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Unser viertes Kind – wird nun alles gut?

Es ist ein heißer Sommertag. Etwas kleinlaut informiert Mara mich über ihren Besuch beim Frauenarzt: „Ich bin in der zehnten Woche schwanger.“ Unser viertes Kind! Damit haben wir beide nicht gerechnet. Nur noch selten haben wir miteinander geschlafen, kein Wunder bei all den Lustkillern in den letzten beiden Jahren!

Es musste in der letzten familiären Schönwetterperiode gewesen sein; sich daran zurückzuerinnern fiel nicht schwer, waren die guten Zeiten zuletzt doch äußerst überschaubar.

„Ein viertes Kind, wie soll das nur gutgehen?“, quälten mich die Gedanken. Für mich stand jetzt allerdings fest: Es ist mein Los, diese Ehe fortzuführen. „Niemals werde ich mein Kind im Stich lassen“, schwor ich mir.

Es dauerte ein paar Tage, bis Mara der Realität ins Auge blicken konnte und Worte fand: „Dieses Kind hat Gott uns geschenkt und es wird alles gut“, sagte sie vielversprechend.

In den folgenden Monaten räumte sie sogar mehrmals ein, sie rätsele, wo ihr boshaftes Verhalten nur herkomme; ich sei so gut zu ihr und den Kindern und dennoch würde sie mich wegen Kleinigkeiten immer wieder verletzen – ich solle auf jeden Fall so bleiben, wie ich sei. So begann auch ich zu träumen, unser viertes Kind könnte womöglich die Wende zum Guten bedeuten. Ein Wunder Gottes, eine Gnade?

Die Zeit bis zur Geburt war, wenige unerklärliche Verhaltensweisen meiner Frau ausgenommen, für die ganze Familie eine gute Zeit.

Unser viertes Kind, Finn, hat das Licht der Welt erblickt. So ein hübscher Junge! Vor Freude verschwende ich keinen einzigen Gedanken an eine Trennung.

Bis zum Tag der Flucht lagen noch fünf Jahre vor uns.

Fast ein Jahr lang genossen wir das Familienglück. Der Kleine war ein süßer Sonnenschein, auch seiner Mutter schenkte er innere Ruhe und Ausgeglichenheit. Monatelang geriet Mara nicht in Rage, sie war freundlich und schien mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Auch die Gespräche mit mir genoss sie in jener Zeit; dabei äußerte sie sogar einmal, wie sehr sie mich schätze als liebevollen Ehemann, Ansprechpartner und guten Ratgeber.

Unsere Kinder waren vernarrt in den kleinen Finn. Mara ließ es zu, dass die Mädchen ihn wickelten und fütterten, später durften sie ihn auch baden. Alle drei kuschelten und spielten mit ihm, sangen ihm Lieder, lasen ihm Geschichten vor und gaben ihm mit ihren Musikinstrumenten ein Privatkonzert.

Diese Zeit war zu schön, um wahr zu sein! Das Familienglück sollte uns nicht lange vergönnt bleiben, die Realität holte uns wieder ein.

Beim Fußballspielen vertraut Marco mir an, wie es ihm geht, und beklagt die wieder aufkeimende Unberechenbarkeit und das Geschrei seiner Mutter: „Das letzte Jahr war so toll. Warum macht die Mama wieder alles kaputt?“

Wir wussten es nicht, aber von den sieben Jahren bis zum Tag der Flucht lagen vier noch vor uns.

Natürlich machte ich mir Sorgen, auch um die Kinder; mir war bewusst, dass der häufige Streit und die teils heftigen Konflikte sich negativ auf sie auswirken können. Soweit es in meiner Hand lag, versuchte ich ihnen trotz allem väterliche Liebe, Stabilität und Sicherheit zu geben – und ihre guten Leistungen in der Schule waren eine schöne Bestätigung.

Auch war ich dankbar, dass sie gute Freundschaften hatten – dass sie bei den Freundinnen und Freunden akzeptiert und beliebt waren, war ein Ausgleich für die zunehmende Ablehnung seitens der Mutter; es stärkte das Selbstbild der Kinder und ihre Fähigkeit, Bindungen einzugehen.

Eine Stärkung ihrer Persönlichkeit erlebten sie auch im Sport; ich selbst liebe es, mich auf vielerlei Art zu bewegen, und nicht zuletzt deshalb förderte ich unsere Kinder in den verschiedensten Disziplinen. Ob Turnen, Schwimmen, Fußball, Leichtathletik, Tischtennis, Tennis oder Ju-Jutsu – sie haben sich in vielem ausprobiert.

Somit war nicht nur für Bewegung gesorgt, sondern Sport fördert auch die Sozialkompetenz; dabei ein Miteinander zu erlernen und zu erleben, sich gegenseitig zu akzeptieren und Regeln einzuhalten, das war ein heilsamer Gegenpol zu so mancher unguter Erfahrung zu Hause.

Wegen Nichtigkeiten ging meine Frau „auf die Palme“, immer öfter:

Eine Nachbarin meiner Eltern gab unseren Kindern selbst gebackenen Pflaumenkuchen mit nach Hause. „Was esst ihr denn da?“, fragte Mara. „Wir essen den Kuchen von Frau Schmidt – für dich hat sie auch ein Stück mitgegeben. Lecker!“ „Der sieht ja aus wie gekotzt. Und gesunde Eier sind da bestimmt auch nicht drin. Was bildet die sich ein!“ – „Uns schmeckt՚s“, antwortete Emilia schmatzend.

Wie jeden Arbeitstag läutet um 5:45 Uhr mein Wecker. Leise schleiche ich aus dem Schlafzimmer, vorbei an Finns Bettchen. Ich stehe gerade vor der Dusche, da reißt meine Frau die Tür auf. Sie fuchtelt mit dem Wecker und beschuldigt mich lautstark, ich hätte Finn geweckt. Der liegt weinend in seinem Bettchen.

Die drei Großen, aufgewacht vom Geschrei der Mutter, kommen Richtung Bad gelaufen – und müssen mit ansehen, wie Mara weit ausholt und den Wecker in meine Richtung schleudert. Der Wecker verfehlt mich nur knapp, schlägt krachend an die geflieste Wand und zerschellt in viele Einzelteile.

In meiner Verzweiflung schreie ich Mara an: „Gehe endlich zu einem Psychiater! Dein Verhalten ist so etwas von krank!“ Daraufhin droht sie mir lautstark an, noch heute mit einer Axt mein Büro kurz und klein zu schlagen.

Mit diesem unwürdigen Verhalten hatte sie einmal mehr die Grenze des Respekts und Anstands überschritten. Ich lasse mich scheiden … aber wir haben doch Kinder!, schoss es mir durch den Kopf.

Kind - auf Deine Kosten

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