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1 PROLOG
ОглавлениеHalbblut
Von
Thomas Kadlubek
Der Kontinent Arlas, benannt nach Arla, dem mächtigsten Gott der Menschen, lag seit
Jahrtausenden im Krieg. Niemand kannte noch Geschichten aus der Zeit, in der Menschen
und Elfen friedlich oder gar freundlich miteinander gelebt hatten. Zu schlechten Zeiten
bekämpften die Völker dieser Erde sich über Jahrhunderte. Zu guten Zeiten, wie dieser, zogen
sie sich in ihre Länder zurück und blieben einander fern.
Den Menschen gehörte der größere Teil von Arlas, denn in vielen Kriegen hatten sie die
zahlenmäßig unterlegenen Elfen langsam in die Wälder im Norden zurück getrieben. Ein
reißender Fluss, der das ganze Land zu teilen schien als wären es zwei, bildete die Grenze
über die ganze Länge des Landes. Das Gesetz der Menschen besagte, dass kein Elf die Grenze
übertreten durfte, sonst erwartete ihn Gefangenschaft, Folter und schließlich der Tod.
Denn Elfen, so wusste man, waren gefährliche Wesen. Äußerlich den Menschen ähnlich,
wenn auch größer und körperlich stärker, verfügten sie über Kräfte, mit denen sie einen
Menschen ins Unglück stürzen konnten. Ihre Augen waren schwarz, ihre Haut weiß und kalt,
und es hieß, sie würden ihr eigenes Leben verlängern können, indem sie Menschen töteten,
und die gestohlenen Jahre des Gestorbenen mit dämonischem Zauber auf ihre Zeit
aufrechneten. Sie waren in der Lage, die Gedanken von Menschenfrauen zu bezwingen, und
sie nach ihrem Willen zu lenken.
Sie glaubten nicht an die drei Gottheiten Arla und seine Frauen Nanas und Kensayi, sie
beteten nicht und verursachten durch diesen Frevel immer wieder Katastrophen wie
Erdbeben, Wirbelstürme, Dürreperioden oder Überschwemmungen, unter denen die
Menschen mit ihnen zu leiden hatten. Elfen planten unentwegt an Verbrechen, mit denen sie
den Menschen schaden konnten, denn sie verlangten nach der vollständigen Gewalt über die
Erde Arlas, die sie selbst als „Nandah“ bezeichneten.
Manchmal geschah es, dass gerade in der Nähe der Grenzen oder alter Wälder Menschen – oft
waren es Kinder - spurlos verschwanden, entführt von den lebensgierigen Elfen.
Und manchmal sendeten sie wilde Tiere wie blutrünstige Einhörner und Drachen, die die
Männer angriffen und töteten und die Menschen schwächten.
In der Vergangenheit war es häufig geschehen, dass Elfenmänner Menschenfrauen in ihren
Bann gezogen – oder schlicht mit Gewalt geschändet hatten – und die dadurch entstandenen
Wesen - dämonische Bastarde, 'Halbelfen' - hatten die Aufgabe, die ganze Reinheit der
Menschen langsam auszurotten, indem sie ihr unseliges Blut langsam mit den Blutlinien der
Menschen vermischen sollten, bis es irgendwann keine reinen Menschen mehr geben sollte,
sondern allein noch Elfenblut regierte.
König Gerog war ein guter und gerechter König, der sein Volk bis zum einfachsten Mann
liebte und schützte. Die Aufgabe, verdammte Bastardkinder zu enttarnen und zu verurteilen,
machte ihm schwer zu schaffen, denn kaum eine Frau gab ihren Halbling gerne her. Viele
flehten oder kämpften gar um das Leben der unseligen Kinder, schrieen und jammerten, wenn
man sie ihnen wegnahm und manch eine war durch die Hexerei so geblendet, dass sie gar
wahnsinnig wurde oder den Freitod suchte. Da König Gerog schon als Kind im Thronsaal
seines Vaters Mitleid mit den armen Frauen hatte, tat er in seiner Amtszeit kaum etwas so
gewissenhaft, wie die Grenzen zu überwachen, damit es möglichst gar nicht erst soweit kam,
dass sich menschliches mit elfischem Blut mischen musste.
König Gerog war jung König geworden. Sein Vater war gestorben, als er selbst gerade
fünfzehn Jahre alt gewesen war. Er hatte schon während seiner Schulzeit verantwortungsvoll
über sein Land reagiert, war seinen Pflichten vom ersten Tage nachgekommen und hatte
darüber hinaus seinem Privatleben oder gar einer Familiengründung lange wenig Beachtung
geschenkt.
Selbst mutterlos von Ammen großgezogen, kam ihm die Suche nach einer Frau erst in den
Sinn, als er langsam daran dachte, sein Königreich irgendwann einem Sohn vererben zu
müssen. So fiel die Auswahl einer Frau schnell, pflichtbewusst und rational. Eine schöne Frau
sollte es sein, mit ordentlichen Abstammungspapieren über fast tausend Jahre zurück. Er
heiratete Ellen an seinem 40. Geburtstag, neun Monate später kam sein erster Sohn Frede,
sein Kronerbe, zur Welt.
Hatte König Gerog bisher ausschließlich seine Arbeit geliebt, so erfüllte ihn das Vaterherz mit
Freuden, an Kinderlachen konnte er kaum genug bekommen, nahm es ihm doch für einen
Moment die Bilder der Bastardsvernichtung, die ihn so oft verfolgten. Nur wenige Jahre
später hatte ihm Ellen einen zweiten Sohn – Viktor - geschenkt, dann verstarb sie bei der
Geburt des dritten Kindes, einem Mädchen, Elijana.
Elijana war König Gerogs schönste Freude und seine größte Sorge zugleich. Schon als Baby
zeigte dieses Kind sich aufgeweckt und aktiv wie kein Zweites. Ihre Amme tat kaum etwas
anderes, als sie im Schlossgarten herum zu tragen und ihr alles zu zeigen, um ihren
Wissenshunger zu befriedigen, wenn sie das lebenshungrige Kind nicht gerade an der Brust
hatte.
Das Mädchen begann früher zu laufen und zu sprechen als ihre Brüder, und nicht selten lief es
der Dienerschaft einfach davon, um nach einer schier endlosen Suche, die alle viel Nerven
kostete, lachend aus einem Versteck zu hüpfen.
Wie alle ihre Brüder hatte sie des Vaters Leidenschaft für Pferde geerbt und schon mit drei
Jahren bekam sie ihre ersten Reitstunden auf dem kleinsten Pony, welches im ganzen Land zu
finden war. Mit vier Jahren trabte sie alleine durch den Schlosspark und mit sechs Jahren ritt
sie ihren Brüdern lachend davon.
Elija, wie sie genannt wurde, bekam von ihrem Vater immer was sie wollte, nie blieb ein
Wunsch ihr verwehrt. Doch machte der König sich regelmäßig Sorgen über ihren enormen
Freiheitsdrang, denn die Schlossmauern wurden ihr rasch zu eng und die gemeinsamen
Ausritte mit Begleitern langweilten sie. Doch erst an ihrem fünfzehnten Geburtstag erlaubte
er ihr, alleine auszureiten, und dies auch nur, wenn sie nach Süden ritt, wo sich schmucke
Bauerndörfchen inmitten hügeliger Wiesenlandschaften einfügten, das Land weit
überschaubar war und wo seit vielen Jahren keinem Menschen mehr etwas zugestoßen war.
Die Uralten Wälder, etwas nördlich der Stadt, blieben für Elija verboten.
Und vermutlich war es genau das, was diese Gegend für Elija so besonders interessant
machte. Nachdem sie im Süden kilometerweit jedes Dörfchen gesehen, jedes Gehöft besucht
und jede Wiese überquert hatte, beschloss sie an einem taufrischen Sommermorgen, nach
Norden zu reiten.