Читать книгу Goldberg und der unsichtbare Feind - Thomas Lang - Страница 13
Sechs-Ämterhäufung
ОглавлениеMinkin hatte den Start der Belgienreise um drei Tage verschieben müssen. Karma. Unpässlichkeiten. Goldberg war ordentlich angepisst. Die Verzögerung gab Minkin die Gelegenheit, noch auf einen Reisetrunk in der Waldklause reinzuschneien. REINSCHNEIEN, noch so eine überkommene Vokabel. Frag die Kinder mal, was Schnee ist? Früher hatten wir Schnee, aber keine Winterstiefel. Heute haben wir Timberlands, aber keinen Schnee mehr. Mach dir einen Reim drauf. Oder lass es. Minkin hatte es sich gerade mit einem Herrenpils aus der Flasche in der Trinkerkoje gemütlich gemacht.
»Sie müssen Minkin sein?«
War das schon die Frage des Monats? Minkin war bestens schlecht gelaunt. Lag an der bevorstehenden Belgienreise. Immer, wenn er Auslandsaufträge annahm, gab es Kollateralschäden an Mensch und Maschine; nicht, dass bei den Inlandsaufträgen alles glatt gelaufen wäre. Aber das war was anderes, das war mehr so in Richtung friendly fire.
Jetzt stand wieder so ein Volltrottel vor ihm, der was von ihm wollte. Hatte er vielleicht ein Schild umhängen, mit der Aufschrift: Kommt her ihr Idioten und belästigt mich mit eurem Privatkram? Hatte Sissi etwa draußen vor der Tür der Waldklause einen Zettel aufgehängt: Minkin – Private Ermittlungen. Sprechzeiten jederzeit ohne Vereinbarung?
Minkin erwiderte teilnahmslos:
»Wer will das wissen?
»Ostertag.«
»Ostertag?«
»Der Name sagt Ihnen sicher was.«
Ostertag, klar das war der zweite Tag nach Karfreitag. Minkin fragte:
»Müsste es das?«
»Ostertag – Heimat der Tiere.«
Minkin dachte direkt:
»Heimat der Tiere? Haben Sie was mit dem Tierheim in Botnang zu tun?«
»Entfernt. Wir gehören zur Top 10 der Tierkäfighersteller.«
»Tierkäfige?«
»Genau. Top Ten. Praktisch Weltmarkführer im Nischen-segment. Hidden Champion, Sie verstehen!«
Hidden, klar, verstand Minkin. Irgendwo versteckt in der hintersten Ecke. Wäre gut, er würde dort auch bleiben, niemandem auf die Eier gehen. Anstatt dessen machte er auf dieses neoliberale Start-up-Geschwätz. Solche Unternehmerpersönlichkeiten wurden ernsthaft hofiert von den lokalen Politschranzen. Die brachten in der Regel die gleichen Voraussetzungen mit wie dieser Ostertag. Im Wohlstand aufgewachsen. Essen war immer üppig auf dem Tisch. Hatten nie ernsthaft gearbeitet, nie etwas Selbstständiges geleistet, urteilten aber umso wortreicher über die Leistungen anderer.
»Und was wollen Sie?«
»Ich bin auf der Suche nach einem, wie nennt man Ihre Tätigkeit, Privatdetektiv.«
Privatdetektiv, das war gut. So hatte ihn noch keiner genannt.
»Hören Sie, wenn Sie einen Privatdetektiv suchen, schauen Sie in den Gelben Seiten nach.«
Minkin hatte keine Ahnung, ob es die noch gab, die Arschlöcher hatten ja auch die gelben Telefonzellen abgeschafft. Wo hatten sie die eigentlich hingebracht?
»Ich habe zu tun.« Minkin machte sich am Herrenpils zu schaffen.
»Das sehe ich, aber die Sache, um die ich Sie bitte, ist sicher nicht viel Aufwand.«
Sissi beobachtete die Unterredung, jederzeit bereit, mit einem Schlichtungs-Ouzo einzugreifen.
Nicht viel Aufwand war vom Prinzip kein schlechtes Auswahlkriterium für einen Job, dachte Minkin. Aber das dachten sich die Amis damals in Mogadischu auch. Und dann? Black Hawk Down, frag nach bei Ridley Scott. Episches Ding, dieser Film.
»Warum kommen Sie zu mir?«
»Man sagt, Sie arbeiten unauffällig, finden schnell Lösungen und …«
»Was noch?«, wollte Minkin wissen.
»Sie sind unorthodox. Und die Schlampe ist schlau.«
»Was so viel heißt, wie?«, fragte Minkin nach.
»Es geht um meine Frau, die Schlampe, sie betrügt mich und ich will es ihr beweisen. Schaffen Sie das?«
Keine Ahnung, dachte Minkin. Sagte:
»Keine Ahnung.«
Ostertag machte weiter.
»Wir haben eine Fremdgehklausel im Ehevertrag. Wenn ich ihr den Ehebruch nachweisen kann, mindert das meinen finanziellen Verlust aus der Verbindung erheblich.«
Er war ein arroganter Vollidiot, alles an seinem Auftritt störte Minkin. Trug diese viel zu engen Röhrenjeans, die nach unten spitz zulaufenden Jeans, die Männer mit Wanst besser nicht tragen sollten. Dazu ein pastellfarbenes Herrenblouson, auf dem Tommy Hilfiger prangte und weiße Sneakers dazu. Sollte ihn jünger machen. Das Gegenteil war der Fall. Er wirkte wie ein aus den Achtzigern übrig gebliebener Yuppie mit zu viel Geld und zu wenig Haaren. Und was auf dem Kopf noch übrig war, das hatte er mit einem Kilo Gel nach hinten geschleimt.
Aber Ostertag redete nicht lange um den heißen Brei herum. Immerhin eine positive Eigenschaft. Und was war bitte eine Fremdgehklausel? Klang hollywoodesk, nach Brad Pitt und Angelina Jolie. Was es inzwischen nicht alles auch bei uns hier gab. Konnte man sich nur wundern. Aber warum nicht einen zweiten bezahlten Job parallel annehmen? Ämterhäufung. Sicher, das konnte in Arbeit ausarten. Das wäre neu. Andererseits, Batzen Geld zusätzlich würde nicht schaden.
Der Story hier wäre es vermutlich auch nicht abträglich.
»Hören Sie, Ostertag, ich fahre morgen für ein paar Tage ins Ausland, international affairs, Sie verstehen.«
Minkin klang einen Tick zu großspurig. Ostertag war minimal beeindruckt.
»Sicher, verstehe ich.«
»Danach kann ich mich um Ihren case kümmern.« Fand Gefallen an seinem eigenen Aufschneidergeschwätz. »Schätze, länger als eine Woche sollte ich nicht brauchen in Belgien.«
Ostertag war erstaunt.
»Belgien?«
»Belgien.«
»Sie haben Mumm, Minkin.«
Minkin verstand nicht, was Ostertag damit sagen wollte.
»Hier, meine Karte, melden Sie sich wegen der Details, wenn Sie wieder da sind, falls Sie es nächste Woche wieder rausschaffen.«
Keine Ahnung, worauf er hinauswollte, dachte Minkin.
»Noch was, Ostertag. Es wird nicht billig.«
»Das heißt?«
»Tausender plus Spesen.«
»Pro Tag?«
Minkin war verwirrt. Dachte an einen Pauschalpreis. Witterte das große Geld.
»Problem damit?«
»Im Gegenteil, wenn Sie erfolgreich sind, spart es mich das Hundertfache.«
Ostertag gab ihm die Karte und verließ die Waldklause ohne den obligatorischen Ouzo aufs Haus und stieg in seinen elfenbeinfarbenen Cayenne, den er fett vor der Waldklause geparkt hatte.
Vollidiot, dachte Minkin. Aber was hatte es mit Belgien auf sich?