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Die Entwicklung neuer Produkte im Kindernahrungsmittel-Segment

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Wie Verwaltungsratspräsident Louis Dapples an der Generalversammlung 1936 festhielt, waren die Gewinnmargen auf Massenprodukten wie Kondensmilch und Schokolade in der Zwischenkriegszeit stark geschrumpft. Zwar stellten diese Produkte nach wie vor das wichtigste Standbein des Unternehmens dar, ihr Ertrag konnte allerdings nur noch damit gesteigert beziehungsweise erhalten werden, indem das Verkaufsvolumen ausgeweitet wurde. «Gerade mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Gesellschaft bei der Massenproduktion mit ganz kleinem Nutzen arbeiten muss, zwingt sie zum Ausfindigmachen von neuen Spezialitäten, die ihr jedoch nicht ohne Weiteres in den Schoss fallen, sondern wiederum bedeutende Forschungskosten verursachen»,288 schrieb die «Schweizerische Handelszeitung» 1936 weiter.

Angefangen hatten diese Forschungsaktivitäten in den Jahren 1921/22, als im Zuge der Reorganisation des Unternehmens die bisher getrennten Forschungslaboratorien in Cham und Vevey zusammengeführt wurden und die Entwicklung neuer Produkte unter der Leitung des Norwegers Dr. Arnold Bakke erstmals systematisch vorangetrieben werden konnte.289 Die Markennamen dieser neuen Produkte-Generation wurden später oft mit dem Präfix Nes- und der Produktbezeichnung versehen, um die verwandtschaftliche Bindung mit der Nestlé-Gruppe erkennbar zu machen.290

Eine der vordringlichsten Aufgaben der Forschung war damals, auf dem Gebiet der Kindernahrung neue Produkte zu entwickeln, denn seit 1915 waren die Verkaufszahlen von Nestlé’s Kindermehl in den Vereinigten Staaten rückläufig gewesen. Konnte der anfängliche Nachfragerückgang noch mit Preisanpassungen begründet werden, hatte der danach folgende, langsame Absatzschwund tiefere Ursachen: Das Produkt genügte den damaligen Anforderungen an ein Kindernahrungsmittel nicht mehr,291 weil es die Nestlé & Anglo-Swiss verpasst hatte, der Tendenz zu Milchpulververfahren frühzeitig zu folgen.292

Wurde Milchpulver in der Schweiz zuerst vor allem zur Herstellung von Milchschokolade verwendet,293 begannen später auch immer mehr Kindernahrungsmittel-Unternehmen wie Guigoz schonende Dehydratationsverfahren bei tiefen Temperaturen zu entwickeln, dank denen die Proteine wesentlich besser erhalten blieben und die Oxidation von Vitamin C vermieden werden konnte. Damit kamen kurz vor dem Ersten Weltkrieg neue Kindernahrungsmittel auf den Markt, welche lange haltbar und trotzdem mit Proteinen und Vitaminen angereichert waren.294 Nestlé sah sich deshalb gezwungen, ihr Kindermehl durch die Beigabe von Vitaminen den ernährungswissenschaftlichen Erwartungen an ein Kindernahrungsmittel anzupassen.

1929 gelang es den Forschern von Nestlé schliesslich, Nestlé’s Kindermehl dank einem Dorschleberöl-Konzentrat295 mit den Vitaminen A und D anzureichern, welche das Wachstum und die Widerstandsfähigkeit sowie den Knochenaufbau der Säuglinge verbessern sollten. Trotzdem blieb das Kindermehl in den 1930er-Jahren weiterhin in der Kritik der Ärzte, weil durch das Erhitzen der Milch nicht nur krankmachende Keime, sondern auch wichtige Bestandteile wie die Vitamine C und B1 wesentlich reduziert wurden. Deshalb mischte Nestlé dem Kindernahrungsmittel schliesslich ebenfalls Vitamin B1 bei.296 Bei dieser Verbesserung sowie der Entwicklung weiterer diätetischer Produkte wie Pelargon, Nestrovit, Nesviton und Nestamin arbeitete Nestlé eng mit Kinderärzten und medizinischen Autoritäten sowie der Schweizer Pharmaindustrie zusammen.297

Ab 1921 begann sich Nestlé aber auch intensiv mit der Herstellung von Kindernahrungsmitteln auf der Basis von Milchpulver298 zu beschäftigen. Im Zentrum standen dabei zwei Verfahren, welche Nestlé durch die Akquisition der australischen The Baccus March Concentrated Milk Company sowie der norwegischen Firma Egron aus Christiania erworben hatte. Denn Milchpulver hatte gegenüber Kondensmilch und Kindermehl den entscheidenden Vorteil, dass sich die Dosierung einfacher gestaltete.299

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