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Der Profi als Popstar

Ein Fußballer, der aus der Jugend kommt und von heute auf morgen die Chance erhält, die Bundesliga-Bühne zu betreten, gerät in eine Wunderwelt, die er kaum begreifen kann. Einfach alles ändert sich. Ein armer Junge wie ich, der bislang überwiegend die Schattenseiten des Lebens kennengelernt hatte, stand urplötzlich im Lichtkegel.

»Das ist nicht normal, das erinnert mich an eine Sekte«, sagte ich in meiner Naivität zu meiner Mutter. Der Wechsel mit 17 Jahren in den Profikader des VfL Bochum und die damit verbundenen Annehmlichkeiten verstörten mich am Anfang. Wenn ich auf dem Parkplatz vor dem Trainingsgelände ankam, steckten mir Fans Briefe, Kärtchen und viele andere Dinge wie Bilder oder Telefonnummern zu. Aus dem Niemand wurde ein cooler Typ, den die Mädchen anhimmelten. Eine Scheinwelt zwar, die aber für mich sehr konkret aussah. Ich konnte mir alles wünschen und brauchte dafür nur mit dem Finger zu schnipsen. Ich nutzte es aus!

Vielleicht durch meine ganz persönliche Geschichte geprägt, fiel es mir schwer, feste Bindungen einzugehen. Meine neue Freiheit, zu der auch meine erste eigene Bude beitrug, genoss ich in vollen Zügen. Ich ließ nichts anbrennen. Meine Wohnung wurde zum Taubenschlag, weil ich die mir zugesteckten Telefonnummern abarbeitete. Meine 40-jährige Nachbarin muss Protokoll geführt haben, denn irgendwann beschwerte sie sich. Eines Nachts klopfte sie an meine Tür. Als ich aufmachte, fragte sie, ob ich nicht etwas leiser sein könnte. Ich antwortete, dass ich doch gar keine Musik hören würde. »Von Musik habe ich nicht gesprochen, vielleicht ist es möglich, etwas leiser zu schreien.« Ich solle doch bitte etwas Rücksicht nehmen. Schließlich sei es halb drei in der Frühe.

Oft werde ich gefragt, wie das mit dem Sex vor dem Spiel sei. »Sehr entspannend«, habe ich dann immer geantwortet. Der eine hat getrunken, der andere geraucht, und ich habe entweder Karten gespielt oder – wenn ich ein Einzelzimmer belegte – mich auch schon mal mit einer Frau vergnügt. Wobei das alles persönliche Bekanntschaften waren und nicht etwa professionelle Frauen. Damit hatte ich nichts am Hut. Und natürlich war ich nicht der Einzige. Viele der Kollegen handhabten das ähnlich, und ich gehe davon aus, dass dies auch heute noch läuft. Damit der Trainer oder Manager nichts merkte, habe ich immer vorher Extra-Zimmer buchen lassen. So waren die Frauen schon im Hotel, wenn wir anreisten. Den Tipp gab mir ein erfahrener Spieler – »funktioniert immer«, sagte er mir. Stimmt.

Der ganze Hype, der um uns Fußballer gemacht wird, ist sicher vergleichbar mit der Situation, in der sich Popstars wiederfinden. Aber er trübt dir die Sinne für die Realität. Du musst schon sehr charakterfest sein, wenn du diese Glitzerwelt unbeschadet überstehen willst. Ich glaube, bei mir dauerte es etwa zehn Monate, in denen ich fast täglich verrücktspielte.

Es beginnt damit, dass du schon nach den ersten Auftritten in der Bundesliga behandelt wirst wie ein kleiner König. Alles, was du machst, ist toll – selbst, wenn es falsch ist. Das hat mit der normalen Welt nichts mehr zu tun. Das wusste ich eigentlich, aber welcher Mensch ist nicht anfällig, wenn er hofiert wird. Es gibt einen Spruch, der sich auch bei mir bestätigte: »Du kannst dich gegen alles wehren, nur nicht gegen Komplimente.«

Es ist kein Geheimnis, dass Erfolg die Menschen anzieht wie die Motten das Licht. Leute suchten meine Nähe, die ich nicht kannte, die sich aber wie alte Freunde gaben. Das hatte natürlich auch mit dem vielen Geld zu tun, über das ich, der arme Schlucker von gestern, plötzlich verfügen konnte. Immer wieder sprachen mich sogenannte Berater an. »Ich würde Sie gerne in Geldangelegenheiten beraten«, war so ein Satz, den ich sehr oft hörte. Einer dieser Typen wirkte seriös, doch ich traute dem Braten nicht. So vertraute ich mich Bekannten an, die sich mit Geldanlagen auskannten. Sie rieten mir, die Finger davon zu lassen. Also sagte ich ihm beim nächsten Mal: »Du machst dich besser aus dem Staub.«


Auch eine Folge der Prominenz: Ich kam in den Genuss einer Homestory, die ich lieber zu Hause bei meiner Mutter absolvierte als in meiner eigenen Wohnung.

Trotzdem – das viele Geld verführt. Ich weiß nicht, warum, aber ich fing an, Münzen in Spielautomaten zu stecken. In der Nähe des Bochumer Schauspielhauses gab es so ein kleines Casino. Die Daddelautomaten faszinierten mich und brachten mich dazu, manchmal bis in die Morgenstunden zu spielen. Irgendwann wurde es zur Sucht. Ich wollte nur noch spielen, wurde hektisch und nervös. Ich zog die Reißleine und stoppte diesen Irrsinn.

Dass ich rechtzeitig die Kurve gekriegt habe, lag an den ungewollten Erinnerungen an meine Kindheit, an den Ängsten, die mich immer mal wieder urplötzlich überkamen. Die Angst davor, alles zu verlieren und wieder mit nichts dazustehen – wie früher. Ich erinnerte mich, dass ich für meine Mama einkaufen ging und abgezähltes Geld mit auf dem Weg bekam. Ich kam an Geschäften vorbei, wo es Pommes gab oder Süßigkeiten. Ich hätte mir so gerne etwas davon gekauft, doch ich besaß selbst kein Geld. Das war schon heftig damals.

Und dann wurde ich Profi und schwamm sozusagen im Geld – kein Wunder, dass ich einen gewissen Nachholbedarf befriedigt habe. Mit der Zeit aber verflüchtigte sich diese Kirmeswelt, und ich begann, Dinge richtig einzuordnen. Schon die Erinnerung an die elenden Jahre meine Kindheit brachten mich bald dazu, mein Geld künftig zusammenzuhalten.

Als junger Mensch zahlte ich in vielerlei Hinsicht Lehrgeld. Aber wird man nicht aus Schaden klug?

Wenn das Leben foul spielt

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