Читать книгу Evolution Bundle - Thomas Thiemeyer - Страница 52

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Moment mal«, sagte Olivia. »Ich bin echt keine Expertin auf dem Gebiet der Evolutionsforschung, aber eine Sache weiß ich doch. Und zwar, dass solche Vorgänge nur sehr langsam vonstattengehen. Sie benötigen enorm viel Zeit. Wir reden hier über Zeiträume von Hunderttausenden, wenn nicht gar Millionen von Jahren. Und jetzt soll das alles von heute auf morgen geschehen sein?«

Lucie fand, dass das eine gute Zwischenbemerkung war. Olivia schien ein ziemliches Ass in Bio zu sein. Roderick lächelte ebenfalls. »Sehr gut, junge Dame. Sie sprechen damit die zweite große Veränderung an. Erinnern Sie sich an den Fernsehbeitrag, den ich Ihnen kürzlich gezeigt habe?«

Olivia verschränkte die Arme vor der Brust. »Du meinst die Biologin, die von den einfachen organischen Verbindungen sprach, die der Komet ins Meer getragen hat?«

»Protomaterie, so hatte sie sie genannt«, warf Paul ein.

»Aber sie sagte doch, dass von denen keine Gefahr ausgehen würde.«

»Tja, falsch gedacht«, erwiderte Roderick. »Diese Moleküle waren zwar nicht direkt gefährlich, hatten aber doch einen gewaltigen Effekt auf das bestehende Leben. Der Begriff fiel eben schon mal. Mutation. Wissen alle, worum es sich dabei handelt?«

»Nicht direkt«, sagte Katta. »Vielleicht könntest du noch mal kurz zusammenfassen, worum es dabei geht.«

»Also gut. Die Zellteilung ist Ihnen allen noch ein Begriff, oder?«

»Klar.«

»Nun, dabei kommt es immer wieder zu kleinen Fehlern – bestimmte Abschnitte auf dem Genstrang, die sich nicht hundertprozentig genau verdoppeln. Dadurch entstehen Veränderungen, Mutationen genannt. In den meisten Fällen sind sie harmlos und bewirken gar nichts. Manchmal führen sie dazu, dass das Lebewesen sich nicht mehr vermehren kann. Ganz selten geschieht es, dass die Veränderungen einen Vorteil bewirken. Zum Beispiel könnte der Hals eines Tieres ein bisschen länger werden, wodurch es besser an die oberen Blätter kommt, oder es kann länger die Luft anhalten, weswegen es tiefer tauchen und so besser an die Nährstoffe gelangen kann. Genauso gut kann eine Mutation bewirken, dass ein Meereslebewesen in der Lage ist, Luftsauerstoff über die Haut aufzunehmen. Bei Lurchen war das schon immer bekannt, nicht aber bei Kopffüßern. Wie auch immer: Das mutierte Tier vermehrt sich und gibt die vorteilhafte Information an seine Kinder weiter. Die Kinder und Kindeskinder verbessern die Eigenschaften, perfektionieren sie und erobern so einen völlig neuen Lebensraum. Alles klar so weit?«

Alle nickten. Lucie hatte das alles zwar schon mal gehört, doch sie schien es erst jetzt richtig verstanden zu haben.

»Mutation also. Dabei gilt es, eine Sache zu beachten: Je einfacher und primitiver eine Lebensform ist, desto schneller treten Mutationen auf«, erklärte Roderick. »Am häufigsten findet man sie bei Viren und Bakterien. Sie verändern sich eigentlich dauernd.«

»Und was hat das alles mit den Kopffüßern zu tun?«, fragte Lucie.

»Darauf komme ich gleich«, sagte Roderick. »Wichtig ist, dass Sie das Prinzip verstehen.« Er schien ganz in seinem Element zu sein. »Kommen wir nun zu der eben erwähnten Protomaterie. Sie hatte einen verblüffenden Effekt auf das bestehende Leben auf der Erde, denn sie wirkt wie eine Art Dünger. Sie begünstigt Mutationen und beschleunigt damit die Evolution.« Er warf ihnen einen bedeutungsvollen Blick zu.

»Evolutionsdünger gelangt also ins Meer und von dort aus in den Wetterkreislauf. Er breitet sich rasend schnell über die ganze Erde aus. Er gelangt in den Regen und von dort aus ins Trinkwasser. Als Erstes befällt er Viren und Bakterien. Auch die in unserem Körper. Es mag Ihnen nicht bewusst sein, aber zwei Kilogramm von jedem von Ihnen bestehen aus Bakterien. Sie sind ein Teil von Ihnen. Ihr Körper ist so gesehen ein gigantischer Bakterienzoo.«

»So ein Unsinn.« Katta verzog das Gesicht. »Das hieße ja, wir wären alle krank.«

Roderick schüttelte den Kopf. »Bakterien sind für die Funktionen eines menschlichen Körpers unerlässlich. Sie schützen die Haut, helfen bei der Verdauung, bilden Vitamine und regen die Immunabwehr an. Aufgrund des Evolutionsdüngers kommt es jetzt zu Mutationen. Winzige Veränderungen, die aber eine verheerende Wirkung haben. Sterilität. Die Menschheit wurde unfruchtbar. Frauen wurden nicht mehr schwanger, es wurden keine Babys mehr geboren. Das war der Anfang vom Ende.«

»Du meine Güte«, flüsterte Katta. »Heißt das, dass es jetzt auch uns erwischt hat? Ich meine, dieses Zeug ist doch immer noch in der Luft, oder?«

Lucie schwirrte der Kopf von so vielen Informationen.

»Darüber habe ich leider keine gesicherten Informationen«, erwiderte Roderick. »Es wäre blanke Spekulation. Aber ein gewisses Risiko besteht, ja.«

»Wieso hast du uns das nicht schon gestern erzählt? Du hättest uns doch warnen können. Dann hätten wir vielleicht noch irgendwo Gasmasken besorgt und uns geschützt.«

»Ich bezweifele, dass das etwas genutzt hätte«, sagte Arthur. »Wir waren der Luft bereits viel zu lange ausgesetzt.«

Kattas Schultern sanken nach unten. »Auch wieder wahr …«

»Was geschah dann?«, fragte Lucie. Sie fürchtete sich davor, was noch folgen konnte, aber sie musste jetzt die ganze Wahrheit hören.

»Exitus«, sagte Roderick. »Nicht schnell, aber beständig – Jahr für Jahr ein paar mehr. So lange, bis am Schluss niemand mehr übrig war. Ein halbes Jahrhundert mag evolutionstechnisch sehr kurz sein, aber für euch Menschen ist es eine lange Zeitspanne. Ich glaube aber, dass ihr nicht sehr gelitten habt.«

»Du sagst das so einfach, du bist kein Mensch«, meinte Lucie. »Mir fällt es schwer zu glauben, dass es so einfach abgelaufen ist.«

»Vermutlich haben sich alle damit abgefunden«, warf Arthur ein. »Menschen sind anpassungsfähig. Irgendwann war es normal, keine Kinder mehr zu bekommen. Die Menschen wurden älter und starben friedlich.«

»Das denke ich auch«, sagte Jem. »Zuerst wurden die Städte aufgegeben, später die Dörfer. In die neu entstandene Lücke drangen Pflanzen und Tiere ein. Die Natur holte sich alles wieder zurück.«

Lucie schüttelte den Kopf. »Und man hat nie ein Gegenmittel gefunden?«

Roderick blickte betrübt. »Bedaure, nein. Die Menschen schlossen ihre Geschäfte und gingen fort. Sie wurden alt und starben. Allerdings gab es wohl vereinzelte Konflikte mit den Squids. Die Menschen sahen in der neu entstandenen Lebensform einen Feind. Immerhin drangen sie überall dort ein, wo die Menschen sich zurückzogen. Doch wie das im Einzelnen ablief, darüber kann ich nichts sagen. Dazu müssten Sie weitere Daten dechiffrieren. Ich habe Ihnen so viel erzählt, wie ich weiß. Wenn Sie mich brauchen, Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«

Bzzz … und er war weg.

Lucie schwieg. Genau wie die anderen. Jeder versuchte, auf seine Weise mit den Informationen fertig zu werden. Was natürlich unmöglich war. Vermutlich würden noch Wochen vergehen, bis sich alle damit abgefunden hatten. Aber immerhin wussten sie jetzt, woran sie waren.

»Statt in die Bibliothek zu gehen, hätten wir uns mal lieber auf den Friedhöfen umsehen sollen«, sagte Jem düster. »Dort hätten wir die Antwort sicher früher erhalten. Lasst uns weiterfahren und nach den Überlebenden suchen. Mein Bedarf an schlechten Nachrichten ist für heute gedeckt.«

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