Читать книгу Die Kammer der Zuneigung 1 - Thomas Riedel, Susann Smith - Страница 3
Оглавление»Liebe ist nicht das was man erwartet zu bekommen, sondern das was man bereit ist zu geben.«
Katharine Hepburn (1907-2003)
Kapitel 1
Die Sonne schien schwach an diesem Oktobertag. Sie funkelte kalt am eisblauen Himmel über London, der sich noch glitzernd vom nächtlichen Regen in einigen Lachen auf dem Asphalt spiegelte.
Aber davon bekam die attraktive Schönheit nichts mit, die auf die prachtvolle weiße Villa am Ende der Auffahrt zuschritt. Alles was sie verspürte war eine Gänsehaut, die sich ihrer bemächtigt und inzwischen über ihren ganzen Körper ausgebreitet hatte. Die Freude auf diesen Tag, der für sie eine tiefgreifende Veränderung ihres bisherigen Lebens bedeutete, erregte sie. Seit ihrer letzten Begegnung mit Tamora und Violett war ihre Fantasie jeden Tag auf Wanderschaft gegangen. Noch immer fühlte es sich für sie wie eine Fügung des Schicksals an, dass ausgerechnet sie, die beiden Frauen auf ihrer Ausfahrt zum gemeinsamen, romantischen Picknick hatte kutschieren dürfen. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen als sie sich daran erinnerte, wie Tamora im Anschluss Scarlett um ihre ›Sedcard‹ gebeten und eingehend studiert, und sie danach ganz ohne Umschweife gefragt hatte, ob sie sich vorstellen könne zu ihnen in die Villa und den anderen Mädchen zu ziehen. Sie hatte es sich in aller Ruhe intensiv überlegt, wenngleich sie am liebsten direkt Ja gerufen hätte. Seit diesem Zeitpunkt erfuhr sie einen ungeahnten Schub an Glücksgefühlen und wieder eine unbändige, pure Lust am Leben. Ihre eigentliche, sie durchaus ausfüllende und zufriedenstellende Arbeit im Escort für das Unternehmen ›Kinkylicious-Rides‹, war zu einer gewissen Routine geworden. Schon vor Tamoras einladender Frage, hatten sie die zum Teil wilden Erzählungen und Berichte ihrer Kolleginnen, mit dem Gedanken spielen lassen, in den Kreis dieser, mit allen Konventionen brechenden, ›Familie‹ aufgenommen zu werden. Wie gut, dass ich jetzt all meine Disziplin und äußerliche Gelassenheit nutzen kann, die mir meine Mutter, eingetrichtert durch meine Großeltern, weitergeben hat, dankte sie ihrer japanischen Herkunft nicht zum ersten und ganz sicher nicht zum letzten Mal. Außerdem sagen alle, dass ich sehr extrovertiert bin und mich gern präsentiere, schmunzelte sie in sich hinein, während sie einen Fuß vor den anderen setzte und aus der Ferne bereits die Haustür ausmachen konnte, deren Übertreten der Schwelle ihr ganzes künftiges Leben verändern würde.
*
»Kannst du nicht mal eine Sekunde stillhalten, ›Cherié‹!«, echauffierte sich Tamora und schenkte Floré einen gespielt missbilligenden Blick. »Da wollen Vio und ich uns mal in aller Ruhe ein Glas Sekt gönnen … und du … du verschüttest die Hälfte!« Unwillkürlich wandte Kazumi ihren Kopf in die Richtung, aus der sie Tamoras samtige Stimme vernommen hatte. Dem sich ihr bietenden Anblick gehörte augenblicklich ihre ganze Aufmerksamkeit – sie spürte geradezu körperlich wie er sie fesselte und gefangennahm. Sie sah Violett mit ihrer Verlobten, die beide auf einer wundervoll verschnörkelten eisernen Gartenbank in viktorianischem Stil saßen, die Finger zärtlich mit der jeweils anderen Hand verflochten. Selbst über die Entfernung konnte sie liebkosende Berührungen erkennen, die die beiden Frauen sich gegenseitig zum Geschenk machten. Doch das war es gar nicht, was ihren Blick so an dieser Szenerie verhaften ließ – vielmehr war es eine junge Brünette mit lockigem, verwuselten Haar, die neben dem, nur für zwei Personen ausgelegten Sitzmöbel, im Vierfüßlerstand kniete, den beiden als Tisch diente und auf ihrem schmalen Rücken zwei Sektgläser auszubalancieren suchte. Wow!, dachte Kazumi bei sich, die neben ihrer japanischen Mutter einen amerikanischen Vater ihre Eltern nannte. Sie lächelte. Na, dann lass' mal besser keines davon herunterfallen. Das dürfte eine neckische Strafe nach sich ziehen! Aber ich hab' ja schon gehört, dass du süße kleine Französin voll darauf abfährst! Mal sehen, ob du es selbst darauf anlegst? Dann fiel ihr Blick auf die Blondine, die an der gegenüberliegenden Seite der weißlackierten Gartenbank kniete. Sie erkannte die Frau sofort, die aufgerichtet, ihre Oberarme eng an den Körper gepresst, auf ihren Handinnenflächen, weit nach vorn gestreckt ein kleines silbernes Tablett hielt, auf dem ein, vermutlich mit Eis gefüllter Sektkühler stand und aus dem der schlanke Hals einer grünen Flasche ragte. Das ist also die berühmte ›Cat‹, von der mir Scarlett schon so viel berichtet hat und die nun meine neue Chefin werden soll … Na, ich bin ja mal gespannt, ob sie sich auch tatsächlich so kratzbürstig gebärdet, wie es ihr Spitzname suggeriert! Was für ein süßes Bild, ging es ihr durch den Kopf, als sie nun ihre Richtung änderte und auf die Gruppe zuschritt. Inzwischen hatte sie sich den vier Frauen so weit genähert, dass das knirschende Geräusch, welches ihre Absätze auf dem Kiesweg verursachten, ihre zukünftigen Herrinnen aufblicken ließ, über deren Gesichter direkt ein einladendes, herzliches Lächeln huschte. Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte Kazumi in Tamoras Augen ein schelmisches, geheimnisvolles Grinsen und Aufleuchten bemerkt zu haben. In diesem besonderen Moment fanden sich ihre Augenpaare und versenkten sich ineinander. Erneut hatte die äußerst attraktive Halbasiatin das Gefühl, gefesselt zu sein und sich nicht mehr rühren zu können. Sofort sprang Tamora auf, stellte die Beine eng aneinander und legte die Handflächen vor ihrer Brust gegeneinander, sodass die Daumen nach hinten und ihre Finger nach oben zeigten. Dann neigte sie ihren Oberkörper leicht nach vorn und blickte nur für den Augenblick der Begrüßung auf Kazumis Schuhspitzen. »Ohayōgozaimasu, Kazumi!« Über das Gesicht der Schwarzhaarigen schlanken Frau huschte ein anerkennendes Lächeln. Sie stellte den Koffer neben sich ab und begrüßte zunächst Tamora und Violett auf gleiche Weise, ehe sie sich auch Floré und Courtney auf typisch japanische Art entgegenneigte und ihnen ihre Ehrerbietung aussprach. Erst jetzt fuhr Tamora fort: »Das ist so schön, dass du nun doch zu uns gekommen bist.« »Watashi mo shiawasedesu … Ich freue mich auch«, erwiderte Kazumi mit ihrer weichen, melodischen Stimme, die alle in ihren Bann zog, ohne sich einen Zehntelzoll von ihrem Platz oder überhaupt irgendwie bewegt zu haben. Auf Tamoras Lippen lag ein glückliches Lächeln. »Dein Koffer sieht schwer aus. Wir werden ihn ins Haus bringen. Dort kannst du dann auch deine Sachen ablegen.« Violett konnte sich ein kurzes helles Auflachen nicht verkneifen. »Kannst du es mal wieder nicht erwarten zu spielen, meine Süße, das du Kazumi schon jetzt bittest abzulegen?« Sie drohte ihrer Prinzessin spielerisch mit dem Zeigefinger. »Hast du etwa vergessen, wer die Mistress im Haus ist?« Ihre Frage kam mit einem dominanten Unterton daher, der allen, vielleicht von Kazumi einmal abgesehen, anzeigte, dass gerade ein gemeinsames Spiel begonnen hatte. Tamora versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen. Erst durch den Hinweis ihrer Königin war ihr zu Bewusstsein gekommen, wie Doppeldeutung ihre Wortwahl unbewusst gewesen war. Demutsvoll senkte sie ihr Haupt und war augenblicklich ganz ihrer Rolle als unterwürfige Sklavin ihrer auserwählten und über alles geliebten Herrscherin. Ungeachtet aller ging sie auf dem noch vom Morgennebel feuchtem Gras auf die Knie. Ohh, Vio! … Ich liebe es, wenn du mir gegenüber diese Seite von dir zeigst, mir bedeutest, wo mein Platz ist. Mich so sein lässt, wie ich wirklich bin … und es mit deiner ganzen Liebe zu mir tust, freute sie sich still. Dann schaute sie auf, nur ganz kurz: »Niemals würde ich das in Frage stellen, Herrin!« Erstaunt und zugleich fasziniert, was sich da gerade auf völlig harmonische Weise zwischen den beiden Frauen vor ihren Augen abspielte, starrte Kazumi sie an. Wie süß die beiden in ihren Rollen aufgehen. Ich hab' schon lächeln müssen, als sie sich in Scarletts Büro ständig gegenseitig herausgefordert haben, schmunzelte sie in sich hinein und fügte für sich selbst, frei nach dem Olympischen Motto, hinzu: Hiermit erkläre ich die ersten dominant-devoten erotischen Spiele ab Kazumis Zeitrechnung für eröffnet! Zärtlich legte Violett ihrer Zukünftigen eine Hand unter das Kinn und hob ihren Kopf so an, dass diese sie anschauen musste. »Na warte, mein süßes rolliges Kätzchen … Du wirst heute noch reichlich spielen können!«, kündigte sie ihr an und lächelte dazu vielsagend. Dann machte sie sich den Spaß in die Sprache des alten Jedi-Meisters ›Yoda‹ aus der ›Star Wars-Reihe‹ zu verfallen: »Bekommen du wirst, was verdient du hast! Lernen viel du noch musst!« Violetts liebevolle und witzige Anspielung auf die ›Schwarze Macht‹[1], ließen Tamora vor Spannung und Lust erzittern. Noch hatte Violett ihre Hand nicht von Tamoras Kinn gelöst. Sie spürte wie ihre Prinzessin unwillkürlich erschauerte. War das gerade als Androhung zu verstehen, dass du mir diesen ferngesteuerten Teufel von ›Anal-Plug‹ … Sie malte es sich nicht ganz aus. Ohh, wie sehr musst du gerade zum Spielen aufgelegt sein, Vio, wenn du sogar dieses so heiß und innig geliebte Spielzeug zur Sprache bringst, grinste Tamora in sich hinein. »Den Pfad zur dunklen Seite du gut kennst, Herrin. Aber höre: Die Macht führt zu Erregung, Erregung zu Wollust und Wollust zu unsäglichen Orgasmen! Wirst sicher du dir sein, dass schenken sie mir du willst?« Dabei zog sie eine zuckersüße Schnute und klimperte anschließend, ihrer Erwiderung noch das Krönchen aufsetzend, verführerisch und lockend mit den Wimpern. Augenblicklich vernahmen alle ein herzhaftes Kichern und gleich darauf ein klirrendes Geräusch. Sofort richteten sich alle Blicke auf die süße Französin. »Also wirklich, ›Cherié‹!«, kam es ermahnend und spöttisch von Violett. »Das ist inzwischen das fünfte Sektglas in dieser Woche! Wann wirst du es endlich lernen, deinen Arsch stillzuhalten?! Ich kann nicht laufend für Nachschub sorgen, oder?« »Pardonnemoi, Maîtresse!«, reagierte Floré verhalten leise. Sie hatte sich weit nach vorn gebeugt, um ihre Stirn auf ihre vorgestreckten und aufeinander gelegten Hände zu senken. Sie ärgerte sich insgeheim darüber, dass Tamora sie mit der Antwort Violett gegenüber zum Lachen gebracht hatte. Eigentlich wollte ich die Sache diesmal nicht vermasseln … Aber wie sagt das Sprichwort doch … On récolte ce qu'on a semé![2] Nun, dann werde ich wohl mal wieder die geliebte Strafe akzeptieren, die ich mir durch dieses kaputte Glas eingebrockt habe. »Deine Lektion erhältst du später!«, herrschte Violett sie gespielt an. »Jetzt hilf deiner neuen Kollegin den Koffer ins Haus zu bringen … Ich wünsche mich gleich mit ihr im Salon zu konversieren!« Besser als konservieren, prustete Courtney unmerklich für alle in sich hinein, wobei das Tablett mit dem Sektkübel gefährlich zu schaukeln begann, und wie habe ich mir in diesem Zusammenhang erst konvertieren vorzustellen … Oh, gnädige Königin, nehmt mich auf in den Zirkel der Gequälten, der Ausgepeitschten und in die Ketten der Unterwerfung Entrechteten? Als sie bei ›Entrechteten‹ ankam und sich zusammen mit Floré und Kazumi im Keller nebeneinander in Eisen bäuchlings an einer Wand hängen sah, wie es mittelalterlicher nicht sein konnte, nur die geringe Wärme der Esse spürend, in der die Folterinstrumente erhitzt wurden und nachdem man sie konvergierend gnadenvoll der Knute ausgesetzt hatte, konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie lachte schallend los und scheppernd viel ihr das Silbertablett samt Kübel, Eis und Sektflasche aus den Händen. »Oh, da schau her!«, grinste Violett. In ihren Augen flackerte es diabolisch auf. »Perfekt ist das Leben nie, aber es gibt besondere Momente, die es lebenswert machen und es gibt Menschen, die diese Momente perfekt machen. Zu diesen Menschen zählst du gerade für mich, ›Cat‹! Du und ›Cherié‹, ihr seid wie zwei Puzzleteile: so unterschiedlich, und doch passen ihr perfekt zusammen. In Glück und Unglück, in Lust und Schmerz … Na, ich will mal sehen mit welchem Schmerz ich euch nachher Lust bereiten werden.« Genüsslich rieb sie sich die Hände und ein bedrohlicher, nichts Gutes verheißender Zug umspielte ihre wundervoll geschwungenen, weichen Lippen. Sie wandte sich ihrer Prinzessin zu. »Wie steht es mit dir? Willst du das Puzzle ergänzen? Sag's nur frei heraus!« »Gern die Macht spüren ich will, Herrin! Was geschieht meiner Zofe soll auch mir widerfahren!«, gab sie leise, aber mit Bestimmtheit zur Antwort – womit sie sich mit den beiden Bediensteten solidarisch erklärte. Courtney blieb mit der klaren Anweisung zurück, alles in die Küche zu schaffen, nachdem sie Florés und ihr eigenes Missgeschick beseitigt hatte, um sich dann unverzüglich im Salon einzufinden.
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