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Elefant am Spieß
ОглавлениеDie Mbuti-Pygmäen des Ituri-Regenwalds im Kongo jagten Elefanten mit kurzen Speeren. Wie man sich vorstellen kann, ist es ziemlich schwierig, einen erwachsenen Elefanten mit einem einzigen Speerstich zu töten oder auch nur bewegungsunfähig zu machen. In einem dokumentierten Beispiel warf ein Mbuti-Jäger seinen Speer und verwundete den Elefanten in der Seite. Die Jäger folgten der Blutspur, verwundeten den Elefanten erneut und warteten dann einfach ab, bis er durch den Blutverlust so geschwächt war, dass sie ihn töten konnten, ohne sich selbst zu gefährden. Der Lohn für solche Mühe war mehr Fleisch, als die Jäger effektiv zu nutzen in der Lage waren. Also schlugen die Mbuti normalerweise mit ihren Frauen und Kindern in der Nähe eines solchen Kadavers ein neues Lager auf, um das Potenzial der Nahrungsquelle zu maximieren. Dennoch kann man dieses Modell der Mbuti nicht auf die Mammuts jagenden Neandertaler übertragen. Denn erstens benutzten die Mbuti Speere mit Metallspitzen, die dünner waren und eine Oberfläche leichter durchdringen als ein Speer mit steinerner Spitze. Und zweitens, was noch wichtiger ist, jagten die Mbuti in einem geschlossenen Lebensraum inmitten eines Waldes, wo man viel einfacher Schutz suchen und sich verstecken kann; dadurch kamen sie näher an die Elefanten heran und hatten viel mehr Möglichkeiten, einen einzelnen isolierten Elefanten zu finden. Und diese Isolierung war ein wichtiger Faktor. Elefanten machen nämlich Jagd auf Jäger, wenn die Herde bedroht wird.
Mammuts waren die Elefanten der Eiszeit, und obgleich es einige anatomische Unterschiede zwischen Mammuts und den heutigen afrikanischen und asiatischen Elefanten gibt (Mammuts hatten z.B. viel kleinere Ohren), muss dies nicht bedeuten, dass sich ihr soziales Verhalten deutlich voneinander unterschied. Die heutigen Elefanten leben in der Regel nicht in gemischten Gruppen, denen erwachsene Männchen und Weibchen angehören. Stattdessen suchen die Weibchen nach Nahrung und ziehen mit anderen erwachsenen Weibchen und ihren Kälbern umher. Angeführt werden diese Gruppen von einer ausgewachsenen Matriarchin, die sich Bedrohungen und unerwünschten Männchen aggressiv entgegenstellt. Männchen leben in gesonderten Gruppen oder als isolierte Individuen. Zur Paarungszeit tolerieren die Elefantenweibchen die Anwesenheit von erwachsenen Männchen, aber ansonsten sind gemischte Gruppen selten.
Dieses soziale Arrangement stellt für Jäger ohne Hightech-Gewehr ein ernsthaftes Hindernis dar. Aus leicht ersichtlichen Gründen war das optimale Ziel ein Jungtier. Allerdings war es unter normalen Umständen so gut wie unmöglich, ein Kalb von seiner Mutter, den anderen erwachsenen Weibchen und der Matriarchin zu trennen. Ein isoliertes Männchen auszuwählen war aus anderen Gründen riskant: Erwachsene männliche Mammuts waren sehr groß und sehr gefährlich. Ohne das Mammut irgendwie bewegungsunfähig zu machen, war es einfach zu riskant, es zu jagen.
Archäologen waren jedoch in der Lage, eine Gruppe erfolgreicher Mammutjäger aus der Steinzeit zu dokumentieren: die Paläoindianer, die vor 11.000 Jahren in den Ebenen Nordamerikas lebten. Dies waren moderne Menschen mit einer ein wenig besser durchdachten Technik als der der Neandertaler, aber sie sahen sich den gleichen Herausforderungen gegenüber. Ihre Speere bestanden aus einem langen gefiederten Schaft mit einem abnehmbaren Vorschaft, an dem eine dünne Steinspitze befestigt war. Paläoindianer warfen diese Speere mit Hilfe von Speerschleudern, mit Haken versehenen Stöcken, die als Verlängerung des Wurfarms dienten. Mit Hilfe einer Speerschleuder kann ein Jäger die Geschwindigkeit, Reichweite und Durchschlagskraft eines Speers drastisch erhöhen. Aber selbst mit diesem fortschrittlichen Gerät vermieden es die Paläoindianer offenbar, Mammuts im offenen Feld anzugreifen. Alle Orte, wo man Überreste von Mammuts entdeckt hat, die durch Paläoindianer getötet wurden, weisen bestimmte Auffälligkeiten hinsichtlich des Geländes auf. Einmal waren mehrere Mammuts immobilisiert oder zumindest verlangsamt worden, indem man sie durch den weichen Untergrund eines Bachbetts trieb. In einem anderen Fall gingen mehrere Mammuts offenbar in einem ausgetrockneten Flussbett in die Falle. Wie alle Elefanten hatten Mammuts ein relativ geringes Sehvermögen, und nachdem die Jäger durch solcherlei Maßnahmen das Risiko minimiert hatten, dass die Tiere ihnen hinterherliefen, töteten sie sie mit ihren Speerschleudern. Die Paläoindianer verfügten gegenüber den Neandertalern aber noch über einen weiteren Vorteil: Die Evolution des nordamerikanischen Mammuts war ganz ohne die Gegenwart von menschlichen Feinden vor sich gegangen, so dass es wahrscheinlich einfach keine geeigneten Abwehrmechanismen entwickeln konnte.12
Natürlich waren die Paläoindianer keine Neandertaler, aber einige Aspekte ihres Ansatzes bei der Mammutjagd finden wir in Stätten wie La Cotte wieder. Wie die Paläoindianer setzten die Neandertaler offenbar auf landschaftliche Elemente, um sich vor Ort einen Vorteil zu verschaffen. Im Fall von La Cotte machten sie die Mammuts nicht nur bewegungsunfähig, sondern verletzten sie schwer. Aber anders als die Paläoindianer hatten die Neandertaler auch keine Wurfgeschosse mit großer Reichweite und konnten den Mammuts daher auch nicht aus sicherer Entfernung Schaden zufügen. Stattdessen verwendeten sie Stoßspeere mit steinerner Spitze. Kann es einen da verwundern, dass die Neandertaler bei der Jagd vielfach Verletzungen am Oberkörper davontrugen? Die Verwendung landschaftlicher Elemente weist darauf hin, dass die Neandertaler erfolgreiche taktische Jäger waren, die beurteilen konnten, welche natürlichen Vorteile ihnen zur Verfügung standen, und jene dann in ihre Strategie einbauten. Die brutale Tötung aus kurzer Distanz zeigt eine Missachtung der persönlichen Sicherheit jenseits dessen, wie der moderne Mensch in der Regel handelt. Entweder das, oder sie waren äußerst selbstbewusst.