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Iseris

Auch Clark schaute noch einmal unruhig zurück. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und als von dem Koloss der Conestar 64 in der Dunkel­heit des Weltalls nichts mehr zu sehen war, geriet Clark ins grübeln. Hätte er Mel nicht doch besser mitnehmen sollen? Bis Castello be­merk­te, dass Mel weg war, hätte er einen erheblichen Vorsprung auf­bauen können. Doch er kannte Mel zu gut und wusste, dass ein Sturkopf wie er nicht davon abzubringen wäre, seinen Entschluss zu ändern. Viel­­leicht war es sogar der richtige. Clark wartete bis zum ver­lassen der Iden­tifi­kationszone bis er das Ziel angab.

»Daisy, unser Ziel ist die Iseris. Bot Kolonie Positive Kon­zept.«

»Negativ, die Kolonie Positiv Konzept gibt es nicht mehr. Die Iseris ist ein Format für Agrarwirtschaft und Wellness der Allsa-Gruppe.«

»Sie haben also schon angefangen, alle Spuren zu besei­tigen und bauen den Formaten zum Wellnesspark um?«

»Negativ. Das Terraforming war bereits vor 140 Jahren mit einer Eco­poesis zur Agrarwirtschaft und Wellness angelegt. Die Botkolonie wurde nur vorübergehend genutzt, als die Ecopo­esis noch nicht abge­schlossen war.«

»Dann haben die schon viel länger vorausgeplant als ange­nommen. Was befindet sich jetzt an der Stelle, wo früher die Kolonie war?«

»Ein Badesee.«

»Wie tief?«

»Er ist mit 10 Metern an der tiefsten Stelle angegeben. Ich messe aber 100 Meter.«

»Dann werde ich wohl auf Tauchstation gehen müssen.«

»Negativ. Wenn du in den Badesee eintauchst, wirst du sofort ver­haf­tet und dein Schiff konfisziert. Es ist ein geschütz­ter Bereich.«

»Das weiß ich auch. Ich dachte mehr an eine persönliche Freizeit­gestaltung.«

Clark grinste. Immer wenn es für Allsa heikel wurde, ver­stand man es exzellent, kritische Zonen zu kaschieren. Damals war es für ihn das ganz normale Business gewesen. Doch jetzt hatte er das Bild von seinem hilflosen, gedemütigten Freund Mel vor Augen. Die Positive Concept in einem Badesee ver­senkt. Wellness. Dieser Zynismus passte zu Castello. Der Ort, an dem Mels grausames Schicksal begann, wird nun ausge­rech­net von einem Wohlfühlparadies geschützt.

Als Clark aus seinem Dämmerschlaf erwachte, füllte die Iseris bereits die gesamte Frontscheibe. Es waren solche Mo­men­te, wo jeder ein hohes Maß an Ehrfurcht und Respekt verspürte über das, was der Mensch alles erschaffen hat. For­ma­ten, diese künstlich angelegten Planeten, sind die größten Baustellen im Universum und wohl auch sein größtes Faszi­nosum. Ein Prozess, der drei bis vierhundert Jahre bis zur For­mation braucht und noch einmal weitere hundert Jahre, bis eine stabile Atmosphäre herrscht, um dann langsam mit der Bewirtschaf­tung zu beginnen. Auch die Iseris war so eine pla­ne­tarische Rohmasse. Aus der Ferne wirkte sie wie ein Wüsten­planet mit Masern. Diese Eco­spots waren riesige Feuchtgebiete und über den ganzen Formaten verteilt, die mit Plankton und Bakterienkulturen jenen Prozess aus­lösten, der die Atmosphäre produzierte. Die Ecopoesis.

Clarks Ziel war an der Nordkappe platziert und von einem dünnen Wolkenband verhüllt. Er war beeindruckt, als er es durch­stieß. Vor ihm erstreckte sich ein gigantisches Erholungs­gebiet, mit wunderschönen Parks und einer farbenprächtigen Botanik. Nichts wirkte hier gedrun­gen. Die Hotel- und Veran­staltungsanlagen waren locker und unschein­bar verteilt. Das Herz bildete ein malerischer See in leuchtendem Türkis von 10 Kilometern Durchmesser. Am südlichen Ende lag die Rampe für die Raumschiffe und die Empfangshalle. Nie wäre es Clark in den Sinn gekommen, an einer solchen Massenveranstaltung teilzunehmen. Und es waren Massen, die im ständig pendeln­dem Verkehr an- und abreis­ten. Rund eine Millionen Men­schen konnte das Gebiet aufnehmen, aber sie verloren sich in dem enormen Platzangebot. Das gesamte Wellness­gelände war eingezäunt. Umliegend befanden sich einige Siedlungen mit Service- und Produktionsanlagen für die Agrarwirtschaft.

Wie bei allen Formaten war Wasser das größte Problem. 95% der Iseris bestanden noch aus Wüste. Soweit es die Er­schlie­ßung des For­maten zuließ, wurden riesige Felder an­ge­legt. In den Wüstengebieten war die Luft noch so dünn, dass sich ein Mensch dort nicht lange aufhalten könnte. In tausend Jahren wäre die Ecopoesis so weit fort­geschritten, dass 30% des Formaten nutzbar wären, sollte die Atmo­sphäre nicht plötz­­­lich kippen, wie bei anderen Formaten, die dann als Lei­chen durch das Weltall schwirrten. Im Extremfall blieben dann nur wenige Wochen, um einen ganzen Formaten zu eva­ku­ieren. Aber die Iseris schien gut zu gedeihen. Um die dunkel-grünen Ecospots bildeten sich immer breiter werdende hell­grüne Ha­los. Ein Zeichen, dass sich die Ecopoesis ausdehnte. Eine über­freundliche Stimme meldete sich per Inter­com. »Guten Tag. Wir möchten Clark auf Rampe 11 begrü­ßen.«

Natürlich war man immer bemüht, hochtechnische Anla­gen unauffällig in das Landschaftsbild einzufügen. Doch was man hier auf dem riesigen An- und Abfluggelände kreiert hatte, war an Kitsch durch nichts zu überbieten. Das Service­personal flog mit großen, bunten Flü­geln wie Schmetterlinge durch die Gegend und die Versorgungs­fahr­zeuge wirkten wie überdimen­sionales Kinderspielzeug. »Daisy, wir bleiben immer auf Inter­com. Scan die Leute hier, vielleicht findest du etwas beson­de­res. Ich nehme den Bot mit.«

Clark war gelandet und verließ sein Schiff. Während er über die Rampe in Richtung Empfangshalle lief, säumte eine Schar junger Frauen und Männer seinen Weg. Alle von makel­losem Antlitz, als wären sie aus einem alten Wachsfigu­ren­kabinett entlaufen. »Clark, wir freuen uns, dass du hier bist. Clark, wir lieben dich«, riefen sie euphorisch und applau­dier­ten. Dazu bunte Lichteffekte, eine dramatische Musik wie aus dem Opening eines alten Filmklassikers und es rieselten unauf­haltsam zarte Blüten vom Himmel. Clark fand diesen Zirkus nur peinlich. In der Empfangshalle angekommen, hörte er nur wenige Meter vor dem Rezeptionstresen über Lautsprecher seinen Namen. »Dr. Clark Seli Ashton, wir sind so glücklich, dich bei uns zu haben.« Spontan applau­dierten zahlreiche an­we­sende Gäste.

»Hier gibt es wohl alles, außer Anonymität«, murmelte er vor sich hin, als er vor dem Tresen angekommen war. Jeder hatte dieses Dauergrinsen im Gesicht. Wer nicht auffallen woll­te, musste fröhlich mitgrinsen. Clark versuchte es eine Weile und trug dabei einen Gesichtsausdruck, als hätte ihm je­mand zwischen die Beine getreten und befohlen gleichzeitig zu lächeln. Natürlich fiel er auf. Nicht nur durch seinen unpas­sen­den Gesichtsausdruck, sondern auch weil er seinen Bot mit­ge­nommen hatte. Ihm gegenüber stand eine routi­nierte Dame, die nicht nur seinen auffallenden Gesichtsausdruck ele­gant über­­­spielte, sondern ihn mit gleichbleibender Profes­sio­nalität abfer­tig­te, als wäre er der einzige Gast hier und die An­lage nur für ihn gebaut.

»Willkommen Clark, ich bin Cora.«

Sie ließ sich auch nichts anmerken, als Clark sie einen Mo­ment mit durchdringendem Blick musterte. Sie war schon et­was reiferen Alters und wohl diverse Male runderneuert. In ihrer Gesichtspartie strahlten zwei makellos weiß-blau leuch­tende Augen, die nicht zum Rest passten und wohl vor einigen Monaten ausgetauscht wurden. Ein typisches Allsa-Modell. Wäh­rend im Hintergrund die Durchsagen liefen, wie viele tausend Gäste gerade auf der Iseris wieder an- und abreisten, sich Scha­ren von Menschen wie Ameisenpfade vor den Check Ins anhäuften, waren Coras Bewegungen und Gesten von einer Gelassenheit, als wäre er in einem Meditationstempel ange­kom­men. Clark konnte von seinem verkrampften Gesichts­aus­druck nicht ablassen. Wo er hier doch wie ein kleiner Gott ge­feiert wurde, denn schließlich ist er ja Semi Elite.

Cora war zweifelsfrei auch Semi Elite, wenn nicht sogar Elite, nur würde dies ein Gast niemals erfahren. Clark bemerk­te, dass er mit seinem Auftreten gepatzt hatte und ganz offen­sichtlich nicht den typi­schen Urlauber gab. Es wäre zu spät gewesen, den Kurs noch schnell zu korrigieren, also beließ er es bei einem schlechten Laune Muffel, der nicht weiß, wie schön Urlaub auf der Iseris ist und der eine Allsa-Wellness-Anlage als groß angelegte Volksverdummung sieht. Als Semi Elite hatte er ein Recht auf eine solche Arroganz. Das machte ihn eher wie­der glaubwürdig. Cora schien darauf einzugehen und versuch­te, ihn aufzumuntern.

»Clark, für die Semi Elite haben wir ein ganz besonderes Programm mit ...«. Clark unterbrach.

»Nein, ich möchte meinen Urlaub individuell gestalten, ohne von deinen Animatoren genervt zu werden.«

»Natürlich, du kannst dich völlig unabhängig und unkon­trol­liert hier bewegen.«

»Gibt es ein Tauch Programm?«

Cora zuckte ganz kurz mit den Augen.

»Nein, Tauchen ist aus Sicherheitsgründen hier nicht gestattet, aber du kannst …«, wieder unterbrach Clark.

»Wo der See doch hundert Meter tief ist.«

Nun wurde Cora doch ein wenig nervös und sprudelte un­er­müdlich über die Schönheit des Sees. Das man nach zwanzig Metern noch stehen kann, der Quarzsand höchster Güte ist, für Kinder künstliche Delphine schwimmen und nachts die Leucht­­karpfen ein wunderschönes Farben­spiel bieten. Die Sa­che mit der ungewöhnlichen Tiefe war für sie schnell erle­digt. »Der See wird in der Winterpause auf 10 Meter aufgefüllt, dann bleibt das Wasser auch länger warm.« Clark hatte sich mit seiner Tiefenangabe als Schnüffler geoutet, aber das war ihm egal, denn es würde ohnehin nur eine Frage der Zeit sein, bis Castello ihn aufgespürt hätte. Solange sollte Cora noch rätseln, wer er war. Dafür hatte er jetzt die Bestätigung, dass er mit dem See zwei­fels­frei den wunden Punkt getroffen hatte. Nur würde jemand, der darin rumschnüffeln wollte, dies wohl nicht gleich so offenkundig an der Re­zep­tion mitteilen. Es war Clark gelungen, Cora aus dem Konzept zu bringen. Ein Control­ler von Allsa? Ein wichtiger Teilhaber? Eine ver­deckte Sicher­heits­kontrolle?

»Wie lange möchtest du bleiben?« fragte Cora.

»Weiß ich noch nicht«, frotzelte Clark.

»Nun, dann werde ich dich erst einmal für eine Woche ein­buchen. Du kannst jederzeit verlängern, wenn dir das Allsa Well­ness Programm gefällt.«

»Oh, ganz bestimmt. Ich finde Allsa klasse«, provozierte er laut-stark.

»Clark, wir finden dich auch klasse«, tönte es mit tosendem Applaus aus den Lautsprechern durch die Halle. »Ich dachte, ich bin hier völlig unkontrolliert?« Clark und Cora grinsten sich nun an, als würden zwei Kollegen sich über Interna lustig ma­chen. Irgendwie empfand sie für ihn Sympathie. »Hier ist dein Chip. Suite 4031 im Westflügel.«

Kaum hatte er nach dem Chip gegriffen, als plötzlich neben ihm, mit einer kleinen Melodie, eine 3D-Holographie in Gestalt eines vor Glück­seligkeit nur so strotzenden jungen Mannes er­schien. »Hallo Clark, ich bin Ronald, dein persönlicher Promi­nator. Du hast soeben 800 Bonus Punkte beim Allsa-Bonus-Pro­gramm erhalten.« Clark riss die Mund­winkel bis zu den Ohren hoch, ließ seine weißen Zähne blitzen und machte ein Gesicht, als würde er Cora jetzt etwas Liebes sagen wollen.

»Kann man dieses Scheißding auch abstellen?«

»Entschuldigung, Clark, aber ich hatte dich so verstanden, dass du als Elite anonym bleiben möchtest. Ich nehme dich aus dem Anima­tions­programm raus, wenn du möchtest.«

Da hatte sie wohl recht. Die Elite erkannte man meistens daran, dass sie eben nicht ständig von diesen virtuellen Werbe­figuren behelligt wurde. Noch einmal schauten sich die beiden mit der gleichen Frage im Kopf an. Wer bist du?

Clark bewegte sich in Richtung Haupteingang und dachte, »Jetzt springst du zu dem Schwarm Fische ins Aquarium.« Er schaute sich eine Weile um, blickte verschiedene Gäste an und versuchte, ihr pene­trantes lächeln zu kopieren. Es gelang ihm bis zum Haupteingang, als eine Diskussion mit einem Betreuer begann.

»Deinen Bot musst du hier leider abgeben.«

»Nein, ich brauche ihn«, muffelte Clark.

»Tut mir leid, aber Bots sind grundsätzlich im Wellness-Bereich ver­boten. Außerdem wird er von uns zwischenzeitlich gewartet. Den Code für deinen Bot, bitte.«

Clark wurde aggressiv. Sein Bot war ihm heilig.

»Er war gerade erst zur Wartung.«

»Die Wartung ist kostenlos.«

»Er braucht keine Wartung.«

Clark wurde immer aggressiver und lauter. Einige Leute schau­ten ihn schon entsetzt an.

»Gut, dann bleibt er hier in deinem Schließfach.«

»Nein, ich schicke ihn zum Schiff zurück.«

»Wie du meinst, gute Erholung.«

Cora beobachtete die Szene aus der Ferne und warf dem Betreuer nun einen scharfen Blick zu. Clarks Bot schwebte in Richtung Raumschiff und der Betreuer grübelte, was er in die­ser Situation wohl falsch gemacht haben könnte. Kaum war Clark auf dem Wellness Gelände ver­schwunden, da stürzte Cora zur Intercom. Ihre Gesichtszüge verwandel­ten sich, als wäre sie eine andere Person geworden.

»Scott, ich habe hier eben einen seltsamen Gast einge­checkt.«

»Dr. Clark Seli Ashton? Der ist Designer bei Clonedake und wahr­schein­lich frustriert, weil er bald arbeitslos ist. Seinen Seli-Titel ist er wohl auch bald los.«

»Er hat sich sehr für den Badesee interessiert.«

»Ich werde ihn im Auge behalten.«

Clone Designer - 2984

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