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9 | … und ich finde den Weg nicht

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Ich möchte Dir dienen und finde den Weg nicht.

Ich möchte das Gute tun und finde den Weg nicht.

Ich möchte Dich lieben und finde den Weg nicht.

Ich kenne Dich noch nicht, mein Jesus, weil ich Dich nicht suche.

Ich suche Dich, und ich finde Dich nicht.

Komm zu mir, Jesus.

Ich werde Dich niemals lieben, wenn Du mir nicht hilfst.

Zerschneide meine Fesseln, wenn Du mich haben willst.

Jesus, sei mir Jesus.

PHILIP NERI (1515-1595)

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn ich so ehrliche Gedanken in so alten Texten entdecke. Hatte der Mönch Philip Neri keine Angst, dass seine Mitbrüder beim Lesen dieses Gebetes alarmierend den Kopf schütteln und über seine Qualifikation als Geistlicher diskutieren würden? Anscheinend nicht.

Was auf den ersten Blick wie die quälenden Gedanken eines Mannes mit tiefen Glaubenszweifeln aussieht, ist auf den zweiten Blick eigentlich ein bewegendes Geständnis über die Realität der Gnade. Es ist die erschütternde Erkenntnis, dass ich alleine keinen Glauben hervorbringen kann, keine guten Taten, keine Opfer. Der Weg zu Gott scheint wie ein Irrweg, auf dem ich mich täglich verlaufe.

Und erst, wenn ich Jesus anrufe, erst, wenn ich verstehe, dass er und nicht ich den Anfang machen muss, geht es vom »ich« zum »du«. Aus der Aussage »Ich finde den Weg nicht« wird das Verlangen »Wenn Du mir nicht hilfst«.

Mich berührt vor allem der letzte Satz, der beim ersten Lesen vielleicht noch kryptisch erscheint. Dahinter versteckt sich die Bitte an Jesus, als der zu mir zu kommen, der er ist. Was immer das auch sein mag. Es wird nicht genauer definiert. Aber scheinbar ist die Nähe der geheimnisvollen, unerklärlichen Persönlichkeit Jesu wichtiger als ausformulierte Dogmen. Vielleicht ist dieser eine Satz das ehrlichste und verletzlichste Gebet, das man überhaupt sprechen kann. Jesus nicht vorzuschreiben, wer er sein soll und was er für mich tun soll, sondern ihn einfach anrufen und sich überraschen lassen. Dazu ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

Freddi Gralle

Nicht alltäglich

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