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6 20 Monate später, im Herzogreich Fallseben

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Der erste Schnee war in diesem Jahr früh gefallen und blieb lange liegen. Der Winter war

klirrend kalt, und wer konnte, hielt sich überwiegend im Haus auf, ganz in der Nähe des

Kamins.

Elijana war eine begeisterte Reiterin und ließ sich selten durch das Wetter aufhalten. Doch in

diesem Winter reduzierte selbst sie ihre Ausritte auf kurze Umrundungen der Burg ihres

Bruders.

Fast zwei Jahre lebte sie nun schon hier auf Fallseben und jeden Tag wurde ihr aufs Neue

klar, wie richtig diese Entscheidung gewesen war.

Ihr Bruder, Prinz Frede, und seine Frau Tara waren fröhliche, lebenslustige Menschen, die

viel feierten, oft Gäste einluden und dabei herzlich wenig auf die Etikette achteten. Außerdem

war deren Tochter Anni, Elijas Nichte, ein absoluter Sonnenschein, mit dem Elija sich gerne

beschäftigte. Zwei Jahre war die kleine Anni gerade geworden. Mit tapsigen Schrittchen

folgte sie Elija überall hin und egal was sie hörte, sie plapperte es nach. Erst wenn sie zum

Umfallen müde wurde, verlangte sie lautstark in den Arm genommen und in den Schlaf

getragen zu werden, oder sie wackelte zu ihrer Mutter, die sie an die Brust nahm, bis sie selig

eingeschlafen war.

Am glücklichsten war Elija aber über die Gesellschaft ihrer Schwägerin.

Tara war nur wenige Jahre älter als Elijana, eine äußerliche unscheinbare, zierliche Person mit

aschblondem Haar und fröhlichen blauen Augen. Sie ritt ebenso begeistert wie Elija und oft

unternahmen die beiden jungen Frauen gemeinsame Ausflüge ins Umland, fuhren mit dem

Kind in der Kutsche hinaus um irgendwo auf einer Wiese Mittagsrast zu machen oder saßen

abends stundenlang gemeinsam am Kamin und erzählten sich Geschichten.

Und wenn Tara ihre kunstvollen Ölbilder malte, bat sie Elija oft, in der Zeit für sie Klavier

oder Harfe zu spielen. Tara hatte geschickte Hände und eine Freude an Handwerkskünsten,

und sie schaffte es, Elija dazu zu bringen, das Nähen, Weben und Stricken zumindest zu

versuchen. Elija konnte nicht behauptet mit ähnlich großem Talent für solche Feinarbeiten

geboren zu sein, doch sie versuchte es Tara zuliebe und als Klein-Anni das erste Mal einen

von ihr gestrickten Pullover trug, war sie stolz - und dabei machte es gar nichts, dass das

Stück sicher ein Dutzend Fehler hatte und an der linken Seite weit länger war als an der

rechten …

Das Leben pulsierte, auf Burg Fallseben. Die Gesellschaft des Umlandes ließ kaum ein Fest

unbesucht, und Elija hatte in den letzten Monaten sicher vier Hand voll junger Adliger kennen

gelernt, die sich darum rissen, mit ihr zu tanzen oder ihr ein Glas Wein bringen zu dürfen.

Mehr ließ sie nie zu, und nicht selten zog Tara sie neckisch damit auf, dass sich wohl alle

Männer die Zähne an ihr ausbeißen müssten und sie sich wohl nie verlieben würde.

Dies war Elijas einziges Geheimnis vor ihrer Freundin Tara, ihre erste Romanze, ihr

heimlicher Kuss - ihre erste Liebe.

Elija dachte oft wehmütig an ihn zurück; an Jarno, den Elfenmischling, der sich so völlig

ungehobelt über sie lustig gemacht und danach einfach geküsst hatte … und vermutlich für

immer in ihrem Herzen bleiben würde. Elijana war sich sicher, seine funkelnden

Bernsteinaugen niemals vergessen zu können, und kein Mann der Welt würde nur annähernd

an ihn heran kommen.

Oft hatte Elija sich gefragt, ob er sie mit einem Zauber verhext hatte, und sie nun dafür

bestimmt war, auf ewig in ihren bittersüßen Erinnerungen versinken zu müssen. Elfen waren

schließlich bekannt dafür, naive Menschen in ihren Bann zu ziehen und für ihre Zwecke zu

missbrauchen.

Aber noch viel häufiger fragte sie sich, was er wohl machte – wo er war – und ob sie ihn wohl

jemals wieder sehen würde?

Elija hatte ihren Vater und ihren jüngsten Bruder Viktor - der inzwischen die volle

Verantwortung über die königliche Streitmacht übernommen hatte - gebeten, in Briefen über

alles informiert zu werden.

Zumindest Viktor nahm das Interesse seiner Schwester dankbar auf und erzählte begeistert

und in bunten Bildern über alle Festnahmen, Einkerkerungen und Hinrichtungen, die

stattfanden.

Jeden ankommenden Brief, der seine scharfe Handschrift trug, hielt Elija mit einer

bedrückenden Übelkeit in den Händen. Jeden Getöteten bat sie in Gedanken still um

Vergebung und wünschte seinem Geist eine gute Reise, wohin auch immer.

Doch immer war sie am Ende der Briefe auch ein wenig erleichtert. Niemand, auf den Jarnos

Beschreibung passen würde, war aufgegriffen worden, zumindest nicht in den Ländereien, die

ihr Vater selbst regierte - und nur dort waren Hinrichtungen erlaubt. Über die Dutzenden von

Herzogtümern und deren Kerker und Gefängnisse hatte sie natürlich keine Informationen und

letztlich hätte Jarno auch ins Land der Elfen zurück gehen können, und damit wäre sein Spur

für sie unerreichbar gewesen, ganz egal was mit ihm geschah.

Trotzdem – die Briefe waren ein Trost, wenn auch ein sehr kleiner.

Wo immer er auch sein mochte. Er lebte. Da war Elija sicher.

Halbblut

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