen offenbart ein realistischeres Bild, jedenfalls dann, wenn die Befragten ehrlich antworten. (Auto)Biografien werden oft geschönt, die Niederlagen verschwiegen. So wird aus einem Drama ein Märchen.
Doch Krisen sind ein unvermeidbarer Teil des Lebens.
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