Читать книгу Flagschiff Nescafé - Nestlés Aufstieg zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt - Thomas P Fenner - Страница 32

Milo und Ovomaltine teilen sich den weltweiten Malzgetränkemarkt

Оглавление

Zu den weltweit bedeutendsten Kakao- und Malzgetränken zählte die Ovomaltine der Firma Wander. Nachdem die Ovomaltine 1905 in der Schweiz ihre ersten Erfolge gefeiert hatte, begann das Berner Unternehmen sein neues Produkt international zu vertreiben. 1910 gründete Wander sowohl eine britische als auch eine deutsche Tochtergesellschaft und besass ab 1913 in King’s Langley (einer Stadt ausserhalb Londons) eine eigene Fabrik, von wo aus das ganze Britische Empire versorgt werden konnte.328 Nach anfänglicher Zurückhaltung gegenüber der Ovaltine,329 wie die Ovomaltine im Empire genannt wurde,330 entwickelte sich das Malzgetränk in Grossbritannien zu einem Erfolgsprodukt. Sowohl die britische als auch die deutsche Tochtergesellschaft verkauften 1914 etwa 180 000 Dosen.331

Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich die Ovomaltine vom diätetischen Nährmittel zum populären Frühstücksgetränk der gesundheitsbewussten bürgerlichen Oberschicht. Der Absatz verdreifachte sich innerhalb kurzer Zeit. Ausserdem zeigten erste Vitaminkontrollen, dass Wanders Malzgetränk von diesem Standpunkt her ein sehr hochwertiges Produkt war.332 Gleichzeitig erhielt Wanders Ovomaltine aber auch immer mehr Nachahmer wie Herculan in Deutschland oder Eimalzin in der Schweiz.333 Auch die Forschungslaboratorien in Vevey erhielten im August 1930 von Louis Dapples den Auftrag, neben Nescao und Nestlé’s Malted Milk ein zusätzliches Stärkungsmittel nach dem Vorbild der Ovomaltine von Wander herzustellen, wobei dieses mit dem Egron-Sprühtrocknungsverfahren hergestellt werden sollte und keinen Malzgeschmack aufweisen durfte: «I hate the malty taste of Wander’s Ovaltine, please take note»,334 soll er damals den Technikern in Vevey gesagt haben.

Zwischen Nestlé und Wander existierten seit mehreren Jahren enge Beziehungen: Als Wander 1917 in Frankreich eine Tochtergesellschaft gründete, diente Nestlé als Informationslieferant, und 1926 übernahm Wander Nestlés leerstehende Fabrik in Neuenegg.335 Des Weiteren herrschte zwischen den beiden Unternehmen die Vereinbarung, dass Nestlé bei der Firma Wander das Exklusivrecht genoss, den Kakao für die Herstellung der Ovomaltine zu liefern, während Nestlé umgekehrt kein malzhaltiges Stärkungsmittel auf den Markt bringen durfte: «[…] as long as Ovomaltine was quasi a monopoly of Wander, we considered it natural that two important Swiss firms, on friendly terms, should not launch out into direct competition with a product of the same order»,336 beschrieb Nestlé die Gründe dafür.

Deshalb verzichtete Nestlé auf die Zugabe von Eiern und experimentierte anstelle von Malz und Kakao mit anderen Geschmacksrichtungen wie Kaffee, Tee und Apfelsaft. Die Ergebnisse fielen aber vermutlich nicht sehr überzeugend aus, denn schliesslich entschieden sich die Nestlé-Forscher doch für den Malz- und Kakaogeschmack – wobei sie im Unterschied zur Ovomaltine mehr Kakao benutzten und den Malzgeschmack mit der Verwendung von gemälztem Weizenmehl dämpften. Um das Produkt von der Konkurrenz abzuheben, wurden dem Stärkungsmittel nach dem gleichen Prinzip wie bei Nestlé’s Kindermehl zusätzlich die Vitamine A und D beigegeben sowie Vitamin B1 aus der Hefe. Ausserdem mengten die Forscher Magnesiumsalze bei, weil Magnesiummangel damals in der medizinischen Forschung als Grund für zahlreiche Krankheiten betrachtet wurde.

1931 wurde das Stärkungsmittel den weltweiten Nestlé-Filialgesellschaften unter der Marke Vifex zur Verfügung gestellt. Allerdings waren nur die wenigsten Tochtergesellschaften an diesem Produkt interessiert, weil sie bereits Nescao verkauften. Einzig Australien und Südafrika zeigten sich schliesslich bereit, Vifex auf ihren Märkten einzuführen. Aufgrund der grossen Beliebtheit von Nestlé’s Malted Milk in Australien wollte die dortige Tochtergesellschaft dem neuen Produkt allerdings unbedingt einen Malzgeschmack geben.

Den ursprünglichen Gedanken von Louis Dapples ignorierend, experimentierte Thomas Mayne im entfernten australischen Smithtown an einer verbesserten Mischung für Vifex mit Milch, Malz und Kakaopulver weiter und brachte das Resultat schliesslich 1934 unter einer neuen Formel auf den australischen Markt:337 Anstelle von Weizen- wurde nun Gerstenmalz verwendet, weshalb das Pulvergetränk nicht mit dem Egron-Verfahren sprühgetrocknet, sondern vakuumgetrocknet wurde.

Nachdem Vifex in Australien und Südafrika sehr erfolgreich eingeführt worden war, benannte Nestlé das Stärkungsmittel 1936 in Anlehnung an den griechischen Helden Milon von Croton, der im 6. Jahrhundert v. Chr. sechsmal die Olympischen Spiele gewonnen haben soll,338 in Milo339 um und versuchte es ebenfalls in anderen Ländern zu verbreiten.340 Besonders in Belgien, Deutschland, Italien und Spanien hätte Nestlé gerne Milo eingeführt, da Nescao mit der damaligen Formel gegenüber Ovomaltine nicht konkurrenzfähig war.341

Gegen die Einführung von Milo in Europa und einigen Staaten in Asien und Lateinamerika erhob das befreundete Unternehmen Wander allerdings Einspruch, indem es Nestlé an die mit ihm getroffenen Vereinbarungen erinnerte. Nach mehreren Briefwechseln konnten sich die beiden Unternehmen schliesslich auf ein «Gentlemen’s Agreement» einigen: Wander erklärte sich weiterhin bereit, ihren Kakao für die Herstellung von Ovomaltine bei Nestlé zu beziehen, als Gegenleistung durfte Nestlé aber keine ähnlichen Stärkungsmittel wie Ovomaltine in Europa, Nordamerika und einigen lateinamerikanischen und asiatischen Märkten verwenden.342 Abgesehen von diesen Ländern war Nestlé aber nicht mehr bereit, auf die Einführung von Milo zu verzichten, zumal das Unternehmen dort mit dem Erscheinen von Ovaltine herbe Rückschläge auf dem Gebiet der Kakaogetränke hinnehmen musste.343

Der Vertrag zwischen Nestlé und Wander führte dazu, dass sich bei Nestlé auf dem Gebiet der Kakao- und Malzgetränke weltweit keine einheitliche Marke herausbildete: Während Nescao in Europa und Lateinamerika Verbreitung fand, wurde Milo vorwiegend in Afrika, Asien und Australien verkauft.344

Flagschiff Nescafé - Nestlés Aufstieg zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt

Подняться наверх