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b) Sekundäres Unionsrecht

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Gemäß Art. 288 AEUV nehmen die Organe für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an. Es gilt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EUV). Hiernach wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben (Art. 5 Abs. 2 EUV). Dabei beinhaltet die Zuständigkeit nach der „implied-powers-Lehre“ auch jene Vorschriften, bei deren Fehlen die Zuständigkeiten der Union sinnlos wären oder nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten.[14] Die Vertragskompetenzen sind regelmäßig so auszulegen, dass sie ihre praktische Wirksamkeit („effet utile“) erzielen können.[15] In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Union nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind (Art. 5 Abs. 3 EUV).

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Dabei haben die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinauszugehen (Art. 5 Abs. 4 EUV, Verhältnismäßigkeitsprinzip).[16]

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Erscheint ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und sind in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, kann der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften erlassen (Art. 352 Abs. 1 AEUV). Hierdurch sollen bestehende Lücken der Verträge geschlossen werden. Eine Ermächtigung zur Kompetenzerweiterung ist damit nicht verbunden.[17]

Zu den Handlungsformen im Einzelnen (Art. 288 AEUV):

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Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Damit gilt die Verordnung ohne nationalen Umsetzungsakt in den Mitgliedstaaten. Entgegenstehendes nationales Recht tritt zurück. Adressaten der Verordnung sind die Union, die Mitgliedstaaten sowie die Einzelpersonen innerhalb der Union.

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Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Adressaten sind allein die Mitgliedstaaten. Die Richtlinien enthalten eine Umsetzungsfrist, während dieser die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht verpflichtet sind. Kommen die Mitgliedstaaten dieser Verpflichtung nicht oder nur unzureichend nach, leitet die Kommission entsprechende Vertragsverletzungsverfahren ein. Bei der Umsetzung der Richtlinien haben die Mitgliedstaaten diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit („effet utile“) der Richtlinien am besten geeignet sind.[18] Durch das Erfordernis der Umsetzung sind Richtlinien grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar. Der EuGH hat jedoch eine unmittelbare Wirkung einer Bestimmung einer Richtlinie anerkannt für den Fall, dass die Umsetzungsfrist abgelaufen ist und die Richtlinie nicht oder nur unzureichend umgesetzt wurde, und die Bestimmung nach Rechtsnatur, Systematik und Wortlaut geeignet ist, inhaltlich unbedingt und hinreichend genau zu sein.[19] In diesen Fällen kann sich der Einzelne gegenüber dem Staat auf diese Bestimmung berufen. Eine Verpflichtung für einen Einzelnen begründet sie hingegen nicht, weshalb der EuGH eine horizontale Wirkung von Richtlinien auch nach wie vor ablehnt.[20]

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Beschlüsse, ehemals als Entscheidungen bezeichnet, sind in allen ihren Teilen verbindlich. Sind sie an bestimmte Adressaten gerichtet, so sind sie nur für diese verbindlich. Sie wirken damit im Einzelfall. Adressaten können sowohl Mitgliedstaaten als auch (natürliche und juristische) Personen innerhalb der Union sein.

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Empfehlungen und Stellungnahmen sind nicht verbindlich. Sie begründen für ihre Adressaten keine Rechte und Pflichten. Innerstaatliche Gerichte sind jedoch verpflichtet, Empfehlungen bei der Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn sie Aufschluss über die Auslegung von zu ihrer Durchführung erlassenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften geben oder wenn sie verbindliche Vorschriften der Union ergänzen sollen.[21]

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