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Lucie hielt sich dicht hinter Marek. Sie konnte nicht leugnen, dass sie lieber mit Jem in einer Gruppe gewesen wäre, aber entgegen ihrer Erwartung zeigte sich Marek von einer ziemlich netten Seite. Irgendwie schaffte er es, ihr ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, und das konnte sie im Moment gut brauchen.

Zusammen mit dem älteren Ehepaar befanden sie sich auf dem Weg ins Untergeschoss. Die Aufzüge waren allesamt außer Betrieb, weswegen sie nach einem Treppenhaus suchen mussten.

Dass es dort drinnen stockfinster sein könnte, daran hatten sie nicht gedacht. Nachdem sie etliche Shops nach Lampen durchkämmt hatten, fand Marek endlich ein paar kleine Schlüsselanhänger, die für ihre Zwecke geeignet waren. Sie schienen sich durch Handwärme aufzuladen und funktionierten einwandfrei.

Neben Souvenirartikeln und kleineren Mitbringseln fanden sie in dem schmutzigen, verwahrlosten Laden auch ein paar Zeitschriften. Sie fühlten sich seltsam an, nicht wie Papier. Lucie nahm eine davon mit, in der Hoffnung, später ein paar Informationen zu erhalten. Mit ihren vier LEDs erzeugten sie so viel Licht, dass sie sich auf den Weg ins Untergeschoss machen konnten.

Die Luft im Treppenhaus war stickig. Der Staub auf den Treppenstufen war zentimeterdick und wies keinerlei Fußabdrücke auf.

»Fast wie ein Dornröschenschloss«, flüsterte sie. »Als wären hier alle durch einen Zauber in Tiefschlaf gefallen.«

»Wenn sie wenigstens schlafen würden«, sagte Marek. »Aber es sieht aus, als hätten die Leute alles stehen und liegen gelassen und wären einfach verschwunden …«

»Wäre nicht das erste Mal«, meinte der Mann mit dem dunkelblauen Poloshirt. Lucie runzelte die Stirn. »Wie meinen Sie das?«

»Nun, darüber gab es neulich mal einen Bericht im Fernsehen. Ich rede von den Maya. Sie verfügten über den besten Kalender der Welt und bauten wunderbare Städte. Ihre Hauptstadt Tikal wurde zu ihrer Blütezeit von fünfundvierzigtausend Menschen bewohnt. Bis sie eines Tages aufbrachen und auf Nimmerwiedersehen verschwanden.«

»Und wohin?«, fragte Marek.

»Das weiß niemand«, antwortete der Mann. »Ein ganzes Volk verließ einfach seine Häuser. Die Menschen wanderten aus und niemand von ihnen kam je wieder zurück. Die Städte verödeten, der Dschungel fraß sich in die Straßen. Bis nur noch Ruinen übrig blieben. Es ist eines der größten ungelösten Rätsel der Menschheitsgeschichte.«

Lucie schluckte. Der Abschied aus Deutschland und von ihren Eltern war ihr ohnehin schwer genug gefallen. Aber trotz aller Aufregung hatte sie sich sehr auf die Reise gefreut. Auf ihre Gasteltern, den neuen Ort und all das, was er Spannendes mit sich bringen würde. Schließlich war immer klar gewesen, dass sie nach zehn Monaten wieder nach Hause durfte. Doch jetzt? Jetzt auf einmal war alles anders. Plötzlich war hier von untergegangenen Zivilisationen die Rede.

Die Frau stupste ihren Mann an. »Hermann, du machst den Kindern Angst.«

Marek legte Lucie den Arm um die Schulter. »So schnell bekommen wir keine Angst, nicht wahr, Lucie?« Er zwinkerte ihr zu. »Ich kann Sie gut verstehen. In diesem Moment macht sich wahrscheinlich jeder von uns so seine Gedanken …« Weiter kam er nicht, denn wie durch ein Wunder war plötzlich das Licht angegangen. Marek blinzelte ein paarmal überrascht, dann lächelte er: »Sehen Sie, manche Probleme lösen sich von ganz allein.« Er ließ den Schlüsselanhänger in seiner Tasche verschwinden und öffnete die Tür, auf der mit abblätternden Buchstaben Deck 1 zu lesen stand. Lucie folgte ihm.

Es war ein Parkhaus. Unzählige Fahrzeuge standen hier sauber geparkt auf ihren Plätzen.

Schweigend wanderten sie zwischen den Autos umher, spähten ins Innere und suchten nach Anhaltspunkten. In Lucie wuchs das Gefühl, dass sie die letzten Menschen auf dem Planeten waren.

»Schaut euch mal die Autos an«, sagte der Mann nach einer Weile. »Eigenartig, oder?«

Lucie verstand zuerst nicht, worauf er hinauswollte, doch dann fiel es ihr auf. »Einige von ihnen haben keine Lenkräder«, murmelte sie.

»Ich kann auch keine Schaltknüppel oder Pedale erkennen. Dafür sind überall riesengroße Displays angebracht.«

»Elektrofahrzeuge«, sagte Marek. »Jeder Stellplatz verfügt über eine eigene Ladestation, seht ihr?«

»Aber wieso fehlen die Lenkräder?«, hakte Lucie nach. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie man sich mit diesen Dingern von A nach B bewegen sollte.

»Sind vermutlich Selbstfahrer«, entgegnete Marek. »Die Dinger werden komplett über Navigationsgeräte gesteuert. Ich habe darüber mal einen Bericht gesehen. Man gibt einfach den Zielort ein, drückt auf Start und das Auto bringt einen dorthin, wo man will. Ich glaube, Google experimentiert gerade mit so etwas.«

»Und wozu sollte das gut sein?«

Marek zuckte mit den Schultern. »Vermeidung von Staus und Verkehrsunfällen, intelligentes Verkehrsleitsystem und so weiter.« Er fuhr mit dem Finger über die Oberfläche eines Wagens, der offensichtlich mal Silber gewesen war. Jetzt wurde er von einer dicken Staubschicht bedeckt. »Meine Eltern haben ein Autohaus, deswegen kenne ich mich ein bisschen mit dem Thema aus. Und eines kann ich euch sagen: So weit wie hier sind wir in Deutschland noch lange nicht. Mit solchen Autos ist frühestens in den nächsten fünf bis zehn Jahren zu rechnen.«

»Denver scheint da schon weiter zu sein«, überlegte Lucie. »Oder das hier ist eine Art Testgelände.«

»Aber es ist alt«, entgegnete Marek und wischte sich die staubigen Finger an seiner Jeans ab. »Alles hier ist alt.«

Womit er natürlich recht hatte. Lucie vergaß immer wieder, dass dieser Ort ja verlassen war. Seit mindestens zehn Jahren. Je öfter sie darüber nachdachte, desto verwirrter war sie.

Ihr Blick streifte den Umschlag ihrer Zeitschrift. Einer Eingebung folgend, warf sie einen Blick auf das Datum. Die Zahlen waren wie eine Melodie. Eine höchst fremdartige und bedrohlich wirkende Melodie. Sie erstarrte.

»Das gibt’s doch nicht«, flüsterte sie.

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