Читать книгу Die Kammer der Zuneigung 1 - Thomas Riedel, Susann Smith - Страница 12
Kapitel 6
Оглавление»Du musst aufwachen, meine Süße!«, hauchte Violett ihrer Prinzessin ins Ohr, gefolgt von einem zärtlichen Kuss auf deren Halsansatz, während ihre Hände zu Tamoras Hüften wanderten. »Na, los, komm' schon! Oder willst du unseren lieben Henry enttäuschen?!«
»Nein, natürlich nicht! … Aber ich kann mich nicht bewegen … Da liegt eine echt schwere Last auf mir«, kicherte Tamora.
»Hey, so schwer bin ich gar nicht!«, beschwerte sich Floré mit einem breiten Grinsen, die über Nacht zu Füßen ihrer Herrin eingeschlafen war – so sehr hatte sie sich um sie gesorgt. Violett war damit einverstanden gewesen, denn sie war froh über Florés Aufmerksamkeit, mit der die süße Französin auf ihre Geliebte achtete.
»Deine Zofe wird dir beim Duschen und Ankleiden helfen«, schmunzelte Violett. »Ich geh' derweil schon einmal nach unten in die Küche und bespreche den Tagesablauf mit ›Cat‹ und Kazumi.« Sie tippte wie beiläufig mit einem Finger auf den Verschluss der Wasserflasche. »Trink' bitte noch den Rest aus … Du weißt, was ›Doc‹ gesagt hat, nicht wahr?« »Ja, mach' ich, Vio!«, nickte Tamora, der die Übervorsorglichkeit aller langsam nervte, aber sie nahm es hin, wissend, dass ihr Zusammenbruch allen einen fürchterlichen Schrecken eingejagt hatte. Heute dürft ihr noch, aber morgen hat das ein Ende, beschloss sie für sich im Stillen, dann werde ich bei so viel Übertreibung böse! »Ich werde darauf achten, Maîtresse!«, bestätigte Floré, auf den Blick hin, den ihr Violett zuwarf. »Ach, du willst auf mich achten, ›Cherié‹?«, lachte Tamora auf. »Ihr habt euch wohl alle gegen mich verschworen, nicht wahr?« Sie richtete sich auf, streckte ihre Arme aus und begann ihre Zofe unter den Armen zu kitzeln, die augenblicklich dagegen zu Wehr setzte. Tamora und Violett lachten laut auf. »Na los, ihr verrückten Hühner! Wir haben einen wichtigen Termin«, trieb Violett die beiden dann aber auch gleich an und klatschte dazu auffordernd mehrfach in die Hände.
*
»Wie geht es ihr, Mistress?«, erkundigte sich Kazumi, als Violett die offene Küche betrat.
Auch Courtney unterbrach ihre Tätigkeit und sah ihre Herrschaft abwartend an.
»Sie ärgert die kleine ›Cherié‹ schon wieder. Also geht es ihr schon wieder viel besser. Dennoch wollen wir heute besonders auf sie achten, ganz gleich ob wir sie damit in den Wahnsinn treiben, weil wir sie nichts allein machen lassen.« »Ja, Mistress!«, kam es von beiden unisono. »Und jetzt möchte ich mit euch den weiteren Tagesablauf besprechen«, begann Violett und deutete auf die Plätze an der Küchentheke. »Also, hört zu …«
*
»Jetzt lass' das doch mal, ›Cherié‹!«, hallte es nach einiger Zeit von der großzügigen, geschwungenen Treppe, vom obersten Absatz, her. »Ich kann meine Handtasche sehr gut allein tragen! Ehrlich, … findest du nicht, dass das viel zu weit geht?« Langsam näherte sich das laute Klackern der Absätze dem Frühstückstisch. »Guten Morgen, ihr Lieben!«, begrüßte Tamora die versammelte Gruppe lächelnd. »Bitte setz' dich, Maîtresse!« Floré zog den Stuhl an Tamoras angestammten Platz zurück, wofür sie sich einen weiteren missbilligenden Blick von ihr einfing. Violett grinste in sich hinein. Das wird sicher witzig, wenn Floré so weiter macht. Ich frage mich wie lange es dauert, bis Tammy anfängt lauthals aufzuschreien. Wie immer ging es bei einem heiteren Gespräch und unter altbewährter Rollenverteilung recht ausgelassen zu und dem liebevoll hergerichteten Frühstück wurde reichlich zugesprochen. »Weißt du eigentlich wie weit die Arbeiten am neuen Club vorangeschritten sind«, erkundigte sich Tamora beiläufig. »Laut Sarah brauchen die Innenarbeiten noch etwas an Zeit … zwei oder drei Wochen. Es war wohl doch mehr zu erneuern als wir ursprünglich dachten. Aber es geht voran, und sie ist regelmäßig kontrollierend auf der Baustelle. Ich bin jedenfalls sicher, dass die Eröffnung im Januar pünktlich stattfindet.« »Hat sich Scarlett schon mit der Auswahl der Mädchen befasst?«, hakte Tamora nach. »Sie ist dabei und hat bereits einen Stapel ›Sedcards‹ für uns vorbereitet, die wir durchgehen können«, lächelte Violett. »Aber ich würde mit der konkreten Auswahl noch warten … Wer weiß, welche Süße sich noch um einen Platz im Haus bewirbt!« Tamora nickte und grinste Kazumi an, die interessiert aufgeblickt hatte. »Deine Show von gestern war der Hammer! Schon der Gedanke daran jagt mir wieder eine Gänsehaut über den Körper!« »Das ehrt mich, Goshujin!«, erwiderte Kazumi bescheiden. »Ich könnte mir so eine Vorstellung zur Eröffnung vorstellen und später im Fetisch-Club einmal wöchentlich, was meint ihr?« Alle nickten. »Wie sieht es da eigentlich mit der Baugenehmigung aus?«, richtete Tamora ihre Frage an Violett. »Sarah hat mir geschrieben, dass es nicht mehr lange dauern kann und dann kannst du auch dort deine Vorstellungen umsetzten.« »Oh, schön ...«, grinste sie. »Ich husch' mal schnell ins Büro und hole die Unterlagen für die Namensänderung«, entschuldigte Violett sich nach einer Weile und nachdem sie noch einige Details zu einer möglichen Show seitens Kazumis besprochen worden waren. »Du wolltest den beiden heute Vormittag das ›Pleasers‹ zeigen, ›Cherié‹?«, lächelte Tamora als Violett zurückkam. »Ja, mach' das mal … ›Cat‹ und Kazumi kennen das Haus gar nicht, nicht wahr?« Die beiden Genannten schüttelten den Kopf. »Na, dann wünsch' ich euch viel Spaß! Grüßt mir die anderen!« Tamora schob ihren Stuhl zurück, stand auf und streckte eine Hand nach ihrer Handtasche aus, aber Floré war schneller und verweigerte die Herausgabe. »Ich trage sie dir zum Wagen!« »Boah, ›Cherié‹!« Tamora atmete einmal kräftig durch. »Also gut, komm', lasst uns zur Garage gehen.« Sie schüttelte leicht den Kopf als Zeichen ihres Unverständnisses über die übertriebene Fürsorge als sie einträchtig neben ihre Königin das Haus verließ. »Das ist so verrückt von ihr ...«, flüsterte Tamora ihrer Königin zu. »Ich finde es total süß, dass sie dich so anbetet und behütet. So hab‘ ich in ihr eine ausgezeichnete Verbündete.« »Ja, ist schon gut ...!« Über Tamoras Lippen huschte ein zärtliches Lächeln. Als sie Violetts roten Mustang erreicht hatte, stand Floré bereits parat den Verschlag für ihre Herrin zu öffnen, und erst als sie ihr beim Einsteigen geholfen und die Tür geschlossen hatte, setzte sie ihr die Handtasche durch das offene Fenster auf dem Schoß ab. Violett quittierte es mit einem kurzen Auflachen, ehe sie den Wagen vom Grundstück lenkte und sich in Richtung der Londoner Innenstadt in den Verkehr einfädelte.
*
Kaum war Floré in der Villa zurück und hatte die große Eingangstür hinter sich ins Schloss gezogen, rief sie fragend: »Wann wollen wir aufbrechen?«
»Ich muss nur noch kurz die Reinigungsfirma anrufen!«, kam es lautstark aus der Küche zurück, wo Courtney mit Kazumi bereits die Aufräumarbeiten übernommen hatten. »Wenn die morgen kommen, kann ich Kazumi die Putztruppe direkt vorstellen und erklären worauf sie bei denen achten soll … Aber dann können wir meinetwegen direkt los.« Sie grinste Floré an, als diese zu ihnen trat. »Willst du dich noch umziehen, oder behältst du das Kleid an?«
»Finde ich ehrlich gesagt echt schick. Die beiden haben super darauf geachtet, dass es stilecht und nicht billig daherkommt. Erinnert mich ein wenig an die Kostüme aus der Serie ›Das Haus am Eaton Place‹, oder etwa nicht, ›Cat‹?«, bemerkte Kazumi, die sich schnell dem Ton ihrer beiden Mitstreiterinnen angepasst hatte. »Stimmt. Nur die Röcke sind deutlich kürzer, ›Kaz‹!«, lachte Courtney und hob direkt den Saum ihres Kleides ein wenig an. »Aber das macht ja auch Sinn, nicht wahr? … Allzeit bereit!« »›Kaz‹?«, rutschte es Floré irritiert über die Lippen. »Das passt doch gut zu ihr ... Eine niedliche Abkürzung ihres Namens.« Courtney sah ihre asiatische Kollegin forschend an. »Hast du etwas dagegen?« »Wenn ich eure Spitznamen auch benutzen darf, habe ich kein Problem damit. Ihr seid ja nicht die ersten die mich so rufen. Nur bei Floré bleibe ich bei ›Kohana‹«, lächelte Kazumi. »Ja, erklär mir doch was das bedeutet.« Floré wollte es schon seit gestern wissen, hatte es aber wegen der Aufregung im Haus vergessen. »Kleine Blume ...« »Das passt einfach perfekt ...«, grinste Courtney über den süßen Spitznamen. »Fein, ... dann lasst uns das hier in aller Ruhe fertig machen und anschließend machen wir uns auf den Weg. Dann sind wir pünktlich im ›Pleasers‹.«
*
»Jetzt stöckel mal etwas schneller, Prinzessin«, drängte Violett ihre Freundin. »Wir sind bereits etwas spät dran.«
»Wer konnte auch ahnen, dass da eine Baustelle war«, seufzte Tamora, »und diese Umleitung erschien mir auch nicht gerade gut durchdacht.«
»Können wir eh nicht mehr ändern, aber ich mag es nicht unpünktlich zu sein.«
»Ja ja, ich weiß«, schmunzelte Tamora, die Hand ihrer Geliebten fest im Griff. Plötzlich blieb sie abrupt stehen und ihre Königin lief fast in sie hinein.
»Was ist los?«
»Henry wird die Adoption nicht absagen, wenn wir eine halbe Minute zu spät dran sind, Vio!«, meinte Tamora. »Wenn du weiter so hetzt, brech' ich mir noch die Knochen.«
Die Ermahnung reichte und Violett ging einen Schritt langsamer. »Das wir extra eine Genehmigung einholen mussten, damit Henry uns adoptieren kann, weil er einen Adelstitel besitzt, ist schon sehr bürokratisch. Aber beim Adel, verstehen die meisten Briten ja noch immer keinen Spaß.«
»Ja, und erst den anschließenden Besuch beim ›College of Arms‹. Das sie uns erst die Erlaubnis erteilen müssen, damit wir das Familienwappen tragen dürfen, ist schon kurios«, stimmte Tamora ihr zu. »Aber heute Abend ist das alles erledigt.« Sie sahen nach links und rechts, um eine Lücke im fließenden Verkehr auszumachen, um die Straße überqueren zu können, nur um gleich darauf ihrem zukünftigen Adoptivvater gegenüber zu stehen. Henrys Diener, George, ließ es sich nicht nehmen sich standesgemäß vor ihnen zu verbeugen, ehe er sie mit einem nur schwer erkennbaren Lächeln in den Mundwinkeln begrüßte: »Ich wünsche Ihnen einen wundervollen guten Morgen, Myladies!« »Aber, George, jetzt doch noch nicht!«, lachte Tamora, die sich über den neckenden Ton des Butlers freute. »Wir haben weder unterschrieben, noch ist die Tinte trocken, nicht wahr?« »Reine Formsache«, gab George schmunzelnd zurück. »Guten Morgen, meine Hübschen!«, begrüßte Henry sie nun mit Handkuss. »Lasst uns direkt zum Amtszimmer gehen. Wir werden sicher gleich hereingebeten.« George hielt die Tür zum Gebäude auf, während Henry den beiden mit einer Handbewegung bedeutete doch voranzugehen. Keine zwei Minuten später begrüßte sie der zuständige Staatsbeamte mit einer der Situation angepassten reservierten und kühlen Höflichkeit. »Ladies, Sir, … wenn Sie mir alle bitten folgen wollen … Ich werde Sie nun über die rechtliche Lage aufklären und im Anschluss Ihre Adoptionen beglaubigen.« »Oh, ist das aufregend ...«, flüsterte Tamora ihrer Verlobten zu. Ein feuchter Schimmer trat in ihre Augen, aber auch Violett war deutlich anzumerken, dass sie dieser Moment sehr berührte.
*
»Haben alle Beteiligten ihre Rechte und Pflichten verstanden?«, versicherte sich der Beamte ein letztes Mal.
»Ja!«, bestätigten Violett und Tamora gleichzeitig.
»Natürlich«, erwiderte Henry zur gleichen Zeit.
»Gut ...«, nickte der Beamte, ehe er auf die andere Seite des großen viktorianischen Schreibtisches zwei Stapel Papiere legte. »Wenn Sie, Miss McKenzie, bitte an den markierten Stellen unterschreiben wollen.« Sein Finger deutete auf den rechten Stapel, nur um gleich darauf auf die betreffenden Punkte des anderen zu zeigen. »Und sie, Miss Donovan, unterschreiben bitte hier.«
»Na, dann wollen wir mal ...« Violett beugte sich etwas vor und begann an den mit farbigen Klebezetteln markierten Stellen zu unterschreiben.
Als auch Tamora ihre Signaturen hinterlassen hatte, wandte sich der Beamte an Henry. »Wenn Sie jetzt so gut wären, Sir, noch die vorgemerkten Passagen abzuzeichnen. Anschließend kann ich Ihnen die persönlichen Ausfertigungen der Adoption aushändigen und alles hat seine Ordnung.«
Sir Henry trat vor, blickte noch einmal kurz aus dem hohen Fenster und holte tief Luft. Dann ließ er mit ruhiger Hand seinen goldenen Füllfederhalter über die Papiere huschen.
»Vielen Dank, Sir!«, sagte der Beamte, rollte über die Unterschriften mit einem antik anmutenden Tintenlöscher und richtete sich wieder auf. »Lassen sie mich der erste sein der ihnen gratuliert, Lady Violett of Saint Blackridge … Lady Tamora of Saint Blackridge.« Er deutete eine Verbeugung an und streckte ihnen freundlich lächelnd die Hand entgegen.
»Ich danke Ihnen«, erwiderte Violett, ebenfalls lächelnd. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, wie Tamora auf ihren Adoptivvater zuging.
»Ach, Henry …?«, hauchte sie mit Tränen in der Stimme.
»Jetzt bist du endlich meine Tammy!«, kam es ihm brüchig über die Lippen. »Eine von zwei wundervollen, hübschen und so geistreichen Töchtern, die ich mir immer gewünscht habe.«
Violett warf dem Beamten einen bittenden Blick zu, sie doch für einen Augenblick allein zu lassen, worauf dieser verstehend nickte und in einem Nebenzimmer verschwand. »Na, steht doch nicht so starr da! Nehmt euch endlich in den Arm, oder muss ich am Ende noch nachhelfen?«, brach sie die entstandene Stille. Sie wusste, dass sich gerade zwischen den beiden eine ganz besondere Beziehung durch all die langen intensiven Gespräche aufgebaut hatte.
Aber die beiden brauchten ihre Ermutigung gar nicht, denn schon lagen sie sich liebevoll in den Armen.
»Danke euch beiden, dass ihr mir meinen Herzenswunsch erfüllt habt.« Henrys Stimme hatte sich zwar wieder gefestigt, aber seine Rührung war auch so für alle deutlich sichtbar.
Violett gab ihnen eine Minute, ehe sie sich räusperte, um ihre belegte Stimme zu verlieren. »Ich kann gar nicht beschreiben, wie mir gerade zumute ist«, sagte sie, Henry ebenfalls umarmend, »Dieses Gefühl einer Familie zu erleben, es ist so … Aber los jetzt!« Sie lachte ansteckend. »Lasst uns noch zum ›Earl Marshall‹ wegen des Wappens fahren, und danach fahren wir zum ›City Social‹ im ›Tower 42‹. Ich habe dort für uns alle einen privaten Tisch bestellt … Und du kommst natürlich auch mit George … Wir haben alle etwas zu feiern!« Henry reichte seiner frisch gewonnenen Tochter Tamora ein Taschentuch und nickte Violett zu. »Das klingt wie ein perfekter Vorschlag.« Er legte seinem alten Kampfgefährten George eine Hand auf die Schulter. »Und du kommst mit, ob du willst oder nicht, Kamerad. Den Butler lässt du solange sein!«
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