Читать книгу Clone Designer - 2984 - Till Symon - Страница 6
ОглавлениеIseris
Auch Clark schaute noch einmal unruhig zurück. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und als von dem Koloss der Conestar 64 in der Dunkelheit des Weltalls nichts mehr zu sehen war, geriet Clark ins grübeln. Hätte er Mel nicht doch besser mitnehmen sollen? Bis Castello bemerkte, dass Mel weg war, hätte er einen erheblichen Vorsprung aufbauen können. Doch er kannte Mel zu gut und wusste, dass ein Sturkopf wie er nicht davon abzubringen wäre, seinen Entschluss zu ändern. Vielleicht war es sogar der richtige. Clark wartete bis zum verlassen der Identifikationszone bis er das Ziel angab.
»Daisy, unser Ziel ist die Iseris. Bot Kolonie Positive Konzept.«
»Negativ, die Kolonie Positiv Konzept gibt es nicht mehr. Die Iseris ist ein Format für Agrarwirtschaft und Wellness der Allsa-Gruppe.«
»Sie haben also schon angefangen, alle Spuren zu beseitigen und bauen den Formaten zum Wellnesspark um?«
»Negativ. Das Terraforming war bereits vor 140 Jahren mit einer Ecopoesis zur Agrarwirtschaft und Wellness angelegt. Die Botkolonie wurde nur vorübergehend genutzt, als die Ecopoesis noch nicht abgeschlossen war.«
»Dann haben die schon viel länger vorausgeplant als angenommen. Was befindet sich jetzt an der Stelle, wo früher die Kolonie war?«
»Ein Badesee.«
»Wie tief?«
»Er ist mit 10 Metern an der tiefsten Stelle angegeben. Ich messe aber 100 Meter.«
»Dann werde ich wohl auf Tauchstation gehen müssen.«
»Negativ. Wenn du in den Badesee eintauchst, wirst du sofort verhaftet und dein Schiff konfisziert. Es ist ein geschützter Bereich.«
»Das weiß ich auch. Ich dachte mehr an eine persönliche Freizeitgestaltung.«
Clark grinste. Immer wenn es für Allsa heikel wurde, verstand man es exzellent, kritische Zonen zu kaschieren. Damals war es für ihn das ganz normale Business gewesen. Doch jetzt hatte er das Bild von seinem hilflosen, gedemütigten Freund Mel vor Augen. Die Positive Concept in einem Badesee versenkt. Wellness. Dieser Zynismus passte zu Castello. Der Ort, an dem Mels grausames Schicksal begann, wird nun ausgerechnet von einem Wohlfühlparadies geschützt.
Als Clark aus seinem Dämmerschlaf erwachte, füllte die Iseris bereits die gesamte Frontscheibe. Es waren solche Momente, wo jeder ein hohes Maß an Ehrfurcht und Respekt verspürte über das, was der Mensch alles erschaffen hat. Formaten, diese künstlich angelegten Planeten, sind die größten Baustellen im Universum und wohl auch sein größtes Faszinosum. Ein Prozess, der drei bis vierhundert Jahre bis zur Formation braucht und noch einmal weitere hundert Jahre, bis eine stabile Atmosphäre herrscht, um dann langsam mit der Bewirtschaftung zu beginnen. Auch die Iseris war so eine planetarische Rohmasse. Aus der Ferne wirkte sie wie ein Wüstenplanet mit Masern. Diese Ecospots waren riesige Feuchtgebiete und über den ganzen Formaten verteilt, die mit Plankton und Bakterienkulturen jenen Prozess auslösten, der die Atmosphäre produzierte. Die Ecopoesis.
Clarks Ziel war an der Nordkappe platziert und von einem dünnen Wolkenband verhüllt. Er war beeindruckt, als er es durchstieß. Vor ihm erstreckte sich ein gigantisches Erholungsgebiet, mit wunderschönen Parks und einer farbenprächtigen Botanik. Nichts wirkte hier gedrungen. Die Hotel- und Veranstaltungsanlagen waren locker und unscheinbar verteilt. Das Herz bildete ein malerischer See in leuchtendem Türkis von 10 Kilometern Durchmesser. Am südlichen Ende lag die Rampe für die Raumschiffe und die Empfangshalle. Nie wäre es Clark in den Sinn gekommen, an einer solchen Massenveranstaltung teilzunehmen. Und es waren Massen, die im ständig pendelndem Verkehr an- und abreisten. Rund eine Millionen Menschen konnte das Gebiet aufnehmen, aber sie verloren sich in dem enormen Platzangebot. Das gesamte Wellnessgelände war eingezäunt. Umliegend befanden sich einige Siedlungen mit Service- und Produktionsanlagen für die Agrarwirtschaft.
Wie bei allen Formaten war Wasser das größte Problem. 95% der Iseris bestanden noch aus Wüste. Soweit es die Erschließung des Formaten zuließ, wurden riesige Felder angelegt. In den Wüstengebieten war die Luft noch so dünn, dass sich ein Mensch dort nicht lange aufhalten könnte. In tausend Jahren wäre die Ecopoesis so weit fortgeschritten, dass 30% des Formaten nutzbar wären, sollte die Atmosphäre nicht plötzlich kippen, wie bei anderen Formaten, die dann als Leichen durch das Weltall schwirrten. Im Extremfall blieben dann nur wenige Wochen, um einen ganzen Formaten zu evakuieren. Aber die Iseris schien gut zu gedeihen. Um die dunkel-grünen Ecospots bildeten sich immer breiter werdende hellgrüne Halos. Ein Zeichen, dass sich die Ecopoesis ausdehnte. Eine überfreundliche Stimme meldete sich per Intercom. »Guten Tag. Wir möchten Clark auf Rampe 11 begrüßen.«
Natürlich war man immer bemüht, hochtechnische Anlagen unauffällig in das Landschaftsbild einzufügen. Doch was man hier auf dem riesigen An- und Abfluggelände kreiert hatte, war an Kitsch durch nichts zu überbieten. Das Servicepersonal flog mit großen, bunten Flügeln wie Schmetterlinge durch die Gegend und die Versorgungsfahrzeuge wirkten wie überdimensionales Kinderspielzeug. »Daisy, wir bleiben immer auf Intercom. Scan die Leute hier, vielleicht findest du etwas besonderes. Ich nehme den Bot mit.«
Clark war gelandet und verließ sein Schiff. Während er über die Rampe in Richtung Empfangshalle lief, säumte eine Schar junger Frauen und Männer seinen Weg. Alle von makellosem Antlitz, als wären sie aus einem alten Wachsfigurenkabinett entlaufen. »Clark, wir freuen uns, dass du hier bist. Clark, wir lieben dich«, riefen sie euphorisch und applaudierten. Dazu bunte Lichteffekte, eine dramatische Musik wie aus dem Opening eines alten Filmklassikers und es rieselten unaufhaltsam zarte Blüten vom Himmel. Clark fand diesen Zirkus nur peinlich. In der Empfangshalle angekommen, hörte er nur wenige Meter vor dem Rezeptionstresen über Lautsprecher seinen Namen. »Dr. Clark Seli Ashton, wir sind so glücklich, dich bei uns zu haben.« Spontan applaudierten zahlreiche anwesende Gäste.
»Hier gibt es wohl alles, außer Anonymität«, murmelte er vor sich hin, als er vor dem Tresen angekommen war. Jeder hatte dieses Dauergrinsen im Gesicht. Wer nicht auffallen wollte, musste fröhlich mitgrinsen. Clark versuchte es eine Weile und trug dabei einen Gesichtsausdruck, als hätte ihm jemand zwischen die Beine getreten und befohlen gleichzeitig zu lächeln. Natürlich fiel er auf. Nicht nur durch seinen unpassenden Gesichtsausdruck, sondern auch weil er seinen Bot mitgenommen hatte. Ihm gegenüber stand eine routinierte Dame, die nicht nur seinen auffallenden Gesichtsausdruck elegant überspielte, sondern ihn mit gleichbleibender Professionalität abfertigte, als wäre er der einzige Gast hier und die Anlage nur für ihn gebaut.
»Willkommen Clark, ich bin Cora.«
Sie ließ sich auch nichts anmerken, als Clark sie einen Moment mit durchdringendem Blick musterte. Sie war schon etwas reiferen Alters und wohl diverse Male runderneuert. In ihrer Gesichtspartie strahlten zwei makellos weiß-blau leuchtende Augen, die nicht zum Rest passten und wohl vor einigen Monaten ausgetauscht wurden. Ein typisches Allsa-Modell. Während im Hintergrund die Durchsagen liefen, wie viele tausend Gäste gerade auf der Iseris wieder an- und abreisten, sich Scharen von Menschen wie Ameisenpfade vor den Check Ins anhäuften, waren Coras Bewegungen und Gesten von einer Gelassenheit, als wäre er in einem Meditationstempel angekommen. Clark konnte von seinem verkrampften Gesichtsausdruck nicht ablassen. Wo er hier doch wie ein kleiner Gott gefeiert wurde, denn schließlich ist er ja Semi Elite.
Cora war zweifelsfrei auch Semi Elite, wenn nicht sogar Elite, nur würde dies ein Gast niemals erfahren. Clark bemerkte, dass er mit seinem Auftreten gepatzt hatte und ganz offensichtlich nicht den typischen Urlauber gab. Es wäre zu spät gewesen, den Kurs noch schnell zu korrigieren, also beließ er es bei einem schlechten Laune Muffel, der nicht weiß, wie schön Urlaub auf der Iseris ist und der eine Allsa-Wellness-Anlage als groß angelegte Volksverdummung sieht. Als Semi Elite hatte er ein Recht auf eine solche Arroganz. Das machte ihn eher wieder glaubwürdig. Cora schien darauf einzugehen und versuchte, ihn aufzumuntern.
»Clark, für die Semi Elite haben wir ein ganz besonderes Programm mit ...«. Clark unterbrach.
»Nein, ich möchte meinen Urlaub individuell gestalten, ohne von deinen Animatoren genervt zu werden.«
»Natürlich, du kannst dich völlig unabhängig und unkontrolliert hier bewegen.«
»Gibt es ein Tauch Programm?«
Cora zuckte ganz kurz mit den Augen.
»Nein, Tauchen ist aus Sicherheitsgründen hier nicht gestattet, aber du kannst …«, wieder unterbrach Clark.
»Wo der See doch hundert Meter tief ist.«
Nun wurde Cora doch ein wenig nervös und sprudelte unermüdlich über die Schönheit des Sees. Das man nach zwanzig Metern noch stehen kann, der Quarzsand höchster Güte ist, für Kinder künstliche Delphine schwimmen und nachts die Leuchtkarpfen ein wunderschönes Farbenspiel bieten. Die Sache mit der ungewöhnlichen Tiefe war für sie schnell erledigt. »Der See wird in der Winterpause auf 10 Meter aufgefüllt, dann bleibt das Wasser auch länger warm.« Clark hatte sich mit seiner Tiefenangabe als Schnüffler geoutet, aber das war ihm egal, denn es würde ohnehin nur eine Frage der Zeit sein, bis Castello ihn aufgespürt hätte. Solange sollte Cora noch rätseln, wer er war. Dafür hatte er jetzt die Bestätigung, dass er mit dem See zweifelsfrei den wunden Punkt getroffen hatte. Nur würde jemand, der darin rumschnüffeln wollte, dies wohl nicht gleich so offenkundig an der Rezeption mitteilen. Es war Clark gelungen, Cora aus dem Konzept zu bringen. Ein Controller von Allsa? Ein wichtiger Teilhaber? Eine verdeckte Sicherheitskontrolle?
»Wie lange möchtest du bleiben?« fragte Cora.
»Weiß ich noch nicht«, frotzelte Clark.
»Nun, dann werde ich dich erst einmal für eine Woche einbuchen. Du kannst jederzeit verlängern, wenn dir das Allsa Wellness Programm gefällt.«
»Oh, ganz bestimmt. Ich finde Allsa klasse«, provozierte er laut-stark.
»Clark, wir finden dich auch klasse«, tönte es mit tosendem Applaus aus den Lautsprechern durch die Halle. »Ich dachte, ich bin hier völlig unkontrolliert?« Clark und Cora grinsten sich nun an, als würden zwei Kollegen sich über Interna lustig machen. Irgendwie empfand sie für ihn Sympathie. »Hier ist dein Chip. Suite 4031 im Westflügel.«
Kaum hatte er nach dem Chip gegriffen, als plötzlich neben ihm, mit einer kleinen Melodie, eine 3D-Holographie in Gestalt eines vor Glückseligkeit nur so strotzenden jungen Mannes erschien. »Hallo Clark, ich bin Ronald, dein persönlicher Prominator. Du hast soeben 800 Bonus Punkte beim Allsa-Bonus-Programm erhalten.« Clark riss die Mundwinkel bis zu den Ohren hoch, ließ seine weißen Zähne blitzen und machte ein Gesicht, als würde er Cora jetzt etwas Liebes sagen wollen.
»Kann man dieses Scheißding auch abstellen?«
»Entschuldigung, Clark, aber ich hatte dich so verstanden, dass du als Elite anonym bleiben möchtest. Ich nehme dich aus dem Animationsprogramm raus, wenn du möchtest.«
Da hatte sie wohl recht. Die Elite erkannte man meistens daran, dass sie eben nicht ständig von diesen virtuellen Werbefiguren behelligt wurde. Noch einmal schauten sich die beiden mit der gleichen Frage im Kopf an. Wer bist du?
Clark bewegte sich in Richtung Haupteingang und dachte, »Jetzt springst du zu dem Schwarm Fische ins Aquarium.« Er schaute sich eine Weile um, blickte verschiedene Gäste an und versuchte, ihr penetrantes lächeln zu kopieren. Es gelang ihm bis zum Haupteingang, als eine Diskussion mit einem Betreuer begann.
»Deinen Bot musst du hier leider abgeben.«
»Nein, ich brauche ihn«, muffelte Clark.
»Tut mir leid, aber Bots sind grundsätzlich im Wellness-Bereich verboten. Außerdem wird er von uns zwischenzeitlich gewartet. Den Code für deinen Bot, bitte.«
Clark wurde aggressiv. Sein Bot war ihm heilig.
»Er war gerade erst zur Wartung.«
»Die Wartung ist kostenlos.«
»Er braucht keine Wartung.«
Clark wurde immer aggressiver und lauter. Einige Leute schauten ihn schon entsetzt an.
»Gut, dann bleibt er hier in deinem Schließfach.«
»Nein, ich schicke ihn zum Schiff zurück.«
»Wie du meinst, gute Erholung.«
Cora beobachtete die Szene aus der Ferne und warf dem Betreuer nun einen scharfen Blick zu. Clarks Bot schwebte in Richtung Raumschiff und der Betreuer grübelte, was er in dieser Situation wohl falsch gemacht haben könnte. Kaum war Clark auf dem Wellness Gelände verschwunden, da stürzte Cora zur Intercom. Ihre Gesichtszüge verwandelten sich, als wäre sie eine andere Person geworden.
»Scott, ich habe hier eben einen seltsamen Gast eingecheckt.«
»Dr. Clark Seli Ashton? Der ist Designer bei Clonedake und wahrscheinlich frustriert, weil er bald arbeitslos ist. Seinen Seli-Titel ist er wohl auch bald los.«
»Er hat sich sehr für den Badesee interessiert.«
»Ich werde ihn im Auge behalten.«