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Außerhalb von Colorado Springs veränderte sich die Landschaft. Es gab deutlich weniger Bäume und Büsche. Sie wechselten vom Highway 25 auf die 115, die direkt bis an den Fuß des Cheyenne Mountain führte.

Jem saß wieder vorne am Lenkrad, Lucie neben ihm. Mit argwöhnischem Blick musterte er den Himmel. Ein Vogelschwarm hing über ihren Köpfen. Diesmal waren nicht nur Krähen und Raben mit dabei, sondern auch große Raubvögel. Ein Anblick, der Jem eine Scheißangst bereitete.

»Verdammt noch mal«, murmelte er. »Sieht ganz so aus, als hätten sie uns wiedergefunden.«

»Aber wie ist das möglich?«, fragte Lucie. »Ich dachte, wir wären ihnen entkommen.«

»Zu früh gefreut«, erwiderte Jem. »Diese Viecher haben verdammt gute Augen. Und unser Bus ist nicht gerade unauffällig.«

»Aber warum?« Lucie berührte sanft seinen Arm. »Reicht es denn nicht, dass sie uns aus der Stadt vertrieben haben? Warum folgen sie uns bis in die Berge? Wir stellen doch für niemanden eine Bedrohung dar.«

»Das wissen wir, aber wissen sie das auch?« Jem verfolgte den stetig größer werdenden Schwarm. »Wir Menschen waren doch noch nie sonderlich zimperlich im Umgang mit der Natur. Ich habe mal irgendwo gehört, dass alle zwölf Minuten irgendwo eine Art ausstirbt.«

»Zwölf Minuten, das ist ja furchtbar. Könnte es vielleicht sein, dass sich all diese Arten plötzlich gegen die Menschheit verbündet haben?«

Jem warf einen besorgten Blick nach oben. »Kann schon sein«, flüsterte er. »Sieh dir das mal an! Ich bin ja weiß Gott kein Tierkenner, aber da kreisen Adler neben Kranichen und Falken neben Krähen. Eigentlich müssten die sich doch an den Kragen gehen, aber sie benehmen sich wirklich wie Verbündete.«

»Wie heißt es doch so schön?«, murmelte Lucie. »Der Feind meines Feindes ist mein Freund.«

Jem schüttelte den Kopf. »Irgendetwas muss geschehen sein, das diese anormale Verhaltensänderung bewirkt hat, und ich glaube, die Squids sind der Schlüssel zu diesem Rätsel.«

»Glaube ich auch«, pflichtete Lucie ihm bei. »Wenn wir einen Weg finden könnten, uns mit ihnen zu verständigen, dann könnten wir sie wenigstens von unserer Unschuld überzeugen.«

»Dazu müssten wir erst mal wissen, wo sie sich aufhalten«, sagte Jem. »Aber wie willst du dich mit einem Tier verständigen, das unsichtbar ist? Sie könnten hier überall sein und wir würden sie nicht erkennen.« Er hämmerte mit der Hand auf das Lenkrad. »Ein verfluchter Mist ist das.«

»Warum kann es nicht einfach wieder so werden wie früher?«, fragte Lucie leise. »Ich will doch nur nach Hause. Und wenn das nicht geht, wenigstens in Ruhe und Frieden leben. Ist das denn zu viel verlangt?«

Sie wirkte so traurig, dass es Jem fast das Herz brach. »Wir schaffen das«, sagte er und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. »Wir werden die Überlebenden finden und dann werden wir einen Weg zurück in unsere Welt suchen, okay?«

Sie nickte, doch er sah ihr an, dass sie nicht wirklich daran glaubte. Wie auch? Schließlich waren sie auf der Flucht und das Gelände wurde immer unwegsamer und trostloser.

Die Straße schlängelte sich zwischen Granitfelsen und krüppeligen Kiefern in die Berge hinauf. Zwischen den schattigen Bergflanken tauchten bereits die ersten Schneefelder auf.

»Wie weit ist es noch?«, rief Jem nach hinten. »Eigentlich müssten wir doch bald da sein.«

Paul warf einen Blick auf die Karte. »Wir befinden uns jetzt auf der Norad Road, kurz hinter der Abfahrt 43A. Die Straße ist nicht besonders lang. Vielleicht einen Kilometer oder so.«

»Da vorne kommt ein Schild«, sagte Arthur.

Alle rutschten auf die rechte Seite. Auf einem komplett verrosteten Schild stand in kaum noch lesbarer Schrift: Warning: Restricted Area. Official Government Business Only.

»Die Warnung gilt ja wohl nicht mehr, oder?« Arthurs Blick wirkte sorgenvoll.

»Doch, ganz bestimmt gilt die noch«, sagte Olivia mit gespieltem Ernst. »Ich wette, gleich hinter der nächsten Biegung stehen die Cops und nehmen uns fest. Aber das hätte auch ein Gutes. Zumindest dann könnten wir sicher sein, dass es doch noch Überlebende gibt.« Sie grinste breit.

»Sehr witzig.« Arthur vergrub seine Nase hinter dem Computerdisplay.

»Aber findet ihr es nicht merkwürdig, dass es so nahe an der vermeintlichen Zuflucht keine Hinweise auf menschliches Leben gibt? Zäune, Weiden, frisch errichtete Hütten, bemalte Schilder – irgendetwas. Die Gegend sieht genauso trostlos und heruntergekommen aus wie der ganze Rest.«

»Vielleicht wollen sie genau diesen Eindruck erwecken, um keine Feinde auf ihre Spur zu lenken«, gab Paul zu bedenken.

»Das ist doch Schwachsinn. Die einzigen Feinde haben Klauen, Reißzähne oder Schnäbel. Denen ist es doch egal, ob da ein Hinweisschild steht oder nicht.«

»Auch wieder wahr …«

»Könnte es sein, dass die Aufzeichnungen fehlerhaft sind?«, fragte Lucie. »Vielleicht haben wir uns einfach nur verfahren?«

Paul schüttelte den Kopf. »Das ist die richtige Straße. Natürlich kann es sein, dass dort schon lange niemand mehr lebt, aber das werden wir erst feststellen, wenn wir da sind. Lasst uns erst mal ankommen und nachsehen, okay? Sorgen machen können wir uns später immer noch.«

*

Sie fuhren einen weiteren Kilometer auf der zunehmend schlechter werdenden Straße. Immer steiler und steiler ging es hinauf. Lucie fiel auf, dass das Land immer schroffer und karger wurde. Als sie um eine Kurve bogen, tauchte plötzlich ein breiter Zaun vor ihnen auf. Dahinter befand sich eine steil aufragende Felswand mit einer halbrunden Öffnung darin. Lampen, Sicherheitsanlagen, ein verschlossenes Stahltor – sie hatten NORAD erreicht.

Jem nahm den Gang raus, ließ den Bus ausrollen und zog die Handbremse. Dann öffnete er die Türen.

Eisiger Wind schlug ihnen entgegen. Lucie fand, dass die Luft nach Schnee schmeckte. Erst jetzt, da sie das warme Innere ihres Fahrzeugs verließen, wurde ihr bewusst, dass sie tatsächlich sehr hoch in den Bergen waren. Sie schlug den Kragen ihrer Jacke hoch, die sie sich noch schnell übergeworfen hatte, und ging langsam auf das Bauwerk zu. Keine fünf Meter, da sehnte sie sich schon wieder zurück ins warme Innere des Busses.

Der Anblick des gewaltigen Panzerschotts war Furcht einflößend. Bestimmt bestand es aus meterdickem Stahl.

Was mochte sich wohl hinter der Tür verbergen? War es möglich, dass da drinnen tatsächlich noch Menschen hausten? Wenn ja, wie hatten sie so lange überlebt? Ein Leben ohne Sonne und Wind? Schwer vorstellbar. So wie die Morlocks aus H.G. Wells Roman The Time Machine, den sie im Englischunterricht gelesen hatten. Bleiche, langhaarige Lebewesen, die sich auf den Verzehr von Menschenfleisch spezialisiert hatten.

Sie schauderte.

»Ist das nicht unglaublich?«, rief Arthur. »Stellt euch vor, was sich hinter diesem Eingang befindet. Ein Höhlensystem von sieben Kubikkilometern. Fünfundvierzig unterirdische Stahlbauten, deren größte Räume eine Länge von dreißig Metern besitzen. Zweitausend Kilometer unterirdisches Straßennetz. Und dann dieses Tor. Als stünde man vor den Pforten von Moria. Herzlich willkommen in NORAD.«

»Pech nur, dass hier keiner ist, um uns zu begrüßen«, sagte Marek mit düsterem Ausdruck. »Wenn ihr mich fragt, das Ding sieht ziemlich unbewohnt aus.«

»Ach, Unsinn«, rief Arthur. »Wir haben ja noch nicht mal angeklopft.«

»Das sollten wir vorerst auch nicht tun«, sagte Marek.

»Was meinst du?«

»Ich meine, dass wir uns erst mal umschauen sollten, ohne großes Aufsehen zu erregen. Nehmen wir mal an, es gibt hier tatsächlich noch Überlebende, vielleicht sind sie nicht gut zu sprechen auf Fremde. Vielleicht mögen sie es nicht, dass man einfach so unangemeldet vor ihrer Tür erscheint und reinwill. Vielleicht halten sie uns für Feinde und greifen uns an.«

»Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Was wir hier brauchen, ist ein bisschen mehr Optimismus.« Arthur schüttelte den Kopf. »Kommt schon, Leute, immerhin haben wir es bis hierher geschafft. Ich gehe jetzt vors Tor und gucke mal, ob ich jemanden finde oder ob wir uns irgendwie ankündigen können. Wer kommt mit?« Er machte sich auf den Weg.

Lucie presste die Lippen zusammen. Es war ja schön, dass Arthur so optimistisch war, aber woher nahm er diese Zuversicht? Oder wollte er sich nur selbst Mut machen?

Ihre Hoffnungen waren jedenfalls auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Dieser Bereich sah völlig tot aus. Nichts deutete darauf hin, dass hier noch irgendjemand lebte.

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