Читать книгу Clone Designer - 2984 - Till Symon - Страница 11
ОглавлениеFortuna
»Wie viele sind es?« Castello brüllte. Scott stand wie ein kleiner dummer Schuljunge da. »Naja, ich habe natürlich die Prioritäten der Bots auf dem alten Standard gelassen. Keine Kampfhandlungen im Konserver-Raum, Konserven über alles schützen.« Castello mochte nicht auf den Bildschirm schauen. Ein Bot übertrug das Bild aus dem Raum. Er sah aus wie ein Schlachtfeld. »Wie viele Gehirne wurden zerstört?«, brüllte Castello. »So an die zwanzig wohl«, stammelte Scott. »Zwanzig?« Castello schaute auf den Bildschirm, der gerade den toten Jasper zeigte. »Wenigstens haben wir diese eine Ratte erwischt und der andere kommt nicht weit. Mein Schiff bitte startklar machen. Scott, du kommst mit.«
Als Clark wieder zu sich kam, kletterte er aus dem Laderaum in sein Cockpit. »Daisy, flieg in die grobe Richtung Conestar 64. Kein Transponder, kein Navigationsabgleich, weg von den Transitstrecken.«
»Das ist nicht legal«, kommentierte Daisy. »Gewöhn dich schon mal daran. Das wird ab sofort öfter vorkommen. Wenn wir aus der Identifikationszone raus sind, gehst du auf direkten Kurs Conestar 64.«
Clark sah aus, als hätte er drei Nächte durchgefeiert. Sein Kopf dröhnte und er konnte sich nur schwer konzentrieren. Er musste an Patricia und Jaimie denken und ihm wurde klar, dass die beiden nun in Gefahr waren. »Daisy, ich möchte eine Nachricht auf die Fortuna schicken. Höchste Verschlüsselung über Envelope4.«
»Aufzeichnung läuft.«
Fortuna stand in einer Konstellation, die den Erdmond größer erschienen ließ als die Sonne. Es war Spätnachmittag und Jaime lud die eingefahrene Ernte von einem Trailer ab. Ihr Gesicht hatte sie mit einem Tuch bedeckt, denn es war windig und der aufgewirbelte Staub lästig. Sonne und Mond standen wie ein friedliches Paar über dem Haus, welches ein wenig chaotisch wirkte. Man baute halt immer das an, was gerade benötigt wurde. Patricia kam auf ihrem Pferd angeritten. »Sie mal, Jaimie, Karina kann wieder perfekt laufen. Sie hat auch ohne Probleme den Ein-Meter-Sprung geschafft.« Jaimie half ihrer Tochter vom Pferd. »Du solltest sie noch nicht so strapazieren. Ihre Verletzung ist noch nicht abgeheilt. Hilf mir bitte, das Gemüse ins Haus zu tragen.« Patricia schaute besorgt in die Körbe. »Die Ernte ist dieses mal nicht so gut ausgefallen.« Jaime nahm sich das Tuch vom Gesicht und lächelte. »Es wird schon reichen. Wir hatten diesmal nicht genug Wasser. Die Fortuna wird immer trockener.«
»Vielleicht zerfällt sie bald wieder zu Staub«, scherzte Patricia, während im Hintergrund ein Signal ertönte. »Da ist eine Nachricht gekommen. Schau mal nach, von wem sie ist.« Patricia lief zur Funkstation. »Sie ist von Clark. Endlich meldet sich mein Vater mal wieder.« Jaime setzte sich mit finsterer Mine an einen Tisch und kippte sich etwas kalten Tee in ein Glas. »Na wenigstens scheint er uns nicht ganz vergessen zu haben. Spiel sie ab.«
»Liebe Jaimie, liebe Patricia, es ist nun viele Jahre her, dass ich euch nicht mehr gesehen habe. Ich habe sehr viel an euch gedacht. Es hat in letzter Zeit bei mir schwerwiegende Veränderungen gegeben. Es tut mir leid, wenn ich euch schon wieder mit Problemen belästigen muss. Aber es geschehen zurzeit Dinge, für die ich nichts kann und die für euch bedrohlich werden könnten. Ich werde so bald wie möglich zu euch kommen und euch alles erklären. Bis dahin müsst ihr sehr vorsichtig sein. Ich werde verfolgt und es ist nicht ausgeschlossen, dass auch ihr bald verfolgt werdet. Bleibt auf jeden Fall dort, wo ihr seid, und schickt mir keine Nachrichten. Schickt niemanden Nachrichten. Ich liebe euch, euer Clark.«
Jaime und Patricia schwiegen sich an. Es gab nichts zu sagen, beide dachten dasselbe. Immer wenn Clark sich meldete, dann mit schlechten Nachrichten oder Problemen. Aber in der Welt, in der er lebte und die sie nicht verstanden, schienen Probleme an der Tagesordnung zu sein. Jedes Mal, wenn er sie besuchen kam, hatten sie gehofft, sie könnten ihn aus dieser Welt endlich rausreißen. Doch sie schien wie eine Droge zu sein, die einen in Abhängigkeit versetzte und nicht mehr loszulassen schien. Jedes Mal schwärmte Clark von seinen Gen Cocktails, die er mit einem Klavier verglich, auf dem er komponierte und auf dem die Oktave aus tausend Tönen bestand. Und wie er als beständiger Gewinner jedes einzelne Patent vor dem Weltkomitee einklagte. Auf der Fortuna lebten rund eine Millionen Menschen, die alle nur deshalb keine Gewinner sein konnten, weil es keine Verlierer gab.
Die Fortuna war ein Geschenk von Allsa an die Individualisten. Eigentlich war der Format Makulatur. Zwei mal drohte schon die Evakuierung, weil die Atmosphäre kurz vor dem Zusammenbruch stand. Es grenzte fast an ein Wunder, als sie sich vor hundert Jahren dann doch stabilisierte. Allsas großzügiges Geschenk diente nur dazu, um eine Millionen lästige Kritiker zu entsorgen, als die Individualisten ihre Unabhängigkeit errangen.
Diesmal brauchte Clark keinen Dämmerschlaf. Er war so erschöpft, dass er von den dreizehn Stunden Flug zwölf Stunden durchschlief. Als das Stationssystem der Conestar 64 wieder beharrlich nach seiner Identifizierung fragte, trank er einen seiner selbst angerührten Muntermacher. »Besser als alles, was es von Allsa gibt«, murmelte er und flog in die Schleuse ein.
Als er durch die Gänge lief, war er richtig aufgeregt und glücklich darüber, dass er Mel so schnell wieder besuchen konnte. Nur war er nirgendwo zu erblicken. Nach 10 Minuten Suche wurde Clark nervös. Er stand vor einem Sektorblock und drückte auf die Intercom.
»Mellie?«
Die ganze Station erhallte seine Rufe, doch es rührte sich nichts. Clark verharrte dort eine weile und versuchte Geräusche zu hören. Nur das Vibrieren der Aggregate und das leise Surren seines Fußballgroßen Bots, der neben ihm schwebte, waren zu hören. Auch Daisy konnte ihn nicht orten. Clark grübelte einen Moment, was passiert sein könnte. Ihm war klar, dass die Zeit rannte und Castello hier bald auftauchen würde. »Mel, verdammt, was ist los?«, sagte er leise zu sich und ging in die Fertigungshalle, in der er ihn zuvor gefunden hatte. Nichts. Hatte er sein Leid nicht mehr ertragen können und einen Weg gefunden, sich zu vernichten? Clark wurde immer nervöser. Unruhig lief er zwischen den Regalen umher und schaute in jeden Winkel. Nichts. Er lief in einen Lagerraum, in dem, neben Gerümpel und Verpackungsmaterial, noch einige Paletten mit fertigem IW45 standen. »Mel, komm her, ich habe Neuigkeiten für dich.« Als er gerade hinter einer Palette nachsehen wollte, schoss plötzlich Mel hervor und würgte ihn mit seiner Greifzange. »Ich habe auch Neuigkeiten für dich, Clark, du mieses Dreckschwein.«
»Mel, lass das, ich kann dir alles erklären«, röchelte Clark. »Du brauchst mir nichts mehr zu erklären, ich weiß schon alles.«
»Mel, ich kriege keine Luft mehr, hör bitte auf.«
»Es wird mir Kraft geben, wenn ich wenigstens einen von euch miesen Verrätern erledigt habe.«
»Mel, dass ist ein Missverständnis.« Clark lief blau an. »Clonedake pleite? Ein Missverständnis? Du hast mich widerwärtig reingelegt.«
»Mel, ich habe deinen Körper gefunden.«
»Ich werde auf deine Lügen nicht mehr reinfallen.« Mel drückte immer fester zu. Mit letzter Kraft zog Clark die Kette aus der Tasche und hielt sie hoch. »Dein Körper existiert. Sieh dir das hier an.« Mel ließ nun etwas locker, behielt Clark aber noch im Griff, der nach Luft rang. »Wo … wo hast du das her?«
»Mel, wenn du mich jetzt umbringst, wirst du es nie erfahren.«
»Das ist eine Fälschung, ein übler Trick.« Mel drückte wieder fester zu. »Ich … kann es … dir … erklären«, röchelte Clark. »An welchem Handgelenk war die Kette? Rechts oder links?«
»Weder noch.« Clarks Augen waren blutrot unterlaufen, »rechtes Fußgelenk.« Clark sackte zu Boden. Mel hatte ihn losgelassen und griff mit seiner Greifzange nach der Kette. Clark hustete und röchelte. Sein Bot setze ihm eine Injektion. Mel hob die Kette direkt vor seine Kameraaugen und musterte sie. »Sarah wollte, dass ich sie dort trage. Sie meinte, dass es Glück bringt. Wo ist mein Körper?« Clark versuchte, wieder zu atmen. Sein Hals war blau von Würgemalen. Mel hätte ihn beinahe getötet. »Er liegt mit den anderen hundert Designern in der Positive Concept. Der Unfall war vorgetäuscht. Castello hat sich ein Lager angelegt. Er braucht euch alle.« Mel war immer noch skeptisch. »Warum hast du meinen Körper nicht gleich mitgebracht?«
»Die Station wurde in einem See versenkt. Ich bin mit einem Freund dort runtergetaucht. Er hieß Jasper und ist jetzt tot.« Mel starrte regungslos auf das Amulett der Kette, in dem das Gesicht seiner Tochter abgebildet war. Nach über vier Jahren hielt er plötzlich einen Teil seines Lebens - in seiner Greifzange.
»Clark, ich habe ein Schiff geortet. Es nähert sich der Conestar 64«, meldete Daisy plötzlich. Clark rappelte sich auf. »Das ist Castello, wir müssen hier sofort weg. Daisy, Blitzstart vorbereiten. Dann holst du den Bot zu dir und klinkst dich bei ihm ein. Flieg ins All und versteck dich auf der Rückseite der Station. Keine Kommunikation mehr, bevor ich dich rufe.«
»Wird ausgeführt, Clark. Dein Schiff ist dann aber völlig unkon-trolliert.«
»Was hast du vor?«, fragte Mel. »Reine Sicherheitsmaßnahme, falls wir hier nicht wegkommen. Daisy können wir dann immer noch wieder einsammeln.«
Castello summte vor sich hin. Als er die Silhouette der Conestar 64 sah, legte er seinen Arm freundschaftlich um Scott. »Na dann werden wir die beiden jetzt mal besuchen. «Scott begriff nicht so recht. »Wer ist denn da noch, außer Clark?«
»Ach, weißt du, der andere war einer meiner besten Leute und sehr undankbar. Sein Gehirn steckt jetzt zum Nachdenken in einem Langzeiterhaltungssystem«, seufzte Castello. »Er lebt also praktisch?«
»Ja«, Castello verdrehte entzückt die Augen und verfiel in einen Singsang. »Ich könnte ihn sterben lassen und wiederbeleben … und sterben lassen und wiederbeleben.« Scott schauderte es. »Mein Gott, was für Qualen.« Castello schaute ihn mit einem sanftmütigen Blick an. »Aber Scott, wenn es uns gelingt, sein kleines Geheimnis zu lüften, wirst du zur Elite aufsteigen.«
»Wirklich?« Scott bekam glänzende Augen. Was für Aussichten. In die Semi Elite hatte er es bisher nur über die Beziehung seiner Eltern geschafft. Nun saß Scott als persönlicher Assistent neben dem Mann, der die Macht hatte, ihm im Handumdrehen die höchste Auszeichnung zu verschaffen. Du wirst so wertvoll, dass dir die Unsterblichkeit per Gesetz verordnet wird. Scott war wie im Trance.
»Tor 1 beschädigt, Schleuse 2 belegt, Schleuse 3 ist frei zur Landung.« Castello schloss genüsslich die Augen, als er die Meldung vom Stationssystem hörte. »Er ist hier. Ich habe ihn.« Scott machte neben dem selbstbewussten, charismatischen Castello eher eine erbärmliche Figur, als sie beide in der Haupthalle hinter den Schleusen standen. »Das hier ist eine ernste, wichtige Mission, Scott. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Deshalb habe ich dich zu meinem Assistenten gemacht.« Scott schluckte und bekam glasige Augen. »Manchmal braucht es eine gesunde Portion Glück, um so dicht am Erfolg zu stehen«, dachte er sich euphorisch. »Hör zu, du nimmst jetzt diesen Sprengsatz und setzt dich leise und unbemerkt in das Schiff von Clark in Schleuse 2. Dort wartest du, bis ich dir neue Anweisungen gebe. Wir bleiben über Intercom in Kontakt.« Ehrfürchtig blickte Scott zu ihm auf. »Du kannst dich auf mich verlassen, Broke. Keine Sorge.« Dann eilte er in Schleuse 2, in der Clarks Schiff stand und stieg ein.
Mit leisen Schritten lief Castello die Gänge ab. »Hallo Clark, hallo Mel, wo seid ihr.« Er schlug einen Ton an, als würden kleine Kinder Versteck spielen. »Oh, sie haben sich versteckt. Clark, ich habe dein Schiff gesehen«, rief er mit singender Stimme. Keine Antwort. »Schauen wir doch mal in der Zentrale nach, ob wir nicht dort was finden.«
Es gab unzählige Möglichkeiten, sich auf der großen Station zu verstecken. Castello machte auch nicht den Eindruck, als würde er ernsthaft nach ihnen suchen, als er die Treppe zur Zentrale hinaufstieg und dann plötzlich in einem kleinen Nebengang verschwand, in dem er irgendetwas zu tun schien. Scott saß währenddessen brav im Pilotensessel von Clarks Schiff, beobachtete die Displays, von denen er nichts verstand und machte einen wichtigen Gesichtsausdruck. Castello kam nach fünf Minuten aus dem Gang hervor, stieg die Treppe wieder hinab und blieb vor dem Sektor-Block stehen. Dort schob er einen kleinen Chip ein und drückte auf das Intercom. »Clark, ich habe dir zum Abschied etwas Musik dagelassen«, hallte es durch die ganze Station. »Du liebst doch Operntenöre so sehr. Verdi. Ja, es ist wunderbar.« Als das Orchester ertönte, schloss er für einen Moment sinnlich die Augen und schwenkte seinen Kopf im Melodiebogen. Dann ging er plötzlich mit schnellen Schritten zu seinem Schiff, schloss die Luke, startete und gab dem Stationssystem noch eine letzte Anweisung. »Sämtliche Schleusen blockieren.« Durch die Station dröhnte Aida. Es hat der Stein sich über mir geschlossen.
Scott saß leicht verwirrt in der Conestar Ecolight von Clark, als das Stationssystem die Blockade der Schleusen bestätigte. »Broke, äh, was soll ich denn jetzt machen?«, fragte er über Funk an. »Soll ich jetzt mit Clarks Schiff starten? Es wäre das Beste, er könnte sonst abhauen.«
»Du kannst nicht starten, sämtliche Schleusen sind blockiert.« Scott verstand nicht so recht. »Was ... was soll ich denn jetzt mit dem Sprengsatz machen?«
»Scott, meinst du nicht auch, dass du in letzter Zeit zu viele Fehler gemacht hast.«
»Äh ... Broke, es tut mir leid, ich weiß, dass ich wohl mal Fehler gemacht habe«, stammelte Scott. »So? Und wann hast du dein letztes Backup gemacht?«
»Vor drei Tagen genau. Immer pünktlich. Das halte ich genau ein.«
»Kannst du dich noch erinnern, was ich dir über Mel erzählt habe? Sterben und wiederbeleben … und sterben und wiederbeleben.«
»Ich werde mich bessern und tue alles, was du sagst, Broke«, jammerte Scott weinerlich.
»Ganz fest versprochen.«
»Natürlich, Broke. Du kannst dich ganz fest auf mich verlassen.«
»Gut. Dann drücke jetzt mal auf das kleine Knöpfchen vom Zünder, oder ich komme in zwei Tagen mit einem Braincloner hierher und fange bei dir damit an.«
Während Scott die Tränen über das Gesicht liefen, schaute er sich zum ersten mal den Sprengsatz etwas näher an, der eine kleine Abweichung zu den herkömmlichen Modellen aufwies. Er hatte keinen Zeitschalter, sondern lediglich einen kleinen grünen Zündknopf. Scott begriff seine Situation und fing an zu weinen. »Broke … bitte.«
»Du kannst es dir überlegen. Sterben und wiederbeleben …«
Mel kannte die Station bis ins Detail und hatte sich mit Clark zwischen den Gravitationsaggregaten versteckt, die wie ein Störsender wirkten. »Er ist weg. Wir müssen an das Schiff ran. Kannst du die Blockade der Schleusen aufheben?«, fragte Clark. »Castello ist hier auf dieser Station das Mastermind. Seine Anweisungen können von niemand aufgehoben werden. Aber das hier ist eine simple Fabrik und kein Regierungsgebäude. Wir können die Kontrollsysteme kappen und eine manuelle Steuerung bauen. Werkzeug gibt es hier genug.« Sie wollten sich gerade auf den Weg zur Schleuse machen, als eine heftige Explosion die Station erschütterte und in Alarmzustand versetzte. Scott hatte es sich überlegt und auf das Knöpfchen gedrückt.
»Was war das?«, fragte Clark. »Ich glaube, er hat dein Schiff gerade gesprengt«, sagte Mel in ruhigem Ton, als würde er es erwartet haben. »Ich hatte mich auch schon gewundert«, seufzte Clark. »Jetzt sitzen wir im selben Boot.«
»Nein Clark. Du kannst dich am nächsten Balken aufhängen. Wie ich dich beneide.« Clark fuchtelte mit der Hand. Nach dem Ableben war ihm nicht zumute. »Wir müssen Hilfe rufen.« Mel schüttelte den Kopf. »Wie willst du das machen? Die Sendeanlage hat Castello schon vor fünf Jahren zerstört. Es gibt nur den Identifikationsbereich. Da verhallst du nach tausend Meilen.«
»Wir haben noch meinen Bot draußen.«
»Ja, das war klug von dir. Innerhalb der Station kommt er nur 10.000 Meilen weit. Außerhalb kommt er 30.000 Meilen weit. Bis zur nächsten Transitstrecke sind es 300.000 Meilen. Außer ein paar Schmugglern und Ganoven, die hier gelegentlich in der Nähe sind, wird uns niemand hören.«
»Ich nehme zurzeit auch mit Schmugglern und Ganoven vorlieb, Mel.«
»Sie werden nicht antworten. Sie reagieren auf keine Funksprüche. Es sind Banden, die sich mit Schlüsselbegriffen verständigen, die Transponder abgeschaltet haben und sich gegenseitig Navigationshilfe geben, um nicht entdeckt zu werden. Ab und zu habe ich davon etwas empfangen. Wenn sie diese Station hier gefunden hätten, hätten sie längst versucht, sie zu plündern.«
»Was gibt es hier noch an wertvollen Rohstoffen?«
»Nicht viel, Clark. Das hier ist eine Ruine. Die Lager sind leer. Da liegen vielleicht noch mal gerade hundert Kilo IW45.«
»IW45?«
»Extrahiertes Granulat.«
»Kann ich das mal sehen?«
»Wir haben jede Menge Zeit, Clark, folge mir.«
Fünf weiße Säcke waren es. Einer davon war geplatzt. Clark bückte sich und nahm eine Handvoll des silbergrauen Granulats auf. »Diese Station war einmal eine der größten Fabriken für IW45. Dieses Material hat zurzeit die höchste Intelligenz in ihrer Werkstoff-Klasse. Aus dem Material wurde auch mal deine Ecolight gebaut. Irgendwer hier im Weltraum stellt damit illegal Bauteile her. Ohne Ursprungszeugnis und Zertifikat werden die das Granulat nicht bekommen. So hält man die Preise künstlich hoch. Aber mit den paar Kilo hier, wirst du niemanden anlocken können«, erklärte Mel. »Wir müssen eine Steuerung für die Schleuse bauen. Gibt es irgendwelche Pläne.«
»Im Archivraum kannst du jede einzelne Leitung der Station studieren, Clark. Ich kenne sie fast auswendig und kann dir genau sagen, wie wir das Kontrollsystem gekappt kriegen. Komm mit.«
Als Clark und Mel sich zum Archiv bewegten, kamen sie an dem kleinen Nebengang vorbei, in dem Castello zuvor beschäftigt war. Plötzlich ertönte ein Piepen. Clark blieb versteinert stehen. »Was ist das?«, fragte Mel. »Das ist der Code-5-Detektor, den ich auf der Iseris gefunden habe. Er spricht an.« Clark nahm den Detektor in die Hand und ging langsam in den Nebengang hinein. Die Signale wurden intensiver. »Verdammt, ich ahne was. Die Backups sind hier!«, rief Clark und suchte mit dem Gerät die Wände des Ganges ab. »Sie sind hier hinter der Verkleidung über den ganzen Gang verteilt.«
»Dann ist mein Backup sicherlich auch dabei. Ich hätte mich schon längst vernichten können.«, seufzte Mel. Clark riss eine Verkleidung runter. An der Rückseite waren vier kleine C-5-Karten befestigt. Natürlich hätte Castello sie auch in jedem Trinkwasserspender verstecken können. Aber diese großzügige Verteilung in den Wänden passte zu seinem Größenwahn. Ohne Zweifel konnten dies nur die Backups der hundert Designer sein. Hastig nahm Clark eine Verkleidung nach der anderen ab. Es waren genau 25 Elemente auf einer Seite.
Der Gang sah aus wie eine Baustelle. Als er an der letzten Verkleidung angelangt war, verzog er das Gesicht. »Mel, ich glaube, ich habe schlechte Nachrichten. An dieser hier sind nur drei Chips. Es sind nur 99. Ein Backup scheint zu fehlen und ich habe auch schon eine Ahnung, welches.«
»Er trägt also mein Ersatzgedächtnis in der rechten Hosentasche? Welch erhebebender Gedanke.«
»Wie gern hätte ich Jasper noch von diesem Fund berichtet.«
»Hatte er kein Backup.«
»Kein klar denkender Mensch in diesem Universum möchte heute von sich noch ein Backup haben, Mel. Allein in den letzten drei Jahren haben rund 10 Millionen Industrialisten ihre Datenbanken löschen lassen und sind in die Camps gegangen. Es ist viel passiert. Du weißt nichts davon.«
»Allsa fehlen also 10 Millionen Konsumenten. Ist das der Grund für das ganze Theater.«
»Die Antwort heißt Multirecon Plus. Mel, du musst mir alles erzählen. Was weiß Sarah über dieses Projekt?«
»Als ich Sarah genau diese Frage gestellt habe, brach sie weinend zusammen. Das, was sie weiß, scheint für sie unerträglich zu sein. Multirecon Plus ist das Tor zur Hölle, sagte sie. Dann ist sie weggegangen und wollte, dass ich mitkomme. Am nächsten Tag kam der Einsatz für die Iseris. Ich hatte Sarah erst für überarbeitet und hysterisch gehalten. Eine innere Stimme sagte mir jedoch, dass es besser war, sie zu verstecken.«
»Und welche Stimme hatte dir gesagt, besser nicht zu gehen?« Mel schwieg. »Komm Mel, sag es mir, ich will es hören.«
»Sarah«, sagte Mel leise. »Immer wenn wir glauben, wir haben den Überblick, wir haben sie durchschaut, machen wir denselben Fehler. Wir glauben in dem Moment, dass wir von allem losgelöst sind, dass wir über den Dingen stehen und uns keiner noch etwas vormachen kann. Wir fühlen uns von allen und jedem so belogen, dass wir nur noch an uns selbst glauben. Dabei vergessen wir, dass wir selbst unverändert gefangen in diesem System stecken. Die reine Erkenntnis, zu wissen, wie es funktioniert, nützt uns gar nichts. Doch wir glauben, dass allein diese Erkenntnis schon die Veränderung herbeiführt. Schließlich glauben wir, nur weil wir die Massen täglich mit unseren Erfindungen unter Kontrolle halten, an eine unantastbare Macht. Dieses Machtgefühl ist ein Irrlicht.«
»In diesem Irrlicht hast du dich aber bisher doch recht gut eingelebt, Clark. Oder?«
»Weißt du Mel, als ich auf der Iseris in diesem gleichgesteuerten Fischschwarm eingetaucht bin, habe ich mich oft gefragt, ob es diesen Menschen nicht sogar besser geht. Dummheit und Ignoranz ist der Schutzfaktor des Menschen, wenn Wahrheit und Erkenntnis das Leben unerträglich machen könnten.«
»Du leidest also darunter, dass du klug bist.«
»Nein Mel, ich bin vielleicht gar nicht klug, sondern nur intelligent. Klug ist nur der, der mit seiner Intelligenz das Richtige anzufangen weiß. Aber es ist nie zu spät. Es gibt noch Hoffnung für uns.« Clark lachte, Mel fand es nicht komisch. »Ich habe den Begriff Hoffnung aus meinem Hirn verbannt.«
»Auf deinem Backup ist er aber noch vorhanden.«
»Wir müssen es finden, damit ich mich komplett vernichten kann«, brauste Mel auf. »Nein Mel, wir werden als erstes dienen Körper holen. Was weißt du über diese Schmuggler?«
»So gut wie nichts. Ich habe manchmal ein paar Fetzen empfangen. Wirres Zeugs. Der Weltraum hat keine Regenbogen, oder, Meine Sonne ist heiß, oder, Ich war zur Ernte.« Clark schaltete seine Intercom ein. »Daisy, kannst du mich hören? Wir sind wieder in Kontakt.«
»Ich kann dich hören, Clark«, meldete Daisy zurück. »Bitte folgende Nachricht aufzeichnen: Hallo, hier spricht das Alien vom Orion. Der Weltraum hat keine Regenbogen. Ich habe eine heiße Sonne und würde gern ernten. Ende der Aufzeichnung. Daisy, das sendest du mit voller Leistung endlos auf allen Frequenzen. Melde dich, wenn eine Reaktion kommt.« Mel lachte. »Ja, das war richtig klug von dir. Was ich dir noch sagen wollte, dass letzte mal, dass ich von diesen Schmugglern was gehört habe, war vor eineinhalb Jahren.«
»Mel, wenn hier irgendwelche Banden in illegalen Rohstoffen machen, dann sind die öfter unterwegs. Und jetzt lass uns eine Steuerung für die Schleuse bauen.«